Milliarden-Loch im Staatshaushalt
25. August 2009Wegbrechende Steuereinnahmen, steigende Ausgaben: Die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden sind gleich von zwei Seiten in die Zange genommen worden, sagt Prof. Winfried Fuest, beim Institut der deutschen Wirtschaft zuständig für öffentliche Haushalte, Finanz- und Steuerpolitik. "Auf der Einnahmenseite sind die konjunkturabhängigen Gewinnsteuern, beispielsweise die Körperschaftssteuer um mehr als 40 Prozent geschrumpft, und auch die Lohnsteuer ist aufgrund der Kurzarbeit zurückgegangen." Auch auf der Ausgabenseite sehe es düster aus, so Fuest: "Die Kurzarbeit kostet, der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst kostet, die Kindergeld-Erhöhung kostet."
Defizite verstckt
Doch das Loch von 17,3 Milliarden Euro im ersten Halbjahr ist nur die halbe Wahrheit. Eigentlich hätte man noch mit einem viel größeren Loch im Staatshaushalt rechnen müssen angesichts der Milliardenspritzen für die Konjunktur und der diversen Rettungspakete für die Banken. Aber diese Riesenblöcke tauchen im Staatshaushalt gar nicht auf. Sie sind in Nebenhaushalten versteckt – und das sogar ganz legal. Denn vor allem auf Druck von Frankreich ist die Europäische Union dazu übergegangen, Rettungspakete nicht mehr als Defizite zu verbuchen. Deutschland hat damit laut EU-Statistik ein Defizit von 1,5 Prozent des Bruttosozialprodukts - und damit auf wundersame Weise das Maastricht- Kriterium erfüllt.
"Darüber hinaus gibt es auch noch bestimmte Buchungsregeln", sagt Fuest. "Die Abwrackprämie zum Beispiel wird erst im zweiten Halbjahr gebucht, obwohl sie schon mehr oder weniger vergeben ist. Im zweiten Halbjahr kommt noch einiges auf den Bund zu, und dann wird natürlich das Defizit massiv nach oben schnellen." Denn auf der Einnahmenseite werden weitere Milliardenausfälle erwartet – dann nämlich, wenn die Regelungen zu Kurzarbeit auslaufen und die Arbeitslosigkeit ansteigt. "Dann wird die sehr konjunktursensible Lohnsteuer in die Knie gehen", prophezeit Fuest. "Zudem werden Gewinnsteuern noch einmal zurückgehen."
"Schmerzhafte Eingriffe" unvermeidbar
Das dicke Ende kommt also noch. Für das Gesamtjahr erwartet die Bundesregierung denn auch ein Defizit von vier Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, und im nächsten Jahr werden sogar sechs Prozent erwartet – doppelt so viel wie der Stabilitätspakt in normalen Zeiten erlaubt. Langfristig muss dieser Schuldenberg abgebaut werden, und das heißt nichts anderes als: Sparen. Doch wann fängt man damit an? Sparen mitten in der Krise ist sicher falsch. Denn wenn der Staat als Nachfrager ausfällt, ist die gerade wieder ein wenig anziehende Konjunktur gefährdet.
Doch an schmerzhaften Eingriffen geht kein Weg vorbei, sagt Prof. Winfried Fuest vom Institut der deutschen Wirtschaft: "Das Problem ist nur: Die Politiker trauen sich nicht, zu sagen: Wenn es zu Ausgabenkürzungen kommt, wird es auch um Sozialausgaben gehen. Das wird natürlich vor der Bundestagswahl niemand ernsthaft in den Mund nehmen, hier von Kürzungen zu reden, ebenso von Steuererhöhungen." Dennoch ist Fuest überzeugt, dass es nach der Bundestagswahl "schmerzhafte Eingriffe" wird geben müssen. "Man hätte vielleicht die Hausaufgaben ein bisschen früher machen sollen. Aber nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, und jetzt brauchen wir einen langen Atem."
Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Zhang Danhong