Mubaraks mögliche Nachfolger
2. Februar 2011Es ist soweit. Husni Mubarak tritt ab. Nach 30 Jahren an der Spitze Ägyptens will der Präsident bei der Wahl im September nicht mehr antreten. Das hat er bei seiner Rede an die Nation am Dienstagabend (01.02.2011) bekannt gegeben. Freiwillig tat er es nicht, denn der Druck durch die Demonstranten ist riesig. Seine Ankündigung erinnert an die Salami-Taktik: nur soviel anbieten wie man gerade muss. Und wer weiß schon, wie sich die Lage im September darstellt? Bis dahin kann viel passieren.
So ist es auch kein Wunder, dass die Demonstranten der Ankündigung nicht vertrauen. Sie wollen Mubaraks sofortigen Rücktritt. Ob sich der angezählte Präsident noch bis September an der Macht halten kann, erscheint fraglich. Damit ist auch unklar wann genau ein Nachfolger feststeht. Als sicher gilt nur, dass es Husni Mubaraks politisch engagierter Sohn Gamal Mubarak nicht wird. Der Geschäftsmann, der auch in einigen Nichtregierungsorganisationen aktiv ist, wurde als Nachfolger gehandelt. Doch mit den Protesten gegen seinen Vater und den mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung erscheint eine Kandidatur als wenig sinnvoll - und als wenig aussichtsreich. Dafür gibt es aber mehr als eine handvoll möglicher Kandidaten, die sich mehr oder weniger lautstark in Szene setzen. Hier eine Auswahl:
Mohammed el Baradei
Mohammed el Baradei ist der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Unter seiner Führung erhielt die IAEA den Friedensnobelpreis. Der 68-Jährige hatte im Bezug auf die Nuklearprogramme des Iran und Nordkoreas stets eine friedliche Lösung angemahnt und Verhandlungen eingefordert. Sein hohes Ansehen in der westlichen Welt rührt auch daher, dass er sich nicht hat instrumentalisieren lassen. Kurz vor dem US-amerikanischen Angriff auf den Irak attestierte El Baradei 2003 trotz großen Drucks von Seiten der USA, dass der Irak keine Atomwaffen besitzt. Anschließend erhielt die IAEA unter El Baradeis Führung den Friedensnobelpreis.
El Baradei setzt sich für eine Demokratie in Ägypten ein. Der Weg dorthin solle friedlich und geordnet verlaufen. Dafür notwendig sei es, die Opposition zu einigen. "Wir können uns nicht den Luxus leisten, dass Linke gegen Rechte, Sozialisten gegen Muslimbrüder, Kopten gegen Muslime kämpfen". El Baradei wirkt integrierend und diplomatisch. Seine Kritiker in Ägypten werfen ihm vor, keine klare Führungsrolle zu übernehmen. Außerdem wird kritisiert, dass er sich mehr in anderen Ländern aufhalte. Sein Ansehen und Bekanntheitsgrad ist im Westen sehr groß - vielleicht größer als im eigenen Land. Insgesamt stehen seine Chancen nicht schlecht.
Omar Suleiman
Omar Suleiman ist seit einigen Tagen Vizepräsident. Beobachter vermuten, dass Husni Mubarak ihn dazu ernannt hatte, um die Lage zu beruhigen und seinen eigenen Abgang als Präsident zu einem späteren Zeitpunkt vorzubereiten. Die Ernennung Suleimans sollte offenbar auch Mubaraks Rückhalt in der Armee stärken. Suleiman war zuvor Chef des Geheimdienstes, der von der Armee finanziert wird. Ihm kam zudem immer wieder eine Schlüsselrolle bei den Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Hamas wie auch zwischen den rivalisierenden Palästinenser-Fraktionen zu. Dadurch hat er ein hohes Renommee in der Region. Er gilt als einflussreich, aber auch eher als jemand, der im Versteckten arbeitet. Die großen Massen konnte er bisher nicht begeistern, die Reaktion der Demonstranten auf seine Ernennung war eher negativ. Dass sich dies ändert, gilt als unwahrscheinlich.
Fathi Surour
Als ägyptischer Parlamentspräsident ist Fathi Surour seit 21 Jahren fest mit der Regierung Mubarak verbunden. Er hält auch derzeit fest zum Präsidenten. Bei einem Rücktritt Mubaraks würde Surour laut Verfassung automatisch das Amt des Staatspräsidenten übernehmen. Innerhalb von 60 Tagen müssten dann neue Wahlen stattfinden. Surours Rückhalt in der Bevölkerung gilt aber als gering. Die derzeitige Verfassung verbietet zudem, dass der Parlamentschef sich nach Ausübung einer solchen Übergangs-Präsidentschaft für das Amt des Staatspräsidenten zur Wahl stellt.
Farouk Sultan
Farouk Sultan ist der Präsident des ägyptischen Verfassungsgerichts. Die Richter des höchsten ägyptischen Gerichts haben in der Bevölkerung einen guten Ruf. Dazu hat auch beigetragen, dass sie es ablehnten, bei den letzten Parlamentswahlen 2010 als Wahlbeobachter eingesetzt zu werden, weil sich von vorneherein ein Wahlbetrug abgezeichnet hatte. Die Verfassungsrichter sind zudem seit längerem bekannt dafür, sich auch selbst häufiger an regierungskritischen Demonstrationen zu beteiligen - unter anderem gegen die Notstandsgesetze, mit deren Hilfe Mubarak das Land seit 30 Jahren regiert. Farouk Sultan ist zwar nicht so bekannt wie die meisten anderen Kandidaten. Aber verschiedene Oppositionsbewegungen haben dazu aufgerufen, die Parlamentskammern aufzulösen. In diesem Falle käme laut bisheriger Verfassung Farouk Sultan zum Zuge. Er würde für einen Zeitraum von maximal 60 Tagen Übergangspräsident.
Ayman Nour
Der liberale Politiker und Anwalt Ayman Nour ist der Gründer der oppositionellen "Ghad"-Partei. Bei den Präsidentschaftswahlen 2005 trat er gegen Staatspräsident Mubarak an und belegte den zweiten Platz. Danach wurde er jedoch festgenommen, da er angeblich gefälschte Papiere für die Gründung seiner Partei eingereicht hatte. Bis 2009 blieb er in Haft. Nach seiner Freilassung begann er erneut, sich politisch zu engagieren. Nour ist populär vor allem unter jungen städtischen Aktivisten. Nach derzeitiger Rechtslage könnte er allerdings nicht Staatspräsident werden, da er in Haft saß. Damit gilt er bisher noch offiziell als Krimineller, womit ihm das höchste Staatsamt verwehrt bliebe.
Amre Mussa
Amre Mussa ist seit 2001 Generalsekretär der Arabischen Liga. Zuvor war er zehn Jahre lang ägyptischer Außenminster. In dieser Zeit war er unter anderem wegen seiner Israel-kritischen Rhetorik populär. Damals kursierten in Kairo Gerüchte, dass Mubarak ihn zur Arabischen Liga abgeschoben habe, um einen potentiellen Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen. Mussa hat sich dieser Tage noch einmal selbst als möglichen Mubarak-Nachfolger ins Spiel gebracht. Wie sehr er heute noch von seinem respektablen Ruf in der Vergangenheit profitieren könnte, ist schwer zu sagen.
Mohammed Badie
Mohamed Badie ist der Anführer der Muslimbruderschaft - der größten Oppositionspartei in Ägypten. Die Muslimbrüder sind offiziell verboten. Ihre Kandidaten nehmen aber - geduldet vom Regime - regelmäßig als "Unabhängige" an Wahlen teil. Badie ist seit 2009 Anführer der Muslimbrüder und wird dem konservativen Flügel innerhalb der Partei zugerechnet. Die Islamisten genießen vor allem in den ärmeren Bevölkerungsschichten großen Rückhalt, auch wegen ihrer kostenlosen karitativen Dienstleistungen. Bei den Parlamentswahlen 2005 hatten sie 20 Prozent der Stimmen erreicht. Die Muslimbrüder haben auch einen starken gemäßigten Flügel. In Israel und westlichen Ländern wird dennoch befürchtet, dass sie Ägypten zumindest längerfristig auf einen radikal-islamischen Weg bringen könnten.
Autoren: Hebatallah Ismail-Hafez / Marco Müller
Redaktion: Rainer Sollich