Kür der Miss Holocaust Survivor 2021
17. November 2021Eigentlich war alles wie bei einer ganz normalen Miss-Wahl. Die zehn Finalistinnen von ursprünglich Hunderten von Bewerberinnen um den Titel wurden aufwendig frisiert, von Stylisten geschminkt und für ihren großen Auftritt auf der Bühne des Friends of Zion Museums in Jerusalem vorbereitet. Im glitzernden silberfarbenen Kleid und mit einer Krone auf dem Kopf nahm Salina Steinfeld dann nach ihrem Sieg am Dienstagabend (16.11.2021) in Jerusalem freudestrahlend die Gratulationen entgegen. "Mir fehlen die Worte, um mein Glück auszudrücken", bekannte sie gerührt.
Kritik am Event
Solche Freudebekundungen kennt man auch von anderen Miss-Wahlen, doch der Titel, den Salina Steinfeld jetzt trägt, klingt in vielen Ohren befremdlich: "Miss Holocaust Survivor" - eine Überlebende des Holocausts als Schönheitskönigin? Wie passt das zum Gedenken an sechs Millionen ermordete Juden? Als der Wettbewerb 2012 ins Leben gerufen wurde, bemängelte laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" damals Colette Avital, die Vorsitzende der Dachorganisation für Holocaust-Überlebende in Israel, die Frauen würden für eine "nicht würdevolle, effekthascherische Veranstaltung ausgenutzt". Das Ganze sei grotesk.
Organisatoren wollen Überlebenden Freude schenken
Doch die Organisatoren sehen das anders. Der Wettbewerb wird von der in der Hafenstadt Haifa ansässigen Stiftung "Yad Ezer L'Haver" gesponsert, die sich um Überlebende des Holocaust kümmert. Ziel sei es, "einer schwindenden Anzahl jüdischer Frauen Glanz und Respekt zu verleihen, deren Jugend während des Zweiten Weltkriegs gestohlen wurde - die sich dann aber in Israel ein neues Leben aufgebaut haben".
So sah es auch die erste Siegerin der Miss-Wahl, Chava Herschkovitz: "Ich habe einfach Angst, dass man unsere Geschichten vergisst, wenn wir bald nicht mehr leben", sagte sie damals. Auch die Kandidatinnen im Jahr 2021 sind zwischen 79 und 90 Jahre alt. Seitens der Veranstalter hieß es ergänzend: "Wir wollen den Heldinnen, die den Holocaust überlebt haben, einfach nur Freude bringen."
Die gebürtige Rumänin Salina Steinfeld hat das Event jedenfalls sichtlich genossen, sie sei richtig verwöhnt worden, erklärte sie der Presse und ergänzte: "Wir müssen überall stark sein, um zu wissen, wie wir uns um uns selbst kümmern können - und am wichtigsten ist es, uns gegenseitig zu helfen. Lasst unglückliche Menschen nicht allein." Ihre Hoffnung: "das Volk Israel zu Schönheit und Güte zu führen".
Neue Heimat in Israel
In Israel fand die neue "Miss Holocaust Survivor" 1948 eine neue Heimat, nachdem sie die Schrecken der NS-Zeit überlebt hatte. Salina Steinfeld heiratete, zog drei Kinder groß und kann sich mittlerweile über sieben Enkelkinder und 21 Urenkel freuen. Und trotz ihrer 86 Lenze besucht die Seniorin als Freiwillige mindestens einmal in der Woche andere Holocaust-Überlebende.
Denn die Gräueltaten, die sie in ihrer Jugend erleben musste, sind unvergessen - auch bei Mit-Kandidatin Kuka Palmon: "Nach all dem, was ich während des Holocaust durchlebt habe, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal dort sein würde, wo ich jetzt bin, mit einer großen Familie: zwei Kindern, vier Enkeln und zwei Urenkeln", sagte sie während des Wettbewerbs. "Und doch bin ich hier, in diesem hohen Alter, 87. Es ist eine göttliche Sache, es ist unbeschreiblich."
In der Jury zur Wahl der Miss Holocaust Survivor 2021, die wegen der Corona-Pandemie das erste Mal seit 2018 wieder stattfand, saß übrigens auch eine Kollegin der Kandidatinnen: Noa Kochba, die amtierende Miss Israel.