Mit Beschwichtigung gegen den Terror?
20. Juni 2018Die jüngsten Angriffe waren heftig und unerwartet: Anfang Juni fällt eine Gruppe mitten in der Nacht über mehre Dörfer her und verbreitet Panik in der öl- und gasreichen nordmosambikanischen Provinz Cabo Delgado. Die Angreifer hätten Häuser niedergebrannt und ein regelrechtes Massaker angerichtet, berichten Augenzeugen. "Insgesamt wurden 164 Häuser zerstört. In einem der Dörfer haben die Angreifer sechs Bewohner mit Buschmessern regelrecht abgeschlachtet. 20 sind insgesamt gestorben", sagt Zenaida Machado von Human Rights Watch im DW-Interview. Sie hat die betroffenen Gebiete in der muslimisch geprägten Region vor einigen Tagen besucht.
Angriffe solcher Art haben sich in den letzten Monaten gehäuft. Sie begannen im Oktober 2017. Damals verschanzten sich Bewaffnete drei Tage lang in der Stadt Mocìmboa da Praia in derselben Provinz. Eine humanitäre Katastrophe zeichne sich in der Region ab, sagt die Menschenrechtsaktivistin.
Dahinter scheint immer dieselbe Gruppe zu stecken. Sie nennt sich "Al Shabab", wie eine islamistische Terrororganisation in Somalia. Viele vermuten daher Islamisten aus dem Ausland, vor allem aus dem benachbarten Tansania. Es sei auch davon auszugehen, dass es Verbindungen zu Al Shabab in Somalia gebe, vermuten Analysten. Belege dafür gibt es bislang nicht.
Kaum Erfahrung mit dschihadistischen Gruppen
Mosambik hat die Kontrollen an den Grenzen zu Tansania bereits verstärkt. Die mosambikanische Polizei versprach, noch stärker zu kontrollieren. Doch eine lückenlose Kontrolle des Grenzverkehrs über den Grenzflusses Rovuma ist nur eingeschränkt möglich.
In der Nachbarprovinz wurden nach den letzten Angriffen 40 zumeist junge Männer verhaftet und an einer Reise nach Cabo Delgado gehindert. Nach Polizeiangaben wollten sich die Händler einer dschihadistischen Gruppe anschließen. Dafür gebe es keinerlei Beweise, kritisieren Menschenrechtsgruppen.
Lange Zeit waren islamisch-fundamentalistische Umtriebe in Mosambik unbekannt. Gerade in den Küstengebieten Cabo Delgados, am indischen Ozean, leben afrikanische Völker wie Makonde oder Makuwa seit Jahrhunderten friedlich mit arabischen, indischen und europäischen Einwanderern zusammen. Die Provinz Cabo Delgado galt als Beispiel für ein gelungenes multikulturelles Zusammenleben.
Wie reagieren die Investoren?
Auch die Regierung Mosambiks scheint überrascht von der jüngsten Welle der Gewalt. Im fernen Maputo sorgt man sich vor allem um die vielen Großprojekte, die in den vergangenen Jahren mit Hilfe ausländischer Investoren angeschoben wurden. Die großen Öl- und Gasvorkommen, aber auch der Tourismus sollen dabei helfen, die Staatsfinanzen des hoch verschuldeten Landes wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Große Energiemultis wie die US-amerikanische Anadarko oder die italienische ENI investierten Milliarden. Europäische, brasilianische, indische, japanische, chinesische oder australische Unternehmen zogen nach und kündigten weitere Investitionen an. Vergangene Woche unterschrieb Anadarko mit der mosambikanischen Regierung ein Abkommen über den Export von jährlich 2,6 Millionen Tonnen mosambikanischen Flüssiggases. Bange Frage in Maputo: Was, wenn diese oder andere Investitionen jetzt auf Eis gelegt oder infrage gestellt werden?
"Keine Gotteskrieger, sondern ausländische Unruhestifter"
"Kein ausländischer Investor investiert in einer Region, in der ein Krieg tobt", sagt der mosambikanische Handels- und Industrieminister Ragendra de Sousa im DW-Interview. Allerdings könne in Nordmosambik davon nicht die Rede sein: "Wenn kriminelle Gruppen Dörfer mit Buschmessern überfallen, dann ist das noch lange kein Guerilla-Krieg, sondern es sind Unruhen, die von ausländischen Unruhestiftern nach Mosambik getragen werden", erläutert Minister de Sousa.
"Unsere Sicherheitskräfte tun alles Notwendige, um die Situation unter Kontrolle zu bringen." Das sei aber nicht leicht, denn Cabo Delgado sei aufgrund seiner Größe und der geographischen Lage nicht leicht zu kontrollieren.
Mosambiks Präsident schweigt
Der mosambikanische Präsident Filipe Nyusi, der in der vergangenen Woche Cabo Delgado besuchte, sprach das Thema erst gar nicht an. Selbst als ihn Journalisten damit konfrontierten, bevorzugte er, zu schweigen. Kritiker mahnen allerdings, dass eine Taktik des Stillschweigens das Problem langfristig nicht löse.
Martin Ewi, Analyst beim südafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien, sagt im DW-Interview, vor allem sei wichtig, das Gefühl der Benachteiligung bei der Bevölkerung in Cabo Delgado abzubauen. Er geht nicht davon aus, dass die Bewaffneten aus anderen Ländern kommen: "Die Menschen fühlen sich an den Rand gedrängt. Die Armut ist groß und die Regierenden sind sehr reich. Viele Muslime wollen ihre Region selbst in Besitz nehmen."
Sicherheitswarnungen für Ausländer, Unsicherheit in der Bevölkerung
Mehrere westliche Länder haben inzwischen Sicherheitswarnungen für Touristen und Geschäftsleute im Norden Mosambiks ausgesprochen. Auch das deutsche Auswärtige Amt rät von nicht unbedingt erforderlichen Reisen in der Provinz Cabo Delgado ab, insbesondere die Distrikte Palma, Mocimboa und Macomia, wo in der Vergangenheit die schwersten Angriffe stattfanden.
Die mosambikanische Zivilbevölkerung leidet aber am meisten. Eduardo de Almeida, der in der Provinzhauptstadt Pemba als Händler arbeitet, sagt im DW-Interview: "Händler, die ihre Waren aus benachbarten Provinzen wie Nampula beziehen, haben große Angst vor den Dschihadisten. Sie können nicht mehr frei durchs Land reisen. Ihre Geschäfte gehen deshalb kaputt."
Mitarbeit: João Carlos, Chrispin Mwakideu, Benita van Eyssen