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Flüchtlinge als Museumsführer

Stefan Dege23. Januar 2016

"Multaka" heißt ein außergewöhnliches Projekt in Berlin: Geflüchtete aus dem Irak und Syrien werden zu Museumsführern ausgebildet, um andere Flüchtlinge in ihrer Muttersprache durch die Ausstellungen zu führen.

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Zoya Masud bei einer Führung durch das Berliner Museum für Islamische Kunst im Rahmen des Projekts "Multaka" (Foto: Stefan Dege)
Bild: DW/S. Dege

Zoya Masud gestikuliert, bückt sich, schießt raketengleich hoch, wiegt bedächtig den Kopf – und strahlt. Ihren ganzen Körper setzt die junge Frau ein, wenn sie erklärt, warum sie das Aleppo-Zimmer so phantastisch findet. Die Holztäfelung stammt aus einem Bürgerhaus im syrischen Aleppo. Ein reicher, christlicher Kaufmann hat sie mit Mustern und Figuren bemalen lassen, strotzend vor christlicher und islamischer Symbolik. Heute ist sie das Schmuckstück im Museum für Islamische Kunst in Berlin. "Ein Beispiel für ein friedliches Nebeneinander der Religionen", wie Masud sagt, "und das schon vor 400 Jahren!"

Masud ist eine von 19 Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak, die in Berlin zum Museums-Guide ausgebildet wurden. "Multaka" nennt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihr aufsehenerregendes Pilotprojekt, bei dem Geflüchtete durch die eigene und fremde Geschichte führen. "Wir sagen nicht, dass wir damit das ultimative Rezept für Integration gefunden haben", erklärt Stiftungspräsident Hermann Parzinger, "aber Geflüchtete erfahren Stärke durch Bildung und durch Anerkennung ihrer kulturellen Identität". Man möchte Toleranz und Mut zur Verständigung fördern. Geld dafür kommt auch vom Bundesfamilienministerium.

Flüchtlinge bei einer Führung durch das Berliner Museum für Islamische Kunst im Rahmen des Projekts "Multaka" (Foto: Stefan Dege)
Bild: DW/S. Dege

"Werke sind sicher vor Bomben"

Um Zoya Masud scharen sich an diesem Nachmittag überwiegend Männer, aber auch ein paar Frauen sind dabei. Sie hängen an Zoya Masuds Lippen, die arabisch zu ihren Zuhörern spricht. Eyad Muhammadali zum Beispiel, der gerade acht Monate in Deutschland ist und "froh, auf die eigene Kultur zu treffen". Wie er stammt auch Exad Dumereh aus dem syrischen Damaskus. Der 33-Jährige ist gekommen, um das islamische Kulturerbe zu sehen. Die vielen Zeugnisse islamischer Kultur machen ihn "stolz", aber mehr noch: "Mich beruhigt, dass die Werke hier sicher sind und nicht von Bomben zerstört werden können."

Zoya Masud bei einer Führung durch das Berliner Museum für Islamische Kunst im Rahmen des Projekts "Multaka" (Foto: Stefan Dege)
Bild: DW/S. Dege

Manche der Museumsgänger sind dem Bombenhagel entkommen, andere dem Terror des sogenannten Islamischen Staates. Wie Basam Wahbeh, ebenfalls Syrer und studierter Baumaschinen-Ingenieur. "Ich finde die Führung sehr gut", sagt er lächelnd, "danach will ich auch alle anderen Museen sehen." Nicht nur im Museum für Islamische Kunst führen die neuen Guides, auch in drei weiteren Häusern auf der Berliner Museumsinsel. "Multaka" will "Verbindungslinien zwischen den Herkunftsländern der Geflüchteten und dem Aufnahmeland" aufzeigen. "Multa-ka" heißt auf Arabisch "Treffpunkt".

Flüchtlinge bei einer Führung durch das Berliner Museum für Islamische Kunst im Rahmen des Projekts "Multaka" (Foto: Stefan Dege)
Bild: DW/S. Dege

"Nicht alle Flüchtlinge sind gut"

Seit Monaten schon besucht Bassam Deutschkurse. Er möchte gern bald wieder in seinem Beruf arbeiten. Überrascht hat ihn kaum, was in der Sylvesternacht am Kölner Hauptbahnhof geschah. Übergriffe gegen Frauen habe er auch schon in Ägypten erlebt, wo er ein Jahr zubrachte: "Nicht alle Flüchtlinge sind gut", kommentiert er die Geschehnisse. Dass ihre große Zahl die deutsche Gesellschaft spaltet, findet er normal. "Nirgends sind Fremde nur willkommen!"

Zoya Masud bei einer Führung durch das Berliner Museum für Islamische Kunst im Rahmen des Projekts "Multaka" (Foto: Stefan Dege)
Zoya MasudBild: DW/S. Dege

Immer mittwochs finden die "Multaka"-Führungen statt. 400 Flüchtlinge haben in drei Wochen schon teilgenommen. Inzwischen ist diese Gruppe weitergezogen, vorbei an alten südtürkischen Gebetsnischen, entlang an Fundstücken der berühmten Samara-Grabung und Relikten eines Wüstenschlosses im frühislamischen Jordanien. Masud, die Museumsführerin aus Syrien, hat Architektur studiert, nicht Kunstgeschichte und auch nicht Islamwissenschaft. Es sind Exponate wie der Aleppo-Palast, die die 28-Jährige begeistern, und die sie deshalb ihren syrischen Landsleuten zeigen möchte. "Aleppo war eine offene Stadt", sagt sie nachdenklich, "wie heute Berlin".