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Tina Modotti - Fotografin und Kommunistin

Klaudia Prevezanos
6. Januar 2022

Ihre Fotografien sind bis heute stilprägend. Doch 1931 legte Tina Modotti ihre Kamera weg und arbeitete nur noch für Moskau. Vor 80 Jahren starb die Italienerin überraschend in Mexiko.

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Tina Modottis berühmtes Rosenfoto (Foto: akg-imgages/picture alliance)
Tina Modottis berühmtes RosenfotoBild: akg-images/picture-alliance

Tina Modottis Schwarz-Weiß-Fotos hängen bei Madonna im Wohnzimmer. Zumindest ist das vorstellbar, denn der US-Superstar zählt zu der prominenten Sammlerschar von Modottis bis heute modernen Aufnahmen aus den 1920er-Jahren. Gemeinsam haben die beiden ihre italienische Herkunft und die Einwanderungsgeschichte ihrer Familien in die USA. Beide Frauen stammen aus einfachen, sogar armen Verhältnissen. Doch ihr Talent, ihr Aussehen und ihr Wille haben beide Frauen zu sozialen Aufsteigerinnen gemacht.

Tina Modotti, gezeichnet von Diego Rivera (Foto: akg-images/picture-alliance)
Tina Modotti, gezeichnet von Diego RiveraBild: akg images/picture alliance

Neruda, Kahlo, Rivera - berühmte Freunde

Das Leben der radikalen Fotografin und Kommunistin Tina Modotti fand jedoch ein jähes Ende, mit nur 45 Jahren starb sie vor 80 Jahren plötzlich in einem Taxi. Ihr chilenischer Freund Pablo Neruda - Schriftsteller, Antifaschist und Literaturnobelpreisträger - schrieb über diesen Verlust ein Gedicht. Die junge Frida Kahlo und ihr Geliebter Diego Rivera - beide ebenfalls künstlerisch und politisch in Mexiko aktiv - gehörten zu Modottis mexikanischem Freundeskreis.

Zuckerrohr, fotografiert von Tina Modotti (Foto: Reinhard Schultz/imago images)
Zuckerrohr, fotografiert von Tina ModottiBild: Reinhard Schultz/imago images

Modottis Aufnahmen von Rosen, Innenräumen oder einem Baby an der Brust aus den 1920er-Jahren hatten erheblichen Einfluss auf die Fotografie. Sie sind heute fast 100 Jahre alt, doch in ihrer Schlichtheit und Eleganz zeitlos, aktuell - und teuer. Modotti - im August 1896 vor 125 Jahren geboren - war eine moderne Frau, die ihr Leben selbst bestimmte. Dazu gehört auch, dass sie an den politischen Ereignissen ihrer Zeit teilnahm. Sie fotografierte Proteste der mexikanischen Landarbeiter in den 1920er-Jahren und trat 1927 in die mexikanische Kommunistische Partei ein. Gleichzeitig war Modotti gefragte Porträtfotografin für die reiche Oberschicht des Landes. 1930 wurde sie aus politischen Gründen aus ihrer Wahlheimat ausgewiesen.

Mexikanische Arbeiter lesen Zeitung (Foto: Reinhard Schultz/imago images)
Modotti hielt diese mexikanischen Arbeiter bei der Zeitungslektüre im Bild fest Bild: Reinhard Schultz/imago images

Sexuelle Unabhängigkeit statt Heirat

"In ihren Beziehungen, ihrer Sexualität und ihrer Karriere traf sie schwierige Entscheidungen - sexuelle Unabhängigkeit statt Heirat, politische Verpflichtung statt persönlicher Sicherheit, Revolution statt Kunst", schreibt Margaret Hooks dazu in ihrer Biografie "Tina Modotti - Photographer and Revolutionary".

Leben unter falschem Namen

So arbeitete Modotti ab 1930 von Moskau aus für die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) des Diktators Stalin. Dafür beendete sie sogar ihre Karriere als Fotografin. Später schickte die Partei sie nach Spanien, zusammen mit ihrem Geliebten, dem italienischen KPdSU-Agenten Vittorio Vidali. Beide waren hier unter falschen Namen aktiv und unterstützten die Republikanischen Brigaden gegen den faschistischen Diktator Franco im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39).

Bis zu ihrem plötzlichen Tod am 6. Januar 1942 in Mexiko, wo Modotti ab 1939 erneut, unter falschem Namen, lebte, soll sie ihre Kamera nicht mehr benutzt haben.

Hände des Chicagoer Puppenspielers Louis Bunin (Foto: Reinhard Schultz/imago images)
Hände des Chicagoer Puppenspielers Louis BuninBild: Reinhard Schultz/imago images

Modotti-Ausstellung direkt nach ihrem Tod

Doch ihr künstlerisches Werk blieb erhalten, eine erste Ausstellung gab es kurz nach ihrer Beisetzung im März 1942 in Mexiko-Stadt. "Tina, die militante Kämpferin, lag noch nicht lange in ihrem Grab, als Tina Modotti, die Fotografin, wiederbelebt wurde", schreibt Modotti-Biografin Hooks. Und obwohl die Kommunistin Tina Modotti in den 1930er-Jahren keine Einreiseerlaubnis mehr für die USA bekommen hat, sind ihre eleganten und anmutigen Aufnahmen bis heute in zahlreichen Museen und Ausstellungen auch in den USA zu sehen, darunter im Museum of Modern Art in New York und im Philadelphia Museum of Art.

Die soziale Aufsteigerin Modotti

Ein weiter Weg für ein armes Arbeiterkind aus Italien: Modotti wird am 17. August 1896 in Udine geboren. Ihr Vater, ein Mechaniker, geht 1906 in die USA. Modotti - mit vollem Namen Assunta Adelaide Luigia Modotti Mondini - muss ab ihrem zwölften Lebensjahr in einer Fabrik arbeiten, um die Familie zu unterstützen. 1913, knapp 17 Jahre alt, reist Tina - eine Kurzform ihres Kosenamens Assuntina - ebenfalls in die USA und verdient in San Francisco Geld als Näherin. In der italienischen Gemeinde der Stadt tritt Modotti als Schauspielerin auf, später bekommt sie Rollen in einigen Stummfilmen. 1918 geht sie mit ihrem Ehemann, dem kanadischen Dichter Roubaix de L'Abrie Richey ("Robo"), nach Los Angeles. Hier trifft Modotti 1921 den bedeutenden US-Fotografen Edward Weston, steht ihm Modell, kurz darauf werden die beiden ein Liebespaar.

Modotti und Mexiko

Mai-Parade in Mexiko-Stadt, mit Frida Kahlo und Diego Rivera (mitte), fotografiert von Modotti (Foto: imago images/Reinhard Schultz)
Mai-Parade in Mexiko-Stadt, mit Frida Kahlo und Diego Rivera (Mitte), fotografiert von ModottiBild: imago images/Reinhard Schultz

Mit Weston reist Modotti im Jahr darauf erstmals nach Mexiko, wo sich im Zuge der Mexikanischen Revolution und der sozialen Umbruchphase seit 1910 zahlreiche Intellektuelle und Unterstützer aufhalten. Ihr Mann Robo stirbt hier jedoch plötzlich an einer Pockenerkrankung. Dieser erste Besuch in Mexiko 1922 ist entscheidend für Modottis weiteres Leben und ihre Arbeit.

Nach Mexiko kehrt Modotti mehrmals zurück. Hier bringt ihr Weston (1886-1958) Grundlagen der modernistischen Fotografie bei: neue Blickwinkel auf Dinge und Menschen, ungewöhnliche Ausschnitte und das Weglassen bei der Motivwahl. Tina Modotti fotografiert die Wandbilder von Diego Rivera. 1926 trennen sich Modotti und Weston, er kehrt zurück zu seiner Familie in die USA.

Wandbild von Diego Rivera: "Mutter Erde". Modotti war hier sogar das Modell (Foto: akg-images/picture-alliance)
Wandbild von Diego Rivera: "Mutter Erde" - Modotti war hier sogar das Modell Bild: akg images/picture alliance

Nach Westons Abreise beginnt laut Margaret Hooks Modottis produktivste Phase als Fotografin. Hooks unterteilt ihre Arbeit grob in vier Kategorien: Neben Aufnahmen von mexikanischer Volkskunst arbeitet Modotti fotojournalistisch für die mexikanische Zeitschrift "El Machete". Zu diesen Aufnahmen gehören einige ihrer bekanntesten Fotos.

Moderne Fotos mit politischer Botschaft

Doch auch die reiche und prominente Oberschicht des Landes gehört zu ihren Kunden - mit ihren begehrten Porträts verdient Modotti ihr Geld. Schließlich gibt es noch die Bilder, die sie zu ihrem Vergnügen macht: Lilien, Frauen und ihre Kinder, abstrakte Linien von Holzgerüsten und Telegraphenmasten.

In Mexiko hat Modotti ab 1928 außerdem eine Beziehung mit dem im Exil lebenden kubanischen Revolutionär Julio Antonio Mella. 1929 wird Mella an ihrer Seite auf der Straße erschossen. Der Prozess um den Mord wird von der Justiz genutzt, um Modotti in Verruf zu bringen - wegen ihrer politischen Aktivitäten und ihres unmoralisch genannten Lebenswandels. Die mexikanische Oberschicht, die sich bis dahin gerne von Modotti porträtieren lässt, ist entsetzt. Die Italienerin Modotti wird 1930 des Landes Richtung Europa verwiesen.

Arbeiter verladen Bananen
Tina Modotti fotografierte diesen Mann, der Bananen verlädt, um 1927 in Veracruz Bild: Reinhard Schultz/imago images

Politische Arbeit statt Fotografie

Einige Monate hält sich Modotti 1930 auch in Deutschland auf, ihre Arbeiten werden sogar ausgestellt, sie fasst aber im zunehmend faschistischen Deutschland nicht Fuß, auch das Geld geht ihr aus. Sie folgt schließlich der Einladung des italienischen Kommunisten Vidali nach Moskau und arbeitet fortan nur noch politisch für die kommunistische Partei, erst in Paris, dann in Spanien.

Nach dem Sieg des spanischen Diktators Franco kehrt Modotti 1939 nach Mexiko zurück - die USA haben eine Einreise erneut abgelehnt. In Mexiko-Stadt lebt die nun 45-Jährige zurückgezogen, mit knappem Einkommen und kaum Kontakt zu früheren Freunden. Als sie am 6. Januar 1942 auf der Rückfahrt von einem Abendessen ist, stirbt Modotti unerwartet im Taxi. Ein Arzt wird später Herzversagen als Ursache feststellen.