Clinton hat die Nase vorn
27. September 2016Nach einer freundlichen Begrüßung per Handschlag gingen beide Kontrahenten bei der Debatte rasch auf Konfrontationskurs und fielen sich immer wieder ins Wort. Der Moderator musste wiederholt eingreifen. Nach der teils hitzig geführten, mehr als 90 Minuten langen Debatte wirkte Clinton für die meisten Beobachter abgeklärter und inhaltlich besser vorbereitet.
Die Debatte in der Hofstra University in Hempstead auf Long Island im Bundesstaat New York wurde auf mehreren US-Fernsehsendern sowie via Twitter und YouTube weltweit als Livestream im Internet übertragen. Bis zu 100 Millionen Zuschauer waren erwartet worden. Das Fernsehduell gilt als eines der größten politischen TV-Ereignisse der vergangenen Jahre. Umstritten ist, wie groß der Einfluss von TV-Debatten auf den Wahlausgang ist. Gut ein Fünftel der Wähler war Umfragen zufolge zuletzt noch unentschlossen.
Trump kritisiert NAFTA
Inhaltlich gerieten beide unter anderem bei Themen wie dem Kampf gegen den internationalen Terror, beim Handel und bei der Integration der afroamerikanischen Minderheit aneinander. Trump kritisierte unter anderem Handelsabkommen mit Mexiko und asiatischen Staaten sowie die Steuerpolitik der Regierung. Dies habe dazu geführt, dass immer mehr Unternehmen aus den USA abwanderten und immer mehr Arbeitsplätze verloren gingen.
Clinton kritisiert Trumps Bewunderung für Putin
Clinton erklärte, Trumps Steuerpläne würden der US-Wirtschaft schaden und nur den Besserverdienern nutzen. Clinton kritisierte zudem die Bewunderung, die Trump für den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgedrückt hatte. Zudem erklärte sie, dass die US-Luftangriffe auf die Islamisten-Miliz IS verstärkt werden müssten. Vorwürfe von Trump, sie und Präsident Barack Obama hätten wegen des verfrühten Abzugs aus dem Irak eine Mitschuld an dem Erstarken des IS, wies sie zurück.
SPD-Chef Gabriel: Trump hat keinen Plan
Für den deutschen Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel ist Clinton die klare Siegerin. "Clinton überzeugt mit Kompetenz und Klarheit", sagte Gabriel der "Bild"-Zeitung. Keine gute Noten verteilte er an Trump: Dieser habe "keinen Plan - weder für die USA geschweige denn für die großen außenpolitischen Herausforderungen", urteilte Gabriel.
Kritik der Promis
Verschiedene Promis kritisierten Trump, weil er Clinton häufig nicht ausreden ließ - Schauspieler Josh Gad schrieb, Trump sei offenbar buchstäblich unfähig, eine Frau reden zu lassen. Und Seth MacFarlane, der Komiker hinter der Serie “Family Guy”, glaubte, er sei in einem Alptraum: Nie im Leben habe er so zusammenhangloses Plappern auf der Bühne eines Präsidentenduells gesehen wie bei Trump an diesem Abend.
Schlechte Noten bekam auch Moderator Lester Holt, der nach Einschätzung der Clinton-Unterstützer unter den Stars zu wenig eingriff: Jemand sollte mal nach ihm schauen, schrieb Chelsea Handler, selbst prominente Moderatorin im US-Fernsehen.
Und Beau Willimon, Schöpfer der Polit-Serie “House of Cards”, verglich den Moderator gar mit einer Topfpflanze.
Alec Baldwins jüngerer Bruder Stephen ist bekennender Trump-Unterstützer und twitterte ein Foto seines Kandidaten mit den Worten: “Mr. President, Gott ist mit Ihnen!”
Dokumentarfilmer Michael Moore hätte sich eine aggressivere Hillary Clinton gewünscht: Sie solle endlich Vollgas geben, schrieb er, als das Duell zu gut zwei Dritteln um war.
Und fügte kurz darauf hinzu: Sie habe sich wohl zu gut vorbereitet, zeige zu viel Klasse. Höchst ernüchtert klang sein Tweet nach Ende des Duells: “Es ist vorbei, Trump, der Egoist, der Rassist, der Narziss, der Lügner, hat “Gewonnen”” - Das “Gewonnen” setzte Moore in Anführungsstrichen. Und schriebe weiter: “Wir alle haben verloren. Seine Umfragewerte werden steigen. Sie hat die Wahrheit gesagt. Was soll’s.”
Nach der Debatte lieferte Trump vor Journalisten aber auch noch eine Erklärung – für alle, die ihn nicht als Gewinner sahen: "Sie haben mir ein defektes Mikro gegeben", sagte er. "Ich frage mich, ob das Absicht war."
Das TV-Duell war der Höhepunkt des bisherigen Wahlkampfes. In der Vergangenheit haben die seit 1960 ausgetragenen Fernsehduelle mehrfach einen Einfluss auf den Verlauf des Wahlkampfs gehabt. Die beiden Kandidaten sollen noch zwei Mal im Fernsehen aufeinandertreffen. Die Wahl findet am 8. November statt.
uh/as (dpa, rtr)