Musterschüler Slowenien wird zum Sorgenkind
9. Juli 2012"Der Klassenprimus" oder "Das Musterländle": So bezeichnete die deutschsprachige Presse das kleine Land an der Südseite der Alpen, als es 2004 der Europäischen Union beitrat. Experten meinten damals, dass keines der anderen neun Beitrittsländer der EU-Erweiterung von 2004 (Polen, Ungarn, Malta, Zypern, Tschechien, Slowakei, Estland, Lettland, Litauen) so gut auf die Mitgliedschaft in der EU vorbereitet sei wie Slowenien. Heute blickt die Presse aus einer ganz anderen Perspektive auf die ehemalige jugoslawische Teilrepublik: Besonders häufig sind Schlagzeilen wie "Euro-Krise erreicht Slowenien" und "Braucht auch Slowenien den Rettungsschirm?".
Von offizieller Seite wird das zurzeit verneint. Allerdings warnte der slowenische Regierungschef Janez Jansa neulich im Parlament, man müsse sich beim Sparen anstrengen, da es Slowenien ansonsten wie Griechenland ergehen könne. Sein Finanzminister versuchte, die Gemüter mit der Aussage zu beruhigen, man tue alles, um keine Finanzhilfe beantragen zu müssen. Der Gouverneur der Nationalbank erklärte: "Wir brauchen jetzt keine Hilfe", wobei die Betonung auf "jetzt" lag.
"Man kann die Krise auch herbeireden", warnt Hermine Vidovic vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche. "Schon ein falsches Statement der Politiker reichte aus, da ist man in der EU sehr hellhörig geworden." Ähnliche Erklärungen hatten auch Spanien und Portugal gemacht, nur um wenig später offizielle Anträge auf Finanzhilfen bei der EU-Kommission zu stellen.
Große Hoffnungen vor dem EU-Beitritt
Tatsächlich haben internationale Ratingagenturen in den letzten Tagen die Bonität für Slowenien und seine Banken gesenkt, was schlechtere Konditionen für das Land auf den Finanzmärkten zur Folge hat. Um sich Geld zu leihen, muss Slowenien zurzeit etwa sieben Prozent Zinsen bezahlen. Zum Vergleich: Deutschland hat sehr gute Bonitätsnoten bei Ratingagenturen und muss in der Regel weniger als zwei Prozent Zinsen zahlen, oder kann sich gelegentlich sogar Geld leihen, ohne Zinsen zahlen zu müssen.
Ein Musterschüler der Euro-Zone war auch Slowenien - bis zum Ausbruch der Finanzkrise. Das Alpenland zwischen Italien, Österreich und Kroatien, mit etwa zwei Millionen Einwohnern, galt schon im früheren Jugoslawien als wirtschaftlich am besten entwickelte Republik der Föderation. Schon damals suchten dort Menschen aus den südlichen Teilen Jugoslawiens nach Arbeit.
Im April 2004, kurz vor dem EU-Beitritt des Landes, schrieb das deutsche Nachrichtenmagazin "Stern", Slowenien werde "wohl das erste Land unter den neuen EU-Mitgliedern sein, das mehr in die gemeinsame Kasse einzahlt, als es bekommt." In der Zeit unmittelbar nach dem EU-Beitritt erlebte die slowenische Wirtschaft einen Aufschwung, die Bauindustrie boomte, Banken konnten sich auf den internationalen Finanzmärkten zu guten Konditionen Geld leihen, das sie dann großzügig in der Form von günstigen Krediten weitergaben. Doch die Schulden wuchsen immer mehr, sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor. Man lebte immer mehr auf Pump. Als dann mit der Krise die Quellen des billigen Geldes versiegten, zeigten sich die strukturellen Schwächen der slowenischen Wirtschaft.
Strukturelle Schwächen der Wirtschaft
Eines der Probleme ist die schwache Ausstattung mit Eigenkapital der slowenischen Banken, allen voran der wichtigsten Bank des Landes, der "Nova ljubljanska banka", kurz NLB. Sie ist mehrheitlich in staatlichem Besitz, denn die führenden Politiker waren nicht bereit, ausländische Investitionen in größerem Maße zuzulassen, weder im Bankensektor, noch in der Wirtschaft. Die slowenische Regierung argumentierte, man wolle "Herr im eigenen Haus" bleiben.
"Das hat natürlich sehr dazu verleitet, diese Bank als politisches Instrument zu verwenden", sagt Hermine Vidovic. Es sei zu einer unheilvollen Allianz zwischen der größten Bank des Landes und den politischen Strukturen gekommen: "Wer gerade an der Macht ist, kann sich bei einer solchen Bank bedienen", kritisiert Vidovic.
Nun aber hat die Bank auch ein gravierendes finanzielles Problem: Um die Auflagen der europäischen Bankenaufsicht EBA zu erfüllen, die eine Eigenkapitalquote von neun Prozent festgelegt hat, brauchte die NLB vor kurzem mehr als 380 Millionen Euro. Jelko Kacin, slowenischer Abgeordneter im Europaparlament, erklärt, dass der Staat es noch einmal geschafft habe, der Bank unter die Arme zu greifen, warnt aber: "Jetzt hat man kurzfristig eine Lösung gefunden, aber bis zum Jahresende wird es eine neue Rekapitalisierung geben müssen. Wenn das nicht gelingt, ist eine mögliche Lösung, Hilfe bei der EU zu beantragen." Und das heißt: Slowenien müsste unter den Euro-Rettungsschirm. Zurzeit ist von etwa 200 bis 300 Millionen Euro die Rede - nur für die NLB-Bank. Und sie ist nicht die einzige in Slowenien, die Probleme hat.
Regierung beschließt Sparprogramm
Ein weiteres Problem des Landes ist der schwächelnde Export. Auch hier zeigen sich die negativen Auswirkungen einer zu geringen Öffnung des slowenischen Marktes für ausländische Investoren, kritisiert Hermine Vidovic. "Die Exportstruktur Sloweniens ist nicht gut – es gibt zu wenig High-Tech-Produkte", sagt die Wirtschaftsexpertin aus Wien. Wenn man heute Slowenien mit einigen anderen neuen EU-Mitgliedsländern vergleicht, "zeigt sich, dass einige von diesen mehr ausländische Direktinvestitionen und eine andere Exportstruktur haben. Sie können Produkte herstellen, die technologisch hochwertig sind", erklärt Vidovic.
Der Exportrückgang spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider: Zurzeit beträgt die Arbeitslosenquote in Slowenien etwa acht Prozent. Das ist zwar immer noch weniger als die durchschnittlichen elf Prozent der Euro-Zone, aber das Doppelte im Vergleich zu der Quote vor der Krise.
Nun versucht die Regierung, diesen Entwicklungen entgegenzusteuern. Sie hat ein Sparprogramm beschlossen, das hauptsächlich eine Senkung der Einkommen im öffentlichen Sektor vorsieht. 500 Millionen Euro in diesem Jahr und 750 Millionen im nächsten sollen dadurch eingespart werden. Damit kann das Budgetdefizit von mehr als sechs Prozent in diesem auf unter drei im nächsten Jahr gesenkt werden. Mit dem Spargesetz hofft Slowenien, einen Hilferuf in Richtung Rettungsschirm vermeiden zu können.