Wohin mit dem radioaktiven Müll der Asse?
13. März 2012Der Versuch namens Asse ist gescheitert. Bei dem Salzstock, der einst als Atommüllendlager ausprobiert wurde, geht es nur noch um Schadensbegrenzung. Das ist mittlerweile allen Verantwortlichen klar: in den Umweltministerien ebenso wie im Bundesamt für Strahlenschutz, dem vor zwei Jahren die Zuständigkeit für die Anlage in der niedersächsischen Gemeinde Remlingen übertragen wurde.
Ein Gutachten aus dem Jahr 2008 hat nämlich gezeigt, dass ein seit langem befürchtetes Horrorszenario Wirklichkeit geworden ist: In dem stillgelegten Salzbergwerk hat der Druck der Gesteinsschichten Klüfte aufgerissen, durch die Grundwasser eindringt - 12.000 Liter pro Tag. Die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle schwimmen offenbar schon geraume Zeit in einer Salzlauge. Zumindest einige der insgesamt 126.000 Fässer sind leck geschlagen, und zwar nicht nur, weil das eingedrungene Wasser die Behälter hat rosten lassen, sondern vor allem wegen des Gesteinsdrucks. Radioaktive Strahlung ist ausgetreten. In Bohrproben hat man Werte gemessen, die um ein Vielfaches über der zulässigen Grenze liegen.
Tickende Zeitbombe
An der Oberfläche ist derzeit keine Belastung feststellbar. Das weiß auch Ursula Kleber, die wenige Kilometer vom maroden Salzstock entfernt einen Biobauernhof betreibt. Dennoch geht sie seit Jahren auf die Straße, ist im Vorstand der Bürgerinitiative aufpASSEn! e.V. aktiv, "weil sich die radioaktiven Stoffe unter Tage langsam auf den Weg machen werden." Wohin? Ins Trinkwasser. Eine tickende Zeitbombe, sagt Ursula Kleber.
Schon vor fast 20 Jahren hat ein erstes Gutachten Besorgnis rund um Asse ausgelöst: Ein nicht beherrschbarer Wassereinbruch in die Schachtanlage sei nicht auszuschließen, lautete die damalige Erkenntnis. Und so begann die Betreiberfirma, die unterirdischen Kammern in 500 bis 750 Meter Tiefe mit Abraummaterial zu füllen, um sie stabiler zu machen. Umsonst, wie sich mittlerweile gezeigt hat.
Atommüll droht Trinkwasser zu verseuchen
Was also tun? Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat drei Möglichkeiten untersucht: Die Lagerräume noch weiter zu füllen, was nicht hilft. Denn das Wasser dringt kontinuierlich ein, der Druck auf die Fässer nähme noch zu. Ebenso wirkungslos ist es, den Atommüll in andere Kammern des Salzstocks umzulagern, denn in denen tauchen früher oder später ähnliche Probleme auf.
Bleibt als Lösung nur, alle Behälter aus dem "Versuchsendlager" Asse zu bergen. Ein Unterfangen, das weltweit das erste dieser Art wäre. Experten schätzen, dass es mehrere Milliarden Euro kosten und 30 bis 40 Jahre dauern würde. Wenn alles glatt läuft und es keinen größeren Wassereinbruch gibt, der das Trinkwasser auf Jahrzehnte hinaus verseuchen könnte. Diese Gefahr ist für das Bundesamt das Damokles-Schwert, das über der ganzen Bergungsaktion hängt.
Langsame Mühlen der Bürokratie
Seit Januar vergangenen Jahres ist das alles bekannt. Umso weniger wollen Ursula Kleber und ihre Mitstreiter verstehen, warum man noch immer nicht mit den Bergungsarbeiten begonnen hat. Die Ursache hierfür sieht sie im "Behördendschungel".
Das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz gibt Kritikern wie Ursula Kleber Recht: Einen 1000seitigen Antrag habe die Behörde dem niedersächsischen Umweltministerium überreicht, und der sei zwar bewilligt, aber auch mit 32 Auflagen verbunden worden. Denn die Niedersachsen wollen unter allen Umständen verhindern, dass Arbeiter beim Öffnen der Kammern und Abtransport der radioaktiven Behälter Gefahren ausgesetzt sind. Die Sicherheitssysteme, heißt es im Bundesamt, seien doppelt und dreifach ausgelegt: Bei Bohrungen würde alle 20 Zentimeter die Radioaktivität gemessen, man verwende sogenannte Schnellabschalter, mit Hilfe derer man im Falle einer Explosion Bohrlöcher schließen könne.
Überfälliger Besuch
Zeitraubend ist aber schon allein, Informationen über den zu bergenden Atommüll zu bekommen. Denn zwischen 1967 und 1978, als die Behälter in den Salzstock eingelagert wurden, hat die damalige Betreibergesellschaft nicht so genau Buch geführt.
Schuld an der so langsam mahlenden Bürokratie gibt Ursula Kleber auch dem aktuellen Bundesumweltminister: Norbert Röttgen habe sich zwar, als er ganz frisch im Amt war, mit Kommunalpolitikern und Vertretern von Bürgerinitiativen getroffen, "aber danach kam von ihm persönlich nichts mehr." Im Bundesumweltministerium, sagt sie, "fehlt uns der klare politische Wille, die Gefahr zu beseitigen." Über Röttgen habe sie immer wieder gehört, dass er Berater um sich geschart habe, die von der Bergung des Atommülls gar nichts hielten. Sein Besuch in der Asse sei daher seit langem überfällig gewesen.
Autor: Klaus Dahmann
Redaktion: Beate Hinrichs/ Karin Jäger