Mkhitaryan: "Möchte uns ganz vorne sehen!"
22. Januar 2016DW: Im Vergleich zum Vorjahr scheinen Sie in einer ganz anderen Stimmung zu sein! Wie geht es Ihnen heute?
Henrikh Mkhitaryan: Ja, es stimmt. Im letzten Jahr war die Stimmung das genaue Gegenteil. Wir haben oft verloren und die Lage war sehr angespannt. Aber in dieser Saison läuft es einfach viel besser. Wir haben einen Lauf und den wollen wir fortsetzen. Also ja, ich bin sehr glücklich.
Sie waren damals der teuerste BVB-Neuzugang der Vereinsgeschichte. Aber auf dem Platz sind die Dinge einfach nicht so gelaufen, wie Sie wollten. Warum?
Nicht nur mein Spiel, auch das der gesamten Mannschaft hat nicht so gut funktioniert. Jeder hat es versucht, aber am Ende konnten wir einfach nicht die nötigen Punkte für unser Ziel erreichen. Nach der Hinrunde steckten wir im Tabellenkeller fest, das war schrecklich für uns. In der zweiten Saisonhälfte haben wir dann besser in unser Spiel gefunden und die nötigen Punkte geholt. Und mit ein bisschen Glück konnten wir uns noch für die Europa League qualifizieren. In diesem Jahr kann man sagen, dass wir eine gute erste Saisonhälfte gespielt haben. Wir sind immer noch im DFB-Pokal, sind Zweiter in der Bundesliga und in der Europa League kämpfen wir gegen Porto um die nächste Runde. Wir werden alles dafür tun, auf diesem Niveau weiterzuspielen - um auch für die nächste Saison bereit zu sein.
Und das, weil die Leistung des gesamten Teams besser ist? Oder eben auch, weil Sie viel besser spielen?
Ja, natürlich finde ich es toll, dass ich so viele Tore und Vorlagen beisteuern konnte. Aber nicht nur ich, das ganze Team spielt einen tollen Fußball. In diesem Jahr begeistern wir wieder mit unserer Art und Weise, Fußball zu spielen. Und ich denke, das wird auch noch so weiter gehen. Die nahe Zukunft kann für uns richtig gut laufen.
In den bisherigen Spielen haben Sie mehr Tore und Vorlagen gegeben als in der gesamten vergangenen Saison. Liegt das auch am Wandel in Ihrem eigenen Spiel? Wie erleben Sie ihre eigene Entwicklung?
Im letzten Jahr habe ich einfach nicht genug gemacht. Es waren fünf oder sechs Tore in der ganzen Saison und sieben Assists. In dieser Saison waren die ersten paar Spiele wirklich sehr wichtig für mich, weil ich Vertrauen in meinen Abschluss und meine Pässe bekommen habe. Jetzt müssen wir so weitermachen, jetzt muss ich so weitermachen. Und ich bin optimistisch und werde alles tun, um auch weiterhin mein Bestes abzurufen.
Am Ende der letzten Saison war sogar Ihr Abschied aus Dortmund eine Option. Aber dann kam Thomas Tuchel und es gab auch diesen sogenannten "berühmten Telefonanruf" von ihm. Ist es richtig, dass er Sie schon vor dem ersten gemeinsamen Training darum bat, zu bleiben?
Ich traf ihn zum ersten Mal im März - und er hat mich überzeugt, zu bleiben. Ich wollte auch bleiben. Denn ich hatte den Menschen noch ein paar Dinge zu beweisen - dass ich es verdient habe, hier zu sein. Deshalb versuche ich, alle meine Qualitäten einzubringen. Und dem Team zu helfen, Spiele zu gewinnen.
Und Thomas Tuchel musste es offensichtlich gewusst haben, dass man Sie noch besser machen könnte. Wir haben auch mit ihm gesprochen und auf Sie angesprochen, er hat wirklich nette und begeisternde Dinge erzählt. Ist das eine besondere Spieler-Trainer-Beziehung?
Ja, natürlich haben wir eine gute Verbindung und ich bin sehr glücklich, dass ich die Chance habe, mit ihm zu arbeiten. Denn es war wirklich so, dass er mir schon im ersten Gespräch sagte: "Miki, ich kann dich auf ein Spitzenklassen-Niveau bringen." Und ja, am Anfang konnte ich nicht recht dran glauben, dass er mich nach der schlechten Saison dorthin führen kann. Aber er hat's geschafft - und ich bin ihm dankbar.
Was hat er gemacht?
Er gibt dir das Vertrauen, das man benötigt. Er spricht mit allen Spielern und lässt Gespräche entstehen. Er gibt viele Ratschläge. Er sagt dir, wo du richtig und wo du falsch liegst. Und dann fängst du an drüber nachzudenken und merkst: Ja, er hat recht.
Also ist das der größte neue Einfluss, den er an das Team gibt?
Ich denke ein großer, aber sicher nicht der Wichtigste. Denn am Ende entscheidet doch das Spiel auf dem Platz. Aber für die Spieler ist es wichtig, die Ratschläge anzunehmen. Und dann kann man im Spiel zeigen, was man gelernt hat, indem man versucht, es auch umzusetzen. Genau das ist bei vielen unserer Spielern passiert. Jeder nimmt die Ratschläge des Trainers an - und jetzt kann jeder sehen, was für einen aufregenden Fußball wir spielen.
Wird der Trainer auch Sie überzeugen können, länger zu bleiben?
Warum nicht? Er hat es schon einmal geschafft. Warum nicht noch ein zweites Mal?
Weil es wieder einige Gerüchte gibt, Sie könnten den Klub verlassen…
Nein, das sind nur Gerüchte. Nur Gerüchte…
Lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Blick in die Zukunft werfen. Wo sehen Sie den BVB in der Rückrunde? Was erwarten Sie?
Ich möchte uns ganz vorne sehen! Wirklich, mit dieser Art von Fußball verdienen wir es, mindestens auf dem zweiten Platz zu landen. Wir werden kämpfen, um uns für die Champions League im nächsten Jahr zu qualifizieren. Dann wollen wir wieder nach Berlin ins Pokalfinale - und in der Europa League soweit wie möglich kommen.
Henrikh Mkhitaryan ist armenischer Nationalspieler und steht seit 2013 bei Borussia Dortmund in der Fußball-Bundesliga unter Vertrag. Er wurde 1989 in der damals noch zur Sowjetunion gehörenden armenischen Hauptstadt Jerewan geboren. Da auch sein Vater Fußballprofi war und im Ausland spielte, wuchs Mkhitaryan sieben Jahre lang in Frankreich auf. Mit 17 Jahren wurde er selbst Profi. Über die Stationen FC Pjunik Jerewan, Metalurh Donezk und Schachtjor Donezk kam er nach Dortmund. Mit einer Ablösesumme von 27,5 Millionen Euro ist Mkhitaryan der teuerste Spieler der BVB-Vereinsgeschichte.
Das Interview führte Barbara Mohr