Myanmars erster Satellit bleibt zunächst in der ISS
19. März 2021Als die japanische Universität Hokkaidō zusammen mit Gaststudenten von der Myanmar Aerospace Engineering University den Satelliten "Lawkanat-1" fertiggebaut hatte, war Myanmar noch eine Demokratie. Ende Oktober 2020 wurde der Mikro-Satellit MMSATS-1, wie er in Japan heißt, feierlich an die Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) übergeben, um in den Weltraum zu starten.
Eigentlich sollte "Lawkanat-1" jetzt im März in die Erdumlaufbahn gebracht werden. Aber bis auf Weiteres bleibt der Mikro-Satellit erst einmal im japanischen Kibō-Modul an Bord der Internationalen Raumsation (ISS). Denn seit diesem Februar ist Myanmar keine Demokratie mehr, da übernahm die Armee die Macht und geht seitdem mit brutaler Härte gegen die Protestierende vor. Hunderte Demonstranten wurden bei ihrem Kampf für die Demokratie schwer verletzt oder getötet.
Unscheinbares Prestigeprojekt
Spektakulär sieht "Lawkanat-1" nicht gerade aus: Der erste Satellit Myanmars ist ein 50 Kilogramm schwerer, etwa 50×50×50 Zentimeter großer Klotz mit einigen Kameras. Aber der Satellit soll einen wichtigen Beitrag zur Beobachtung der Land- und Forstwirtschaft, der Ozeanologie, zur Erkundung von Mineralien sowie für den Katastrophenschutz leisten.
Die Kosten für das gesamte Projekt belaufen sich auf 16 Millionen US-Dollar, die von Myanmar vollständig getragen werden. Das ist viel Geld für ein armes Land. Aber das Paket umfasst auch die Entwicklung, den Bau und die Raketenstarts von zwei Satelliten, zudem die Ausbildung von Raumfahrttechnikern in Japan (wegen der Pandemie allerdings nur per Video) sowie eine kleine Bodenstation und ein Forschungslabor.
Für ärmere Länder oder für Forschungseinrichtungen sind solche Mikro-Satelliten eine sehr gute Möglichkeit, um jenseits der großen Raumfahrtnationen einige Akzente zu setzen. Gemeinsam mit anderen Satelliten und Fracht hat ein Raumschiff des US-Unternehmens Northrop Grumman das kleine Prestigeprojekt aus Myanmar zur ISS transportiert.
Angst vor Missbrauch des Satelliten durch das Militär
Angesichts der aktuellen Menschenrechtsverletzungen in Myanmar hatten Menschenrechtler einen Stopp des Projekts gefordert. Nach Ansicht von Teppei Kasai, dem Programmbeauftragten für Asien bei Human Rights Watch, sei es für die Putschisten ein Leichtes, sich die Technologie für militärische Zwecke anzueignen. Schon 2018 habe die Regierung von Myanmar gesagt, dass "die Nutzung von Satellitenbildern, Fernerkundung und geografischen Informationssystemtechnologien für jedes Ministerium des Landes von großem Nutzen sein wird."
Ob das Militär tatsächlich die vergleichsweise groben Aufnahmen militärisch nutzen könnten, sei dahingestellt, zumal auch die nötige Infrastruktur und Know-how fehlen. Zudem würden laut der Universität ohnehin alle Daten, die von den Satelliten gesammelt werden können, von der japanischen Universität kontrolliert und könnten von den Behörden Myanmars nicht unabhängig eingesehen werden.
Friedliche Nutzung muss sichergestellt werden
Das Projekt wurde jetzt jedenfalls erst einmal ausgesetzt. Unter allen Umständen wollen die Universität Hokkaidō und die JAXA verhindern, dass der Satellit von den Putschisten gegen das eigene Volk eingesetzt wird. Es gehe ums Prinzip, schließlich sehe auch der gemeinsame Vertrag ausschließlich eine friedliche Nutzung vor.
Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sagte der für das Projekt verantwortliche Yukihiro Takahashi von der Universität Hokkaidō: Selbst wenn der Satellit doch irgendwann ausgesetzt werden sollte, werde man ihn nicht den Machthabern im Land übergeben. Man werde diesen auch keine Daten zur Verfügung stellen, "wenn die internationale Gemeinschaft nicht davon überzeugt ist, dass die friedliche Nutzung vollständig gewährleistet ist." Wenn nötig, werde das japanische Team den Satelliten im Weltraum allein betreiben, bis sich die Situation in Myanmar "komplett geändert" habe.
"Das Projekt sollte erst dann wieder aufgenommen werden, wenn die japanischen Universitäten das Risiko einer negativen Auswirkung auf die Menschenrechte so weit wie möglich reduziert haben", fordert Menschenrechtsaktivist Kasai.
Myanmar brauche wieder eine demokratische Regierung. Anschließend müsse der Kooperationsvertrag für das Satellitenprojekt noch einmal unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden. Dazu gehöre auch ein eindeutiges Verbot, zivile Technik und im Projekt erworbene Kenntnisse militärisch zu nutzen, so der Asien-Programmleiter von Human Rights Watch.
Japans problematische Rolle in Myanmar
Vor dem Putsch war Japan einer der grössten Geber von Hilfsgütern für Myanmar. Während die USA und westliche Länder Myanmar seit dem Militärputsch mit Sanktionen belegt haben, hält sich Japan auffallend zurück.
Dies schade dem Image Japans, schreibt das Asia-Pacific-Fachmagazin "The Diplomat". Die Menschen in Myanmar hätten große Hoffnungen in die Reaktion der japanischen Regierung auf den Putsch gehabt und Japan in einer Vermittlerrolle gesehen. Jetzt aber verlören sie schnell den Glauben an Japan.
Schon in der Vergangenheit hatte die japanische Regierung eine für viele Beobachter verstörend unkritische Haltung gegenüber dem Militär Myanmars eingenommen und sich nicht an Wirtschaftssanktionen gegen Myanmar beteiligt.
Auch Japans Unterstützung für Myanmar bei der Entwicklung eigener Raumfahrttechnik hatte viel Kritik von Menschenrechtsorganisationen nach sich gezogen. Japan hatte dem entgegengehalten, dass Myanmar sich sonst die Technologie von anderen Ländern wie China besorgen würde.