Nach Bankenstresstests will EU notfalls helfen
13. Juli 2010Erst in zehn Tagen sollen die Ergebnisse der Stresstests für die 91 europäischen Banken veröffentlicht werden. Doch schon jetzt scheinen einige Finanzpolitiker nervös zu werden. Sicherheitshalber vereinbarten die EU-Finanzminister am Dienstag (13.07.2010), dass die Mitgliedsländer nach der Veröffentlichung der Tests am 23. Juli "alle nötigen Maßnahmen zur Kapitaldeckung" ergreifen würden. Das teilte der belgische Finanzminister und EU-Ratsvorsitzende Didier Reynders in Brüssel mit. Er sicherte zugleich "größtmögliche Transparenz" zu.
Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble machte klar, dass es für die Ministerrunde keine Option sei, europäische Banken pleite gehen zu lassen. "Mit einer Schließung der Banken ist es nicht getan", sagte Schäuble in Brüssel. "Meistens haben sie ein paar Gläubiger, an die muss man auch denken."
91 Banken unter der Prüflupe
Den Stresstests sollen sich 91 europäische Geldinstitute unterziehen. Darunter sind auch 14 deutsche. Die Tests werden gerne mit einem Crashtest für Autos verglichen: Sie sollen zeigen, wie stark Kreditinstitute unter Druck geraten, wenn ihre Geldanlagen plötzlich an Wert verlieren - zum Beispiel, wenn ein Euro-Land wie Griechenland pleite gehen oder die EU in eine schwere Rezession rutschen sollte. Untersucht wird vor allem die so genannte Eigenkapital-Ausstattung. Sie zeigt, ob die Banken genügend Vermögenspuffer gegen Schockwellen an den Märkten haben.
Mangelt es den Banken an dem nötigen Eigenkapital, sollen sie sich die Mittel nach dem Willen der Finanzminister zunächst an den Finanzmärkten besorgen. Ist dies nicht möglich, wollen die EU-Staaten mit ihren nationalen Banken-Rettungsfonds einspringen. Ist ein Euro-Land nicht zur Stützung seiner Banken in der Lage, könnte es nach Angaben Schäubles Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm beantragen.
Umdenken beim EU-Rettungschirm
Der Schirm war ursprünglich nicht für Problembanken gedacht, sondern für Euro-Staaten, die in Finanznöte geraten. Er war erst im Mai unter dramatischen Umständen unter Beteiligung des Internationalen Währungsfonds geschaffen und mit 750 Milliarden Euro ausgestattet worden, unter anderem um den angeschlagenen Euro zu stützen.
Anlässlich der Beratungen der Minister bekräftigte der EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn seine Einschätzung, das europäische Bankensystem sei "stark und widerstandsfähig". Der Finne betonte, die EU sei gerüstet und der europäische Notfall-Fonds stehe in letzter Konsequenz bereit.
Lösung für EU-Finanzaufsicht näher gerückt
Wichtige Fortschritte gab es im monatelangen Ringen um die geplante verstärkte Finanzaufsicht auf EU-Ebene. "Wir sind auf der letzten Geraden", sagte der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Großbritannien stimmte einem Durchgriffsrecht der künftigen EU-Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und den Wertpapierhandel gegenüber der nationalen Aufsichtsbehörde zu. Zur Voraussetzung machte Finanzminister George Osborne aber, dass der britische Haushalt davon unbeeinträchtigt bleibt. Dies würde etwa bei Rettungshilfen gelten.
Nun müssen die EU-Staaten sich noch mit dem Europaparlament einigen, das auch nach fast 20 Verhandlungsrunden hart blieb und weiter darauf beharrte, dass die neuen Behörden auch Aufsichtsentscheidungen treffen dürfen. Schäuble zeigte sich zuversichtlich, dass über die Sommerpause eine Einigung erzielt werden könne.
Die europäische Finanzaufsicht soll Anfang 2011 ihre Arbeit aufnehmen. Vorgesehen sind neue Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Börsen. Mit einer stärkeren Zentralisierung der Aufsicht auf EU-Ebene will die europäische Union Konsequenzen aus der Weltfinanzkrise ziehen. In der bisher national zersplitterten Aufsicht sehen Experten neben Regelungslücken und überzogenen Spekulationsgeschäften eine zentrale Ursache der Krise.
Autor: Reinhard Kleber (afp, dpa, rtr)
Redaktion: Martin Schrader