Milliardenschlacht der Autokonzerne um Lateinamerika
11. August 2023Ab Mai 2024 werden im Autowerk Iracemapolis im Großraum Sao Paulo Produkte des chinesischen Autokonzerns Great Wall Motor (GWM) vom Band rollen. Gekauft hatten die Chinesen das Werk von Mercedes-Benz. Die Deutschen hatten die Fabrik erst im 2016 errichtet. Produziert wurde dort die C-Klasse und das GLA Kompaktmodell. Doch der Absatz blieb hinter den Erwartungen zurück, also verkauften die Schwaben im August 2021 das Werk an die Chinesen, die dadurch ihre Präsenz in Lateinamerika verstärken wollen. Im Juli kündigte der rasant wachsende chinesische Elektroauto-Hersteller BYD Investitionen in Höhe von 290 Millionen Dollar in eine Lithiumkathodenfabrik im Norden Chiles an. BYD produziert bereits in einem Werk in Bahia an der brasilianischen Ostküste.
Mehr als zehn Milliarden Euro für Brasilien
Zwei Meldungen aus einer ganzen Bandbreite von jüngsten Ankündigungen von Milliarden- und Millioneninvestitionen der Autoindustrie in Lateinamerika. Der Strukturwandel weg von Verbrennerautos hin zur Elektromobilität, als auch die immer stärker werdende chinesische Autoindustrie, die Lateinamerika als Expansions- und Produktionsmarkt identifiziert hat, sorgen für einen Investitionswettstreit in der Region. Das Portal Automotivebusiness kommentierte jüngst allein für den brasilianischen Markt: "Automobilhersteller wollen bis 2025 mehr als 50 Milliarden Real (rund 10 Milliarden Euro) in Brasilien investieren."
Gewinner sind klassische Produktionsstandorte
Gewinner dieser Entwicklung sind vor allem die klassischen Produktionsstandorte wie Mexiko und Brasilien. Sie verfügen über eine jahrzehntelange Erfahrung in der Fahrzeugproduktion und haben zudem eine räumliche Nähe zum sogenannten "Lithium-Dreieck" Argentinien, Bolivien und Chile. Hier werden rund zwei Drittel des weltweiten Lithium-Vorkommens vermutet, die für die Batterie-Produktion von E-Autos von zentraler Bedeutung sind. Auch von dort gibt es Pläne für große Investitionen: So kündigte Ford zum Beispiel eine Investition von 660 Millionen US-Dollar an, um die neue Generation des Ranger-Modells in Argentinien herzustellen.
Brasilien hofft auf Investitionen
Guilherme Mello, im brasilianischen Finanzministerium für die Entwicklung der Wirtschaftspolitik zuständig, kündigte auf Anfrage der DW an, die brasilianische Regierung plane für "die zweite Hälfte dieses Jahres, Leitlinien für Investitionen in Forschung und Entwicklung zur Herstellung nachhaltiger Fahrzeuge" zu erarbeiten. Die Aussicht auf einen wirtschaftlichen Aufschwung, einem nachhaltigen Steuersystem, einer laufenden Steuerreform und dem Vorschlag für einen ökologischen Transformationsplan "dürfte neue Investitionen in Industrien mit mittlerer und hoher Technologie anziehen", ist Mello überzeugt.
Mexiko hofft auf einen Job-Boom
In Mexiko, dem anderen klassischen Autoland Lateinamerikas, ist die Branche zuversichtlich, dass die Entwicklung neue Arbeitsplätze in der mexikanischen Autoteile- und Automobilbranche schaffen wird. Um einem Fachkräftemangel vorzubeugen, arbeitet der der Verband der Nationalen Autoteileindustrie (INA) nach eigenen Angaben an der "Aktualisierung und Schaffung von Kursen und Schulungen für bereits in der Branche tätige Personen sowie an Bildungsplänen für junge Menschen".
Auch Deutschland setzt auf Lateinamerika
"Die deutsche Automobilindustrie kann von den vorteilhaften Standortbedingungen Lateinamerikas profitieren und ist dementsprechend in Mexiko, Brasilien und Argentinien präsent", sagte eine Sprecherin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) auf Anfrage der DW. Insbesondere Mexiko mit seinem relevanten Binnenmarkt einerseits und seiner geografischen Nähe zu den Vereinigten Staaten andererseits stelle einen geeigneten Produktionsstandort für zahlreiche, auch deutsche, Automobilhersteller und Zulieferer dar: Mit Ausnahme des Rekordjahres 2019 haben den Angaben zu Folge deutsche Hersteller noch nie so viele Fahrzeuge in Mexiko hergestellt wie im vergangenen Jahr 2022 (634.300 Einheiten). "Das Produktionsvolumen deutscher Fahrzeughersteller in Mexiko hat sich im Verlauf der vergangenen 20 Jahren damit mehr als verdoppelt", so die VDA-Sprecherin.
Forderungen an deutsche und europäische Politik
Mit Blick auf die hart umkämpften Zugänge zu den Rohstoffen in Lateinamerika, erklärt der VDA weiter: "Der Zugang zu Rohstoffen sei für den Markthochlauf der Elektromobilität und damit für die Erreichung der EU-Klimaziele von höchster Bedeutung." Die in Südamerika bestehenden Lithium-Reserven seien allerdings kaum erschlossen. "Das muss sich ändern, die Reserven müssen unter Einhaltung höchster Nachhaltigkeitsstandards geborgen werden. Die EU und Deutschland müssen ihre Zusammenarbeit mit den Ländern Südamerikas im Bereich der Rohstoffgewinnung intensivieren und, wo noch nicht vorhanden, Rohstoffpartnerschaften abschließen."