Musikalische Verständigung in der mongolischen Wüste
29. August 2005Mehr als 20 Konzerte in zwei Wochen, auf staubigen Dorfplätzen und heißen Sanddünen, im Opernhaus der Hauptstadt und in kleinen Provinztheatern. Rund 3000 Reise-Kilometer in unterschiedlichen Klimazonen, teils mit dem Flugzeug, teils in Kleinbussen über holprige Pisten. Doch wem das zu unbequem ist, für den ist das Roaring-Hooves-Festival - der Dialog zwischen zeitgenössischer westlicher und traditioneller mongolischer Musik - die falsche Adresse.
Neugier genügt
Die Grundidee für das Festival ging von mongolischer Seite aus. Das Kulturministerium erhoffte sich einen besseren Kontakt zur westlichen Musikszene und neue musikalische Impulse. Bernhard Wulff, Professor an der Hochschule für Musik in Freiburg, erhielt die Anfrage, ob er ein Konzept erarbeiten wolle. Das war 1998. Ein Jahr später fand das erste Roaring-Hooves-Festival statt.
Der einzige Zugang, den die mongolischen Zuhörer für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts mitbringen, ist ihre Neugierde. Allerdings sei die zeitgenössische Musik der mongolischen Volksmusik - vor allem dem traditionellen Oberton-Gesang - stärker verbunden, als es auf den ersten Blick scheint, sagt Bernhard Wulff: "Oberton-Gesang lässt sich sehr einfach verbinden mit elektronischen Klängen." So seien neue und traditionelle Musiker "Brüder und Schwestern in Tat und Geiste, viele tausend Jahre auseinander, aber doch irgendwie sehr nahe".
Harte Arbeit für westliche Stimmen
Der Musiker-Dialog bedeutet nicht nur, gemeinsam auf der Bühne zu stehen, sondern sich auch abseits der Konzerte für die Musik des anderen zu interessieren. Gerade die Oberton-Musik fasziniert die westlichen Musiker, verlangt ihrer Kehle aber auch einiges ab. "Was für mich neu ist, ist dieses tiefe Geknarze und Geknarre", sagt Schweizer Sängerin Cornelia Bruggmann. "Es hat mich schon ordentlich geschmerzt." Ihre Sängerkollegin Angela Spross aus Freiburg will bei solchen Experimenten deshalb auch lieber Zaungast bleiben.
Heimliche Sessions
Das Roaring-Hooves-Festival führt Musiker über Grenzen hinweg zusammen. So wie den 19-jährigen Asamad aus Kirgistan und den indischen Percussionisten Ganesh Andaman. Asamad ist Manastschi, ein kirgisischer Sänger und Geschichtenerzähler, der die Mythologie seines Volkes weiterträgt. Andaman hat den schüchternen Kirgisen zum gemeinsamen Musizieren überredet - heimlich in der Jurte, geschützt vor fremden Blicken und Ohren. Und er freut sich: "Es klappt immer besser."
Sass und Saxofon
Bei Ganesh Andaman laufen die musikalischen Fäden des Festivals zusammen. Er schafft es innerhalb der zwei Wochen, mit fast allen Musikern einmal zusammenzuspielen: "Ich improvisiere sehr gerne, und das ist der Schlüssel, um eine Beziehung zu Instrumenten aus einer anderen Kultur aufzubauen", erklärt Andaman. So finden beim Festival die gitarrenähnliche Sass, Trommeln und Saxofon zusammen - dann wird aus einer aserbaidschanischen Volksweise ganz schnell ein kleines Fusion-Projekt.
Geister in der Dose
Die lokale Bevölkerung profitiert auch finanziell von dem ausländischen Besuch, erklärt die Vorsitzende der mongolischen Vereinigung für neue Musik, Badma, die für die Logistik des Festivals verantwortlich ist: "Die Festival-Teilnehmer benutzen mongolische Fluglinien, mongolische Hotels, mongolische Touristen-Camps, sie kaufen mongolische Souvenirs und bringen dem Land einen wirtschaftlichen Impuls. Das Festival ist daher ein sehr exotisches Beispiel für Kultur-Tourismus."
Für Bernhard Wulff springt bei dem Festival finanziell nichts heraus. Doch viel spannender und exotischer als Geld sind die Geschenke, die er bekommt: ein Pferd, ein Kamel - und diesmal eine Dose mit 107 lebendigen Geistern.