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Mit der Hand in der Tasche

Stefan Nestler8. Mai 2014

Bundestrainer Joachim Löw überrascht bei der Bekanntgabe seines vorläufigen Kaders für die WM in Brasilien mit einigen Nominierungen und Absagen. Seine Argumentation steht teilweise auf wackligen Füßen.

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Köpke, Flick, Löw und Bierhoff bei der Kadervorstellung (Foto: Dennis Grombkowski/Bongarts/Getty Images)
Demonstrativ entspannt: Köpke, Flick, Löw und Bierhoff bei der KadervorstellungBild: Getty Images

Eine halbe Stunde lang steht Joachim Löw rund 200 Journalisten in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main Rede und Antwort. Gefühlte 29 Minuten steckt entweder seine rechte oder seine linke Hand in der Hosentasche. Der Bundestrainer signalisiert, dass er locker ist, mit seinen Entscheidungen im Reinen - oder will er es nur signalisieren?

"Hinter jedem Spieler steht ein klares Ja", leitet der 54-Jährige die Auflistung der 30 WM-Kandidaten ein, um anschließend den Diplomaten zu geben, als es um die nicht berücksichtigten Profis geht. "Es ist keine Entscheidung gegen einzelne Spieler, sondern eine Entscheidung für eine maximale Leistungsbereitschaft unserer Mannschaft", sagt der Bundestrainer, nachdem die Katze aus dem Sack ist.

Ohne Mario Gomez

Mario Gomez (Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)
Erst verletzt, dann ausgebootet: die Saison könnte kaum schlechter laufen für Mario GomezBild: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images

Prominentester Spieler, der seinen Sommer nun anders planen kann oder muss als bei der WM, ist Mario Gomez. "Ich hätte mir gewünscht, dass er fit gewesen wäre, aber nach sieben Monaten Verletzung sehen wir nicht, dass er in der Lage wäre, körperlich bei diesem Turnier zu bestehen", begründet Löw seine Absage an den Stürmer des AC Florenz. Und wie hat Gomez reagiert? Der Bundestrainer weicht aus: "Mir tut es persönlich für jeden leid, der nicht dabei sein kann. Alle sind enttäuscht, ob jung, ob alt, ob mit wenigen oder mit vielen Länderspielen."

Klose, der Zimmermann

Löw weiß, dass seine Argumentation "Nur wer fit ist, fährt mit" auf wackligen Füßen steht. Schließlich hat auch Torjäger Miroslav Klose in der vergangenen Saison bei Lazio Rom häufig verletzt gefehlt. Und Mittelfeldspieler Sami Khedira ist nach seinem Kreuzbandriss gerade erst in den Kader von Real Madrid zurückgekehrt. Bei beiden führt Löw deren "große Persönlichkeit und Erfahrung" ins Feld, die in einer WM-Mannschaft unverzichtbar seien. Khedira habe gerackert wie kein Zweiter, um doch noch für die WM fit zu werden. Und Klose sei dafür bekannt, dass er bei großen Turnieren stets eine gute Form erreiche.

"Außerdem ist Miro ja gelernter Zimmermann, da kann er vielleicht auf der Baustelle in unserem Mannschaftsquartier noch den einen oder anderen Nagel reinschlagen", fügt Löw schmunzelnd hinzu. Das wird Mario Gomez kaum trösten.

Frisches Blut

Baustellen hat Löw noch einige in der Mannschaft. Die Abwehr vor dem gesetzten Torhüter Manuel Neuer glänzte zuletzt nicht gerade als Bollwerk. Und wo ist der Torjäger, der klassische Knipser? Vielleicht Kevin Volland? Abwarten. Der 21 Jahre alte Hoffenheimer ist nämlich einer von sechs Spielern aus dem vorläufigen Kader, die noch kein Länderspiel absolviert haben. Damit ist der Bundestrainer seiner Linie treu geblieben, immer für eine Überraschung gut zu sein, wenn er sein Personal vor großen Turnieren auswählt.

Erik Durm (Foto: Hofmann/Bongarts/Getty Images)
Einer der jungen Wilden mit Perspektive: Erik Durm könnte es durchaus in den 23er-Kader schaffenBild: Getty Images

"Die Mischung muss stimmen. Erfahrung, Persönlichkeit und Führungsqualität sind bei einer WM nötig, aber eben auch frisches Blut", erklärt Löw. Heißen die neuen WM-Helden Erik Durm, Shkodran Mustafi, Leon Goretzka, Max Meyer, André Hahn oder Kevin Volland? Der Bundestrainer glaubt, dass der eine oder andere von ihnen den großen Durchbruch schaffen wird. Allen attestiert er eine "rasante Entwicklung".

Weckruf verstanden

Überhaupt hält der 54-Jährige nichts davon, in Pessimismus zu verfallen. "Die Spieler haben meinen Weckruf im März verstanden". Damals hatte Löw beklagt, nur sieben bis acht Spieler seien in Topform, die WM-Uhr ticke. Viele hätten danach deutlich mehr Einsatz gezeigt, findet der Bundestrainer. "Die Situation hat sich zu unseren Gunsten verändert."

Das wird auch Zeit. In gut einem Monat wird die WM in Brasilien angepfiffen. Und Löw weiß, dass die Erwartungshaltung in Deutschland extrem hoch ist. Mit der Hand in der Tasche wird man ihn immer seltener sehen. Ganz bestimmt.