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Gravitationswellen

Gudrun Heise
7. September 2017

Der Physiker Karsten Danzmann erhält den Otto-Hahn-Preis 2017. Erst Anfang September war ihm der Körber-Preis für die Entdeckung der Gravitationswellen verliehen worden. Wir berichteten. Hier noch einmal das Porträt.

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Deutschland Karsten Danzmann
Bild: picture-alliance/dpaJ. Stratenschulte

Gravitationswellen: Dass es sie tatsächlich gibt, war 2015 eine sensationelle Entdeckung. Karsten Danzmann und sein Team konnten nachweisen, was Albert Einstein schon vor rund 100 Jahren vorhergesagt hatte.

Karsten Danzmann vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik entwickelte mit seinem Team Schlüsseltechnologien, wie etwa hochpräzise Laser, mit denen seine Forscherkollegen in den USA im Jahr 2015 direkte Gravitationswellen nachwiesen. 

"Nun hat uns die Schwerkraft gleichsam ihren eigenen Boten geschickt - die Gravitationswellen", hatte Danzmann gegenüber der Körber-Stiftung erklärt, nachdem die Jury im Mai ihre Auswahl bekannt gegeben hatte. Bis zum Nachweis der Gravitationswellen konnten Astronomen das All nur mit Hilfe elektromagnetischer Wellen erforschen: mit Licht, Radio-, Röntgen- oder Gammastrahlung. Durch die erfolgreiche Arbeit des Danzmann-Teams ergeben sich ganz neue Forschungsansätze.

Was sind Gravitationswellen?

Stellen Sie sich einen Tennisball auf einem Trampolin vor. Er würde daliegen - sich kaum bewegen. Nun setzen wir ein kleines Kind auf das Trampolin. Das Trampolin hat jetzt an dieser Stelle eine Delle.

Was jetzt passiert? Der Tennisball bewegt sich langsam in Richtung der Delle, die das Kind verursacht. Er wird langsam in seine Richtung rollen. Je näher das Kind am Tennisball sitzt, desto weiter rollt er in Richtung Delle. Er wird von ihr angezogen.

Je größer die Masse eines bewegten Körpers, desto stärker ist seine Anziehungskraft.

Das ist die Idee der Gravitation - etwa so kann man sich auch Gravitationswellen im Weltraum vorstellen.

Gravitationswellen entstehen, wenn Massen beschleunigt werden - zum Beispiel bei der Explosion von Sternen am Ende ihrer Lebenszeit, bei dramatischen Ereignissen im All - wie dem Urknall - oder beim Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher. Die Gravitationswellen stauchen und strecken den Raum. Sie beeinflussen die Struktur der Raumzeit.

Infografik Allgemeine Relativitätstheorie Krümmung der Raumzeit Deutsch

Der Physiker Albert Einstein hatte die Gravitationswellen vor 100 Jahren mit seiner Relativitätstheorie beschrieben.

Gravitationswellen breiten sich völlig ungehindert im Kosmos aus. Egal, was ihnen in den Weg kommt. Das unterscheidet sie von Licht- oder Schallwellen. Gravitationswellen sind eine Verzerrung der Geometrie, des Raumes selbst.

Seitdem die Theorie aufgestellt wurde, versuchen Forscher den Wellen auf die Schliche zu kommen. Jetzt ist der Beweis für ihre Existenz erbracht worden.

Warum ist das so eine große Sache?

Einstein beschrieb, wie die Raumzeit durch Gravitationswellen geschoben und gezogen wird - wie sie sich verzerrt und wie sich Objekte, etwa Neutronensterne und Schwarze Löcher, darin bewegen.

Bis zum jetzt erbrachten Beweis existierte jedoch keine Technologie, mit der Wissenschaftlern solch ein Phänomen messen konnten.

Die wissenschaftliche Bedeutung der Entdeckung wird auch dadurch klar, dass der Nobelpreis für Physik in diesem Jahr an drei amerikanische Forscher ging, die die Existenz der Gravitationswellen nachgewiesen haben. Sie stehen sozusagen stellvertretend für die zahlreichen Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet gearbeitet haben - Karsten zum Beispiel.

Warum wurde das nicht schon früher erkannt?

Schon viele Wissenschaftler haben sich daran versucht, Gravitationswellen nachzuweisen, waren dabei allerdings nie erfolgreich. Die bisherige Suche ist mehr von Rückschlägen und Falschmeldungen als Erfolgen geprägt. Der Grund? Gravitationswellen sind nur sehr, sehr schwer auffindbar und messbar.

Für die Messung von Gravitationswellen ist ein äußerst empfindlicher Detektor nötig. Denn sobald die Wellen die Erde erreichen, weisen sie nur noch eine extrem kleine Amplitude auf - tausendmal kleiner als ein Atomkern.

USA LIGO Livingston Forschungszentrum
Die LIGO-Observatorien in Livingston, Louisiana (s. Foto) und Hanford, Washington, wurden im Jahr 2015 aufgerüstetBild: Courtesy Caltech/MIT/LIGO Laboratory

Wie erforschen die Wissenschaftler am LIGO die Wellen?

Das LIGO-Observatorium (Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium) in den USA wurde im Jahr 1992 gegründet. Auch hier scheiterten die ersten physikalischen Versuche, Wellen zu finden. Die neueste Technologie ist jedoch vier Mal empfindlicher als bisherige.

Das LIGO besteht aus zwei hochsensiblen Beobachtungsstellen, etwa 3000 Kilometer voneinander entfernt - eine in Livingston, Louisiana eine in Hanford, Washington.

Bei beiden Observatorien gibt es zwei identische, vier Kilometer lange, L-förmige Tunnels mit Spiegeln. Mithilfe von Laserstrahlen, die die Forscher zwischen den Stationen hin und herschicken, können sie winzige Verzerrungen messen, die sich durch Verzögerungen beim Rückspiegeln bemerkbar machen - das ist ein Zeichen für Gravitationswellen.

Die zwei verschiedenen Standorte ermöglichen es den Wissenschaftlern, Hinweise auf den Zeitpunkt und die Richtung der Wellen zu vergleichen.

USA LIGO Livingston Forschungszentrum
Die Gewissheit über die Existenz von Gravitationswellen fasziniert die Wissenschaft nach wie vorBild: Courtesy Caltech/MIT/LIGO Laboratory

Ist das LIGO-Observatorium das einzige, das nach Beweisen für Gravitationswellen sucht?

Nein. Weltweit gibt es mehr als 70 Organisationen, die versuchen, Signale von Gravitationswellen nachzuweisen.

Auch bei dem LIGO-Projekt in den USA sind deutsche Wissenschaftler beteiligt. Sie entwickelten einen kleineren Wellendetektor.

Die Europäische Weltraumorganisation ESA hatte am 3. Dezember 2015 den Satelliten LISA-Pathfinder ins All geschickt, um neue Detektortechnik den zukünftigen Graviationswellendetektor eLISA/NGO (Evolved Laser Interferometer Space Antenna/ New Gravitational wave Observatory) zu testen, der aus drei weit entfernt im All befindlichen Satelliten bestehen soll.  Bis Ende Juni 2017 war die LISA-Pathfinder in Betrieb und stellte die Funktion der Detektoren unter Beweis.

Was haben wir davon, dass der Nachweis existiert?

Wissenschaftler haben nun Klarheit darüber, dass Gravitationswellen tatsächlich existieren. Dieses Wissen kann unser Verständnis vom Universum komplett verändern.

Wissenschaftler hoffen, durch zukünftige Messungen die Auswirkung der größten Geschehnisse der Geschichte - wie den Urknall - untersuchen zu können. 

Vielleicht erlauben uns die Wellen Blicke in die entferntesten Ecken des Weltraums. Wellen, die durch den Urknall entstanden sind, könnten uns zum Beispiel neue Erkenntnisse darüber geben, wie sich das Universum geformt hat.

Außerdem ist es die letzte Bestätigung der unwirklichsten Teile von Einsteins Theorie. Dazu haben Danzmann und sein Team einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Der Preisträger Karsten Danzmann studierte Physik an der Technischen Universität Clausthal und promovierte 1980 in Hannover. Sechs Jahre später ging er an die amerikanische Stanford University, wo er bis 1989 als Physikprofessor tätig war. 1993 kehrte er nach Deutschland zurück, seit 2002 ist er Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Hannover.

 

Die Verleihung des mit 50.000 Euro dotierten Otto-Hahn-Preises 2017 ist am 2. November. Vergeben wird die Auszeichnung alle zwei Jahre von der Stadt Frankfurt am Main, der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der Gesellschaft Deutscher Chemiker. Laut Deutscher Physikalischer Gesellschaft ist mit dem Preis auch die Absicht verbunden, die Verantwortung der Wissenschaft für die Gesellschaft zu verdeutlichen.

 

Der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft zeichnet seit 1985 jedes Jahr einen Durchbruch in der Physik oder den Life Sciences in Europa aus. Er geht an Forschungsansätze mit hohem Anwendungspotential und ist mit 750.000 Euro dotiert. Sechs Preisträgerinnen und Preisträger erhielten nach der Auszeichnung mit dem Körber-Preis auch einen Nobelpreis.