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Klingende Flatrate

Oliver Samson15. Januar 2008

Die Haupteinnahmequelle der Musikindustrie schwindet schneller als gedacht. Es drohen Massenentlassungen, ein Superstar streikt schon. Neue Konzepte müssen her - wie zum Beispiel eine Flatrate.

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Junge Frau hört Musik über ihr Handy
Glücklich mit Flatrate?Bild: AP

Eine Frage des Bedarfs ist es nun wirklich nicht: Musik wird immer öfter und intensiver gehört. Die tägliche Musiknutzung ist im letzten Jahrzehnt um mehr als 200 Prozent gewachsen, wie der deutsche Bundesverband Musikindustrie ausgerechnet hat. Musik sei so elementar wie Wasser, sagt Dieter Gorny, der Chef des Phonoverbandes. Das Problem mit der Musik: Sie ist so selbstverständlich da, dass sie immer weniger wert scheint. Millionen User laden sie illegal aus dem Internet. Der Phonoverband spricht von einem Schaden von sieben Milliarden Euro - jährlich.

BdT: Robby Williams, einziges Konzert heute, 09.10 in Berlin
So nicht: Robbie streiktBild: dpa

Auch wenn diese Zahl weit überzogen sein mag, fest steht: Die CD-Umsätze sind in der letzten Dekade um rund 40 Prozent eingebrochen. Das Hauptprodukt der vier verbliebenen großen Labels EMI, Warner`s Music, Universal und SonyBMG verschwindet sogar noch schneller als erwartet. 2007 wurde im größten Musikmarkt USA 19 Prozent weniger CDs abgesetzt. Laut Marktforschungsinstitut Nielsen SoundScan fielen die Verkäufe in der ersten Hälfte 2007 in Großbritannien um sechs, in Japan um neun sowie in Kanada und Australien um 21 Prozent. In Deutschland erwartet man einen Rückgang im einstelligen Prozentbereich.

Das alte Musikgeschäft scheint zu enden, bevor das neue richtig begonnen hat. Der Anteil heruntergeladener Musik am Umsatz liegt trotz hohem Wachstum bei fünf Prozent – die enormen Verluste durch Kopieren und illegalen Download sind so nicht auszugleichen.

Heuschrecke und Plantagenbesitzer

Höchste Zeit für Strategien, um auch im Internetzeitalter zu überleben. Das angeschlagene Label EMI soll zunächst weiter schrumpfen, nachdem es 2007 von der Beteiligungsgesellschaft Terra Firma, einer "Heuschrecke", übernommen wurde. Dem Sanierungsplan des neue Eigentümers, Finanzinvestor Guy Hands, sollen 1500 bis 2000 der verbliebenen 5500 Stellen zum Opfer fallen, teilte das Unternehmen am Dienstag (15.1.2008) mit. EMI-Star Robbie Williams kündigte schon an, von nun an zu streiken. Williams werde sein nächstes Album zurückhalten, erklärte Manager Tim Clark – aus Protest gegen Entlassungen und die Kürzung des Marketingbudgets. Hands benehme sich wie ein "Plantagenbesitzer" und verstehe nichts vom Musikgeschäft, polterte Clark.

Led Zeppelin 2
360 Grad vermarktet: Led Zeppelins Robert PlantBild: AP

Williams entzieht sich somit auch dem "360-Grad-Modell", der neuen Zauberformel der Branche. Verdienen werden soll an der kompletten Wertschöpfungskette: Platten, Konzerte, Fanartikel, Vermarktung und Rechte-Verwertung. Ein Beispiel hierfür war das Comeback-Konzert von Led Zeppelin in London im November 2007. Die Wiedervereinigung lockte Millionen Fans als Werbekundschaft auf die Internet-Seite des Veranstalters, die 20.000 Tickets wurden mit Preisen ab 175 Euro versteigert. Die neue Best-Of-CD stand zeitnah zum Konzert in den Läden, das Merchandising lief bei Online-Läden wie Bravado auf Hoch-Touren und selbstverständlich gibt es Hits wie "Whole Lotta Love" auch als Klingelton. Die Marke Led Zeppelin dürfte so nach Branchenschätzungen binnen eines Jahres bis zu 50 Millionen Euro einspielen – ohne dass es dazu ein neues Album gebraucht hätte.

Klingelnde Konzertkassen

Konzerte haben sich ohnehin als höchst profitträchtig erwiesen. Die Wiedervereinigung von The Police spielte 212 Millionen, und Madonnas Tournee 200 Millionen Dollar ein. Die 49-Jährige wechselte im Oktober 2007 daher gleich ganz von ihrer Plattenfirma Warner zum weltgrößten Konzertvermarkter Live Nation. "Es hat im Musikgeschäft einen Paradigmenwechsel gegeben", sagte Madonna. "Als Künstlerin und Geschäftsfrau muss ich diesen Wechsel mitmachen." Diese Notwendigkeiten sahen auch die Plattenfirmen: SonyBMG kaufte Beteiligungen an den Konzertveranstaltern Bucardo und MTS, Universal übernahm die Firma Sanctuary, die sich auf Merchandising, Konzerte und Bandmanagement spezialisiert hat.

"Paradigmernwechsel": Madonna
"Paradigmenwechsel": MadonnaBild: AP

Zudem will die Branche das Download-Geschäft ankurbeln - unter anderem mit weniger Restriktion. Der Widerstand der Konzerne gegen den Verkauf von Musik ohne Kopierschutz bröckelte und brach schließlich ganz. Mitte Dezember 2007 knickte SonyBMG als letzte der Majors ein. Die Konkurrenten hatten schon früher begonnen, Musik ohne Kopierschutz zu verkaufen. Zuvor hatten die Unternehmen die Spezialsoftware stets als elementar für den Onlinevertrieb bezeichnet.

Telefon bringt Flatrate

Universal scheint sich ohnehin vom Geschäft mit dem Download einzelner Stücke lösen zu wollen. Der langfristige Vertrag mit iTunes wurde gekündigt. Im Dezember 2007 schloss Universal dafür einen Deal mit dem weltgrößten Handy-Hersteller Nokia ab. Beim Kauf eines Telefons mit dem Slogan "Comes with Music" soll man ein Jahr lang unbegrenzten Zugriff auf Millionen von Universal-Songs bekommen - die Flatrate für Musik wäre da.