Murdoch entschuldigt sich für Abhörskandal
20. Juli 2011Öffentlich und live im Fernsehen übertragen war es eine der außergewöhnlichsten Befragungen, die je von einem britischen Parlamentsausschuss vorgenommen wurde. Viele sprachen von einer Sensation, dass sich der britisch-australische Medienunternehmer Rupert Murdoch vor aller Welt zu seinen Geschäften äußern musste.
Im Abhörskandal um die inzwischen eingestellte britische Boulevardzeitung "News of the World" standen der 80-Jährige und sein Sohn James am Dienstag (19.07.2011) einem Ausschuss des britischen Parlaments Rede und Antwort.
Der Großverleger gibt sich reumütig
"Das ist der Tag der größten Demut in meinem Leben", gab sich Murdoch zu Beginn der Befragung beschämt. Bei den bis zu 4000 Opfern der Abhöraffäre entschuldigte er sich. Er sei hinters Licht geführt worden, so der Chef des Medienkonzerns News Corp vor dem Medienausschuss des Unterhauses. Auch sein Sohn entschuldigte sich für das Abhören von Telefonen sowie Schmiergeldzahlungen an die Polizei.
Jegliche Verantwortung für die Affäre wies der Patriarch aber von sich. Er sei "schockiert, entsetzt und beschämt" gewesen, als er von den Praktiken von Journalisten der "News of the World" erfahren habe. Deshalb habe er die 168 Jahre alte Zeitung auch vor zehn Tagen eingestellt.
Mailboxen angezapft
Zuvor war herausgekommen, dass die Boulevard-Journalisten nicht nur Prominente abgehört und Polizisten bestochen, sondern auch Handy-Mailboxen der Angehörigen von getöteten Soldaten sowie eines entführten Mädchens angezapft hatten.
Auf die Frage, ob er sich persönlich "für dieses Fiasko" verantwortlich fühle, antwortete Konzernchef Murdoch schlicht mit "Nein". Der Australier mit US-Pass droht, wegen der Affäre die Kontrolle über News Corp zu verlieren. Der Stuhl des Medienmoguls wackele bereits, als Nachfolger sei seine rechte Hand, News-Corp-Vize Chase Carey, im Gespräch, berichteten Medien. Noch sei aber keine Entscheidung gefallen.
Börsenwert gesunken
Seit der Skandal Anfang Juli ins Rollen kam, sank der Börsenwert des an der Wall Street notierten Unternehmens um gut sechs Milliarden Dollar. Zudem musste Murdoch wegen des enormen politischen Drucks seine geplante zwölf Milliarden Dollar schwere Komplettübernahme des britischen PayTV-Senders BSkyB aufgeben.
Es wäre die größte Übernahme in der Geschichte seines Imperiums gewesen, zu dem 200 Zeitungen, Filmstudios und Fernsehstationen in aller Welt gehören.
Attacke mit Schaumtorte
Während Murdochs Befragung kam es zu einem Eklat und die Sitzung wurde unterbrochen. Ein Demonstrant bespritzte den 80-Jährigen mit weißem Schaum. Murdoch wurde an der Schulter getroffen, der Mann wurde abgeführt, die Anhörung Murdochs nach kurzer Unterbrechung fortgesetzt. Nach Medienberichten handelte es sich bei dem Angreifer um einen britischen Comedian namens Jonnie Marbles.
Bereits zu Beginn der Sitzung waren mehrere Demonstranten des Saales verwiesen worden. Sie hatten Plakate mit der Aufschrift "Murdoch wegen Nachrichtenverbrechens gesucht" präsentiert.
Auch Rebekah Brooks will nichts gewusst haben
Nach Rupert und James Murdoch musste auch deren langjährige Vertraute Rebekah Brooks vor dem Ausschuss Rede und Antwort stehen. Sie war am vergangenen Freitag als Vorstandschefin von Murdochs britischer Zeitungsgruppe News International zurückgetreten und zwei Tage später vorübergehend festgenommen worden.
Vor den Abgeordneten betonte sie, nichts von den illegalen Praktiken bei "News of the World" gewusst zu haben. Sie gab allerdings zu, dass die Vorfälle, die teilweise schon vor mehreren Jahren bekanntgeworden waren, schneller hätten aufgearbeitet werden müssen. Bevor sie Top-Managerin von News International wurde, war Brooks von 2000 bis 2003 Chefredakteurin bei dem Skandalblatt gewesen.
Premier Cameron von Affäre bedroht
Die Affäre zieht auch weite Kreise in die Politik. Premierminister David Cameron beschäftigte bis Januar den früheren Chefredakteur der "News of the World", Andy Coulson, als Mediendirektor. Außerdem traf er sich häufig mit Murdoch.
Er sei nach der Parlamentswahl im vorigen Jahr über den Hintereingang zu Cameron vorgelassen worden, sagte dieser. "Nach der Wahl war ich auf eine Tasse Tee eingeladen. Herr Cameron wollte sich für unsere Unterstützung bedanken."
Der Premier sieht sich derweil mit offenen Rücktrittsforderungen konfrontiert. Sein Parteifreund Gerald Kaufman fragte jüngst: "Sollte der Premierminister nicht seine Position überdenken?" Und Oppositionsführer Ed Miliband attestierte Cameron einen "katastrophalen Einschätzungsfehler", als dieser Coulson zu seinem Regierungssprecher ernannte.
Weil Cameron trotz der Affäre eine Reise nach Südafrika antrat, hagelte es wieder Kritik aus den eigenen Reihen. Der Regierungschef musste den Besuch deshalb verkürzen. An diesem Mittwoch will er bei einer Sondersitzung im Parlament sprechen.
Autorin: Eleonore Uhlich (dpa, rtr, afp)
Redaktion: Reinhard Kleber/Ursula Kissel