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Mursi, die Macht und das Militär

Kersten Knipp13. August 2012

In einem Überraschungscoup hat Staatspräsident Mohammed Mursi zwei der ranghöchsten ägyptischen Militärs abgesetzt. Die Entscheidung muss nicht unbedingt auf eine Machtprobe mit der Armee hinauslaufen.

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Der ägyptische Staatspräsident Mohammed Mursi
mursi portraitBild: ap

Das hätten ihm die wenigsten zugetraut: Überraschend hat der neue ägyptische Staatspräsident Mohammed Mursi mit Verteidigungsminister Hussein Tantawi sowie Generalstabschef Sami Annan die beiden ranghöchsten ägyptischen Militärs abgesetzt. Anlass für den Schritt war offenbar der Terroranschlag mutmaßlicher Islamisten auf Grenzpolizisten auf dem nördlichen Sinai. An der ägyptisch-israelischen Grenze waren dabei 16 Sicherheitskräfte ums Leben gekommen. Der Anschlag hatte in Ägypten für großes Entsetzen gesorgt. In einer ersten Reaktion auf den Angriff hatte Mursi bereits den Chef des Nachrichtendienstes und den Gouverneur des Nord-Sinai abgesetzt. Nun wagte er es, auch die obersten Militärs abzusetzen.

Konkurrenzkampf zwischen Militärs und Muslimbrüdern

Diesen Schritt könnte Mursi durchaus mit anderen Militärkreisen abgestimmt haben, vermutet der Mainzer Geograph Günter Meyer, Leiter des "Zentrums zur Erforschung der arabischen Welt". "Das Militär, allen voran der Verteidigungsminister und Oberkommandierende des ägyptischen Militärs, Mohammed Hussein Tantawi, gilt als israel- und USA-freundlich. Und das ist gegenwärtig in Ägypten absolut unpopulär." Insofern könne Mursi sicher sein, dass die Absetzung der beiden auch in Militärkreisen Unterstützung finde. "In Ägypten hieß es überraschenderweise sogar, der oberste Militärrat habe dem Schritt zugestimmt."

Der an der Universität Kairo lehrende Politologe Hassan Nafaa deutet die Absetzung der beiden Militärs nicht als Konkurrenz zwischen verschiedenen Institutionen des Staates. Vielmehr sieht er es als Machtkampf zwischen Militärrat und den Muslimbrüdern als politischer Partei. Nach wie vor stünden beide Kräfte in politischer Konkurrenz zueinander. Ägypten befinde sich nach wie vor in einer Umbruchphase, und viele Ägypter hätten Angst davor, dass die Muslimbrüder die Kontrolle über die Macht erlangen könnten. "Die Frage ist jetzt, ob Mohammed Mursi seine Macht und Befugnisse zum Nutzen Ägyptens oder der Muslimbrüder nutzen wird."

Präsident Mursi, der abgesetzte Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi und Generalstabschef Kamal Anan während einer militärischen Zeremonie, 10. 7. 2012. (Foto: EPA)
Der Präsident und die Generäle: Mursi, Mohammed und Anan.Bild: picture-alliance/dpa

Machtverlust der Armee

Auf jeden Fall, erklärt Günter Meyer, scheint die Entwicklung der jüngsten Tage nicht zugunsten des Militärs gelaufen zu sein. Denn Mursi habe auch jene Machtbefugnisse zurückgenommen, die sich der Oberste Militärrat Ende Juni als Ergänzung zur Verfassung noch gesichert habe. Auch sei der ranghöchste Militär nun nicht mehr der Oberkommandierende der ägyptischen Streitkräfte. "Die jüngsten Ereignisse bedeuten also nicht nur eine Entmachtung des Militärs, indem die einflussreichsten Gegenspieler des Präsidenten abgesetzt worden sind, sondern auch die Stärkung der Position Mursis, der sich per Dekret die früheren Befugnisse des Staatspräsidenten zurückgeholt hat. Ob dies von den Obersten Verfassungsrichtern akzeptiert wird, bleibt abzuwarten."

Das sieht auch Nafaa so. Die politische Herrschaft des Militärs sei an ihr Ende gekommen. Zum ersten Mal liege die Macht nun in den Händen eines demokratisch gewählten Präsidenten. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass Mursis Gegner versucht sein könnten, an das Verfassungsgericht zu appellieren in der Hoffnung, dieses werde die Entscheidungen des Präsidenten für nicht verfassungsgemäß erklären. Dies liege insofern nahe, als der oberste Militärrat wiederholt versucht habe, sich über das Verfassungsgericht seine politische Macht zu sichern. Dass es aber wirklich dazu kommt, bezweifelt er. "Denn mittlerweile haben die Militärs begriffen, dass die Macht beim gewählten Präsidenten liegt. Und ich nehme nicht an, dass sie dieses Thema noch einmal aufgreifen werden."

Die Beerdigung der ermordeten ägyptischen Grenzbeamten in Kairo, 7.8. 2012. (Foto: AP/dapd)
Letztes Geleit: Die Beerdigung der 16 ermordeten ägyptischen Grenzbeamten.Bild: AP

Warnung vor neuer Diktatur

Das dürfte auch daran liegen, dass das Militär durch ungeschicktes Agieren seine Sympathien in großen Teilen der Bevölkerung verloren habe, erklärt Günter Meyer. Das habe Mursi erkannt, und damit auch die Chance, die sich ihm biete. Nun versuche er sich selbst als starken Mann zu präsentieren, eine Rolle, die man ihm zunächst nicht zugetraut hatte. "Mursi galt als steif und wenig durchsetzungsfähig. Das hat er durch seine letzten Aktionen nachdrücklich widerlegt und seine Position nachdrücklich gefestigt."

Umso mehr kommt es nun darauf an, dass Mursi seine Machtfülle angemessen nutzt. Das Problem sei, dass er sowohl die Legislative wie die Exekutive in sich vereine, erklärt Nafaa. "Nun muss man darauf achten, dass sich die politische Macht nicht in eine Diktatur verwandelt."

Israelische Sorgen

Unruhe lösen die Entwicklungen der letzten Tage auch in Israel aus. Dort schätzte man Verteidigungsminister Tantawi und Generalstabschef Annan als Militärs, die Israel nicht feindlich gesonnen seien. Insofern sei man über den Wechsel an der Spitze durchaus besorgt, erklärt Günter Meyer. Umso erleichterter sei man darüber, dass auch ihre Nachfolger aus den Reihen des Militärrats stammten. Zudem setzte man in Israel auf den Pragmatismus der Generäle. Zwar wüssten die, wie unbeliebt Israel bei der ägyptischen Bevölkerung sei. "Aber sie wissen auch, dass sie die 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe aus den USA nicht durch Aufhebung des Friedensvertrages mit Israel gefährden können."

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak im Gespräch Ministerpräsident B. Netanjahu, Verteidigungsminister E. Barak und General T. Russo an der israelisch-ägyptischen Grenze, 6.8. 2012. (Foto: Reuters)
Ministerpräsident Netanjahu, Verteidigungsminister Barak und General Russo an der israelisch-ägyptischen Grenze.Bild: Reuters