Neuer Chef für Regierungspartei FDP
5. April 2011"Alles neu macht der Mai" heißt eine Volksweise aus dem frühen 19. Jahrhundert, das in Deutschland sprichwörtlichen Charakter hat. Für die Liberalen (FDP) hat das Bonmot in diesem Jahr eine ganz eigene Bedeutung. Denn auf ihrem Parteitag Mitte Mai in Rostock sollen die Delegierten Philipp Rösler zum neuen Partei-Chef wählen. Mit dem 38-jährigen Gesundheitsminister hofft die FDP aus ihrer tiefen personellen und inhaltlichen Krise herauszufinden.
Der neue Hoffnungsträger hat lange mit sich gerungen, ob er die Verantwortung übernehmen will. Die Entscheidung zur Kandidatur zum Bundesvorsitzenden der FDP sei ihm "nicht leicht gefallen", gab Rösler offen zu. Der junge Familienvater hat in der Vergangenheit häufig betont, spätestens mit 45 Jahren aus der Politik ausscheiden zu wollen. Sollte sich der promovierte Arzt daran halten, blieben ihm höchstens sieben Jahre Zeit, um die FDP wieder aufzurichten.
Wenig Selbstvertrauen, unscharfes Profil
Rösler fällt die schwierige Aufgabe zu, den Liberalen verloren gegangenes Selbstvertrauen einzuhauchen, ein neues Profil zu geben und für ein sympathischeres Erscheinungsbild zu sorgen. All das hat die FDP seit ihrem Eintritt in die Regierungskoalition mit den christlichen Unions-Parteien (CDU, CSU) im Herbst 2009 weitestgehend verloren. Das lag vor allem daran, dass sich die groß angekündigte Steuer-Reform, von kleineren Entlastungen abgesehen, als leeres Versprechen entpuppte
Dem besten Bundestags-Wahlergebnis von knapp 15 Prozent folgten fast ausnahmslos verlustreiche Niederlagen auf Landesebene. In Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz scheiterte die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde und ist nicht mehr in den Parlamenten vertreten. In Baden-Württemberg schaffte sie es knapp in den Landtag, ist jetzt aber in der Opposition.
Rösler wird Stellvertreter der Kanzlerin
Philipp Rösler wird Guido Westerwelle auch als Stellvertreter von Bundeskanzlerin Angela Merkel ablösen. Formal muss ihn die christdemokratische Regierungschefin dazu ernennen. So ist es in der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz, geregelt. Im Ernstfall, also wenn die Kanzlerin aus welchen Gründen auch immer die Geschäfte nicht führen könnte, wäre Rösler künftig der mächtigste Mann im Kabinett.
Außenminister Westerwelle, so heißt es, hätte den Posten des sogenannten Vize-Kanzlers gerne behalten, konnte sich mit dieser Forderung aber offenbar nicht durchsetzen. Noch im Sommer 2010 hatte er einen schon damals nahe gelegten Verzicht auf den FDP-Vorsitz unter anderem mit dem Hinweis abgelehnt, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei ebenfalls Partei-Vorsitzende. Für die Durchsetzung liberaler Politik sei es "auch bei uns richtig, dass wir so verfahren", hatte Westerwelle damals argumentiert.
Westerwelle soll Außenminister bleiben
Der nun doch scheidende FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle soll nach dem Willen der Partei-Gremien aber auf jeden Fall deutscher Außenminister bleiben. Das machte Generalsekretär Christian Lindner deutlich, der neben Rösler als möglicher neuer Vorsitzender gehandelt worden war. Auch die früheren FDP-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel hätten den Partei-Vorsitz in für die Liberalen schwierigen Phasen abgegeben und beide Male sei die Partei wieder stark geworden. "Und beide Male haben die Außenminister dann auch persönlich an Popularität und Kompetenz gewonnen", betont Lindner.
Der Vergleich mit Westerwelles Vorgänger hinkt allerdings, denn insbesondere der von 1974 bis 1992, also fast 20 Jahre amtierende Genscher war als Außenminister ein international geachtetes politisches Schwergewicht. In seine Amtszeit fiel die deutsche Vereinigung. Westerwelle hingegen, der sich gerne als politischen Enkel Genschers betrachtet, ist erst seit 18 Monaten Außenminister und hat in dieser Zeit weit mehr Kritik als Lob einstecken müssen.
Schonfrist für altes Personal
Unabhängig vom persönlichen Schicksal des schon bald ehemaligen FDP-Vorsitzenden Westerwelle geht es für die Partei nach den Worten ihres designierten neuen Chefs Philipp Rösler um den Gewinn neuer Glaubwürdigkeit. Das bedeute, sich auf den “liberalen Kompass” zu besinnen. Der sei wie immer ausgerichtet auf ökonomische Kompetenz, soziale Marktwirtschaft, Bürgerrechte, Bildung und gesellschaftliche Liberalität. "Auf der Basis dieser Werte gilt es künftig, neue Antworten zu finden auf die Alltagsfragen der Menschen", sagte Rösler.
Inhaltlich will die künftige Nummer eins der FDP also im Kern an der traditionellen liberalen Programmatik festhalten. Personell will der Gesundheitsminister im Kabinett Merkel eine Mischung aus jungen sowie älteren und erfahrenen Männern und Frauen herbeiführen. Der 32-jährige Lindner soll Generalsekretär bleiben. Auch die umstrittene 45-jährige Bundestags-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger steht dem Vernehmen nach vorerst nicht zur Disposition.
Neue Glaubwürdigkeit "nicht von heute auf morgen"
Gleiches gilt für den 65-jährigen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Er gilt als schwer angeschlagen, weil der lange von ihm geführte FDP-Landesverband Rheinland-Pfalz bei der Parlamentswahl Ende März an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist.
Noch heftiger in die Kritik geriet Brüderle, als bekannt wurde, dass er vor hochrangigen Wirtschaftsvertretern die Atom-Wende der Bundesregierung nach der Reaktor-Katastrophe in Japan als "wahltaktisches Manöver" bezeichnet haben soll. In der öffentlichen Wahrnehmung hat die FDP seitdem ein noch größeres Glaubwürdigkeits-Problem. Das zu ändern, sagte der designierte neue Partei-Vorsitzende Philipp Rösler nach seiner Nominierung, werde nicht "von heute auf morgen" gelingen.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Diana Hodali