Militärstrategien gegen Assad
26. August 2013Hunderte Tote und über 3000 Verletzte - das ist laut Ärzte ohne Grenzen die Bilanz des Giftgasangriffs vorige Woche unweit der syrischen Hauptstadt Damaskus. Viele westliche Regierungen glauben, dass Präsident Assad für den Giftgasangriff verantwortlich ist. Besonders für die USA gilt es, die Glaubwürdigkeit zu bewahren. Denn schon vor Monaten hatte US-Präsident Obama gesagt, dass beim Einsatz chemischer Waffen eine rote Linie überschritten sei. In diesem Falle müsse das Regime von Assad mit "ernsten Konsequenzen" rechnen. Genau die werden jetzt immer wahrscheinlicher. US-Sicherheitskreisen zufolge diskutiert das Weiße Haus drei Szenarien:
1. Flugverbotszone
Eine Flugverbotszone bedeutet, dass die Amerikaner den Luftverkehr in bestimmten Gebieten verbieten. Hubschrauber und Flugzeuge der syrischen Armee dürften dann nicht mehr starten, und Assad wäre nicht mehr in der Lage, die Rebellen aus der Luft anzugreifen. "Für die Rebellen wäre das eine große Hilfe", sagt Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung.
Allerdings müssten die Amerikaner dazu die syrische Luftabwehr ausschalten, so Paul Rogers, Sicherheitsexperte im britischen Think-Tank Oxford Research Group. Das wäre sehr teuer und vor allem gefährlich, weil Russland die Lieferung von hochmodernen Luftabwehrsystemen an Syrien zugesagt habe. "Wenn Russland die liefert, haben die Amerikaner ein echtes Problem", so Friedensforscher Schmidt. Er hält es für unwahrscheinlich, dass sich die USA für eine Flugverbotszone entscheiden: "Es würde die Amerikaner stärker in den Konflikt hineinziehen und das will die US-Regierung nicht." Für eine Flugverbotszone ist außerdem die Zustimmung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erforderlich. Und dazu werden China und Russland wohl nicht bereit sein.
2. Angriffe mit Marschflugkörpern und Raketen
Auch mit Raketen und Marschflugkörpern könnten die USA militärische Ziele wie Flugplätze zerstören und so die Lufthoheit der syrischen Armee schwächen. "Diese Raketen treffen ein Gebäude auf 20 Meter genau. Zehn von denen auf ein Ziel wäre ein Strafe und eine Abschreckung", so Rogers. Die USA haben mehrere Zerstörer und U-Boote im Mittelmeer stationiert, die dazu in der Lage wären. Kampfflugzeuge könnten dann nicht mehr starten und landen. Allerdings ließen sich die Schäden an den Landebahnen schnell wieder reparieren.
Schmidt von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung hält diesen Militärschlag für die wahrscheinlichste Option. "Die USA wollen sich nicht zu sehr in den Konflikt hinein begeben. Ein Militärschlag wäre ein wirksames, aber begrenztes Zeichen der Abschreckung, nicht noch einmal zu Chemiewaffen zu greifen." Auch für diese Art von Angriff ist allerdings die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates erforderlich - und die ist unwahrscheinlich.
3. Waffenlieferungen an die Rebellen
Offiziell liefern die USA bislang keine Waffen und Kriegsgerät an die Rebellen, sondern nur medizinische Hilfsmittel wie Verbandsmaterial. Allerdings kommen über die Türkei und Jordanien Waffen und Munition zu den Rebellen - finanziert von Saudi-Arabien und verschiedenen kleineren Emiraten, so Rogers. Schmidt hält direkte Waffenlieferungen für wenig wahrscheinlich: "Für moderne amerikanische Waffen müssten die Rebellen erst einmal entsprechend ausgebildet werden." Das koste Zeit.
Ein Problem an dieser Variante ist außerdem, dass die radikalen Islamisten der Nusrah-Front die stärkste und schlagkräftigste Fraktion der Rebellen stellen. So sehr die Amerikaner Assad los werden wollen - niemand möchte moderne Flugabwehrraketen in den Händen radikaler Islamisten wissen: "Es gibt die Befürchtung, dass die Lage noch problematischer wird, wenn statt Assad die Islamisten Syrien regieren", so Rogers.
...und die Diplomatie?
Doch auch eine vorsichtige Intervention bleibt eine Intervention. Entsprechend zögerlich sind die USA. "Es ist schwer zu überblicken, was die Konsequenzen sein könnten", so Sicherheitsexperte Rogers. Der syrische Präsident hat bereits angekündigt, dass sich im Falle eines Angriffs der gesamt Nahe Osten in einen "Feuerball" verwandeln könnte. "Iran könnte die Hisbollah im Libanon zu verstärkten Aktionen gegen Israel bewegen und die Taliban stärker unterstützen, um die Amerikaner zu schädigen", so Schmidt.
Er plädiert deshalb für eine vierte Option, die in den Medien aktuell nicht mehr diskutiert wird: diplomatischer Druck: "Man könnte die Drohungen verschärfen, muss dann aber beim nächsten Chemiewaffeneinsatz reagieren, und zwar mit einem wirklichen Gegenschlag.“ Schmidt sieht allerdings Hinweise darauf, dass die Entscheidung für einen Angriff schon gefallen ist. Wann, wie und wo sei jedoch offen. Wahrscheinlich sei allerdings, dass sich die USA für den Angriff Verbündete suchen.