Nomadenleben in Gefahr
9. August 2012Der Nordosten der Mongolei, wo das Weideland auf die sibirische Taiga trifft, ist eine Region mit einzigartiger Geschichte und Artenvielfalt. Das im Jahr 2000 zum Nationalpark ernannte Gebiet ist auch die Heimat eines einzigartigen Volkes: der Burjaten.
Diese ethnische Minderheit befindet sich in der Mongolei in einer schwierigen Situation. Da die meisten ihrer Verwandten auf der anderen Seite der naheliegenden Grenze zur russischen Teilrepublik Burjatien leben, haben sie nur geringe Bindungen zu dem Land.
"Die meisten von ihnen sind während der Oktoberrevolution auf die mongolische Seite der Grenze gezogen", sagt Badamjav Giikhnaran. Sie ist Geschäftsführerin der mongolischen Gesellschaft zum Schutz der Nationalparks - und selbst Burjatin. "Später wurde die Grenze geschlossen, und sie konnten nicht zurückgehen."
Nomaden seien jedoch darauf angewiesen, sich mit der Natur zu bewegen und nicht durch Grenzen eingeschränkt zu sein, erklärt sie: "Jetzt sind diese Burjaten mongolische Staatsbürger, wie alle anderen. Doch sie haben immernoch eine andere Kultur und einen Lebensstil, der eher dem in russischen Dörfern ähnlich ist." Das macht ihnen das Leben schwer, denn Mongolen leben zu einem großen Teil in ihren Familien und Gemeinschaften. Hier aber haben die Burjaten wenige Verwandte.
Schwindende Traditionen
Die burjatische Kultur in der Mongolei droht ebenfalls zu verschwinden. "Wir waren richtig gut in der Arbeit mit Holz", sagt Giikhnaran. Jetzt beherrschen nur noch wenige dieses Handwerk. Die Gruppe verliere außerdem allmählich ihre Sprache - und "ich möchte alles in meiner Macht stehende dafür tun, um zu verhindern, dass diese Kultur verloren geht."
Damit ist Giikhnaran nicht allein. Auch die Naturschutzorganisation WWF hat die Notwendigkeit erkannt, die Burjaten, ihre Kultur und ihren Lebensraum zu schützen.
Verlorene Harmonie zwischen Mensch und Natur
Der WWF möchte lokale Burjaten-Gemeinschaften in die Verwaltung ihrer natürlichen Resourcen einbeziehen. Dabei kann sich die Organisation auf eine lange Tradition stützen, meint Dorjgurkhem Batbold, Direktor für Naturschutz beim mongolischen WWF: "Die Mongolei ist eine Nomadennation. Wir ziehen saisonabhängig weiter, wie es die Bedürfnisse unseres Viehs diktieren", erklärt er. "Unser Leben richtet sich nach der Natur."
Doch ist die Harmonie zwischen Mensch und Umwelt in der Mongolei aus dem Gleichgewicht geraten. Wenn jedoch - wie derzeit - die Zahl der weidenden Tiere eine zulässige Höchstgrenze übersteige, "haben wir ein Problem."
Wilderei und Ausbeutung des Tierbestandes
Trotz aller gutgemeinten Bemühungen der Regierung seit der Demokratisierung 1990 schreitet der Fortschritt nur langsam voran. Nach dem Ende der kollektivierten Landwirtschaft und der staatlichen Unterstützung von Unternehmen wurden viele arbeitslos und lebten wieder als Hirten, sodass die Böden immer stärker beansprucht wurden." Ein weiteres Problem ist die Wilderei. Die bestehenden Jagdgesetze würden zu lax angewandt, meint Batbold. Die Fauna der Region wird ausgebeutet, tierische Bestandteile ins benachbarte China verkauft, wo sie zu traditionellen Heilmitteln verarbeitet werden.
Zunduidorj, bekannt als einer der erfolgreichsten Jäger der Region, ist 83 Jahre alt und hat sein Leben lang im Onon Balj Nationalpark gelebt. Er ist traurig über die jungen Jäger:"Sie sind sehr anders, als wir es waren. Wenn wir damals einen Elch geschossen haben, haben wir einen Stein unter seinen Kopf gelegt. Wir hatten Rituale und Zeremonien, in denen wir um Erlaubnis baten, ihn zu erlegen", erklärt Zunduidorj. "Heutzutage töten sogenannte Jäger die Tiere einfach und nehmen sich, was sie brauchen: Embryos, den Schwanz eines weiblichen Elchs, den Penis eines männlichen Elchs, all solche Sachen - und das war's."
Umweltschutz für kommende Generationen
Auch Naturschützerin Giikhnaran klagt über den Rückgang der Anzahl großer Wildtiere: Elche, Rehe, Braunbären, Wildschweine, aber auch Fisch.
"Armut ist das größte Problem in unserem Park", sagt sie. Etwa 1300 Menschen leben hier, und fast alle sind Hirten. "Fahrende Händler bezahlen nur sehr wenig für ein Kalb oder für Teile von Wildtieren. Die Bevölkerung kämpft ums Überleben. Wir wollen helfen, ihre Armut zu vermindern."
In diesem Bemühen stellt der WWF einen Zuschuss für Mitbestimungsprojekte im Onon Balj Nationalpark zur Verfügung. "Die Einheimischen, die seit Jahrtausenden so leben, können nur selbst etwas tun", sagt Batbold. Darum legt der WWF die Verwaltung ihres Landes in ihre Hände. "Dieses Land gehört ihnen, und der nächsten Generation. Sie sollten die Umwelt für ihre Nachfahren erhalten."