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Lachen verbindet

Das Interview führte Claudia Auer3. November 2006

Bora Dagtekin, Autor der Serie "Türkisch für Anfänger", im Gespräch über "Türkenstoffe" im Fernsehen, den Dialog der Kulturen und warum ausländische Schauspieler nur "Ali-Rollen" bekommen.

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Das Team der Serie "Türkisch für Anfänger"
Bora Dagtekin (in schwarz) freut sich inmitten seines Teams über den Deutschen FernsehpreisBild: Bora Dagtekin

DW-WORLD.DE: Es gibt im deutschen Fernsehen vermehrt deutsch-türkische Sendungen wie "Alle lieben Jimmy" oder die von Ihnen geschriebene Serie "Türkisch für Anfänger". Wie lässt sich das erklären?

Bora Dagtekin: Ich glaube, das ist weniger ein politischer Grund als ein kommerzieller. Nur der Migration oder der Integration wegen würde man so etwas nicht machen. Man hofft, dass man durch die Erschließung der Ethno-Comedy eine ganz neue Publikumsnummer aufziehen kann. Der Film "My big fat Greek wedding" ist in Amerika so eingeschlagen, dass eine Ethno-Comedy angewachsen ist. Da hat unser Produzent Philipp Voges relativ zügig kapiert: wir haben eine Ausländergruppe, und das sind die Türken. Damit machen wir jetzt was. Wenn man sich die Quoten ansieht, bemerkt man aber, dass das keine Erfolgsformate sind. Wir haben viele Zuschauer aus dem gebildeten Milieu, was für die Werbung interessant war. Das hat uns gerettet. Aber so richtig gut sind wir auch nicht gelaufen.

Fördern diese Sendungen das Kulturverständnis?

Auf jeden Fall. Die Nominierung dieser Sendungen beim Deutschen Fernsehpreis war meines Erachtens ein Zeichen der Jury, dass sie honoriert haben, dass wir Deutschen uns auf einmal viel mehr mit unseren Nachbarn auseinander setzen. Aber ich bin auch skeptisch. Bei so viel geballter Ethno-Comedy konzentrieren sich die Gags, die auf ausländische Kosten gemacht werden. Da stellt sich die Frage, ob die Moslems nicht irgendwann genervt sind, weil sie das Gefühl haben, dass sie ständig für Witze herhalten müssen und auch noch über sich selbst lachen sollen - die Deutschen sich im Fernsehen aber nie so selbstironisch mit ihren Traditionen auseinandersetzen. Ich finde, nach der Schwemme von deutsch-türkischen Produktionen kann man jetzt herunterschalten: Wir müssen nicht mehr provozieren und wachrütteln.

Jetzt haben wir unsere Figuren, unsere Themen und können zeigen, dass wir auch sensibel sind. Ich glaube, dass die lauten, schrillen Türkensachen vorbei sind. Irgendwann kommt vielleicht ein deutsch-türkischer Film, in dem die kulturellen Differenzen nur noch in zwei Sätzen ein Thema sind. Das ist jetzt aber noch nicht möglich. So weit wie die Amerikaner sind wir noch nicht. Wenn man sich in Amerika Serienkonzepte durchliest, steht bei der Besetzung in der Spalte Nationalität "Alle Nationen möglich". Wenn das bei uns stehen würde, dann würde irgendeiner sagen "Wieso das denn? Ist das ein Ausländer? Habe ich in der Geschichte nicht gelesen!" Deswegen gibt es noch diese Türkenstoffe. Die Türken sind noch nicht etabliert genug, um in einem deutschen Stoff mitspielen zu können, ohne dass ein Türkenstoff daraus wird.

Die deutsch-türkischen Sendungen sind also für das deutsche Fernsehen wichtig?

Ja, sie sind wichtig, weil sie ein Schritt einer Entwicklung sind, die uns irgendwann dazu bringt, dass es keine extra türkischen Sendungen mehr geben muss, sondern dass sich unsere Sehgewohnheiten dahin entwickeln, dass wir auch einen farbigen Punkt in einer normalen Serie ertragen, ohne uns gleich zu wundern, was denn da für eine tragische Ausländergeschichte hinter steckt. Erst in dem Moment, wo ein Drittel eines Ensembles nicht mehr ganz deutsch ist, wird man das Gefühl der Integration haben. Solange wir extra Sendungen dafür brauchen, hat die Integration eigentlich noch nicht stattgefunden. Auch nicht bei den Machern, wenn man ehrlich ist.

Deutsch-türkische Stars haben ihren Platz im deutschen Medienmarkt also noch nicht gefunden?

Richtig, die haben nämlich immer noch ihre Ausländernische. Die Frage ist, wann Kaya Yanar einfach mal so Witze machen kann. Oder Adnan Maral (Darsteller in "Türkisch für Anfänger", d. Red.) etwas anderes spielen kann als einen Griechen und Türken. Die Schauspieler sind abhängig von ausländischen Stoffen und werden immer für die gleichen Rollen besetzt. Der Hauptdarsteller von "Alle lieben Jimmy" und unser Elyas (Elyas M´Barek, Darsteller in "Türkisch für Anfänger", d. Red.) sehen sich vermutlich bei so manchem Casting und bekommen immer wieder eine dieser Ali-Rollen: Ali bricht irgendwo ein und vertickt das Zeug in irgendeinem Hinterhof. Die beiden wollen sicherlich auch mal andere Rollen spielen.

Sehen Sie Humor als Möglichkeit, um den kulturellen Graben zwischen beiden Kulturen zu überwinden?

Humor ist ein schönes Mittel, um den Deutschen zu zeigen, dass sie nicht sehr anders sind. Unser Credo ist immer, dass auch die Deutschen ihr Fett wegkriegen. Bei "Türkisch für Anfänger" steht es am Ende jeder Folge eins zu eins zwischen den Nationen. Ohne Humor würde das nicht gehen. Humor ist immer eine Möglichkeit, Defizite zu zeigen, ohne in eine Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. In der Komik versteckt ist die Adressierung etwas charmanter. Man kann einfach nur lachen, man kann aber auch kurz stocken und merken, dass hinter dem Witz eine schmerzhafte Wahrheit steckt. Mit einem Lächeln schluckt man einiges mehr und nimmt auch vielmehr Kritik unbewusst auf.

Worin sehen Sie Ihre Aufgabe mit "Türkisch für Anfänger"?

Ich möchte betonen, dass ich damit keine Aufgabe verfolge. Ich möchte nicht lehren, und es hat keine politische Intention. Das einzige, was ich möchte, ist, dass die Leute eine Serie sehen, die Humor und Anspruch einigermaßen unter einen Hut kriegt und bei der man merkt, dass das Ausländerthema nicht nur zum Kalauer benutzt wird. Sondern wir trauen uns auch, Themen wie Isolierung oder Rechtsextremismus anzupacken. Berührende Geschichten, die immer ein bisschen augenzwinkernd sind, die aber auch auf der zweiten Ebene ein Stück Wahrheit transportieren. Gerade bei Ausländerthemen sollte man nicht so ängstlich sein. Beide Seiten müssen einstecken. Wenn ich etwas nicht möchte, dann ist das, mich auf eine Seite zu stellen.

Da hört man schon den multikulturellen Anspruch heraus.

Ich habe das Gefühl, dass das, was wir erzählen, eigentlich schon ein Stück weiter ist. Wenn man diese Serie gucken will, muss die Integration bei einem stattgefunden haben. Das ist wirklich keine Serie, nach der sich der 75-jährige Opa, der NPD wählt, mit dem Gastarbeiter in der türkischen Tee-Bar zusammensetzt und die beiden Freunde werden. Also das wäre wirklich unglaublich. Wer das guckt, muss schon sensibilisiert sein für das Thema und auch eingedeutschter oder eingetürkter sein. Aber es geht auch darum zu zeigen: Die Türken kochen auch nur mit Wasser, und auch die Deutschen wissen manchmal nicht, was sie machen sollen. Religion trennt uns nicht, sie sollte uns zu Freunden machen.

Bora Dagtekin ist Autor der ARD-Serie "Türkisch für Anfänger", die von den alltäglichen Schwierigkeiten und kulturellen Differenzen der Familie Schneider-Öztürk erzählt. Die Produktion wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutschen Fernsehpreis. Mit dem Alltag einer multikulturellen Familie ist Dagtekin vertraut. Sein Vater kommt aus der Türkei, seine Mutter ist Deutsche. Er selbst ist in Hannover geboren und lebt heute in München. Vor "Türkisch für Anfänger" arbeitete der 28-Jährige für die RTL-Serie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten".