Prochorow Putin Russland
18. Januar 2012Das Russland des Michail Prochorow ist schwarz-weiß. "Schwarz" - das ist die Gegenwart. Das ist gelenkte Demokratie. Das ist Wladimir Putin. "Weiß" - das sind rechtsliberale Werte. Das ist die Zukunft. Das ist Michail Prochorow. Auf solchen Gegensätzen beruht das gesamte Zwölf-Punkte-Programm, mit dem der Milliardär die Präsidentenwahl am 4. März gewinnen will.
Die für die Zulassung seiner Kandidatur benötigten zwei Millionen Unterschriften hat Prochorow nach eigenen Angaben bereits gesammelt. Bis zum 18. Januar müssen sie der Zentralen Wahlkommission zur Prüfung vorgelegt werden. Dann wird entschieden, ob der Geschäftsmann zur Wahl antreten darf.
Ein echter Gegenkandidat?
Als Prochorow Ende 2011 seine Präsidentschaftskandidatur angekündigte, waren viele in Russland überrascht. Denn Prochorow galt zu diesem Zeitpunkt schon als politisch gebranntes Kind. Erst im Sommer des vergangenen Jahres wechselte der Großunternehmer in die Politik. Prochorow wurde zum Vorsitzenden der rechtsliberalen Partei "Gerechte Sache" gewählt und wollte bei der Parlamentswahl Anfang Dezember 2011 antreten. Dazu kam es aber nicht. Nach einem internen Streit trat Prochorow vom Vorsitz zurück und beschuldigte den Kreml, seine Partei spalten zu wollen.
Beobachter aber bezweifeln Prochorows Unabhängigkeit. Er gilt bis heute als Marionette der russischen Machtelite. Seine Rolle solle darin bestehen, die unzufriedenen Wähler in der Mittelschicht anzusprechen und so die Proteststimmung zu kanalisieren. "Ich weiß bis heute nicht, ob Prochorow wirklich ein echter Gegenkandidat ist, oder ob der Kreml den Kandidaten und den Wettbewerb gleichzeitig organisieren will", sagte der Koordinator für deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Andreas Schockenhoff, dem Fernsehsender PHOENIX. Prochorow selbst sagt zu den Vermutungen: "Nicht ich bin ein Projekt des Kremls, sondern der Kreml ist mein Projekt."
Ein Mann des Establishments
Prochorows Karriere zeigt aber, dass er ein Mann des Establishments ist. Als Sohn eines hochrangigen sowjetischen Sportfunktionärs aus Moskau hatte er gute Ausgangspositionen. Nach dem Zerfall der UdSSR machte der heute der 46-Jährige eine steile Karriere. Prochorow besuchte eine Eliteschule, studierte an einem renommierten Finanzinstitut internationale Wirtschaftsbeziehungen und übernahm Anfang der 1990er Jahre die Leitung der Onexim-Bank, einer der größten Privatbanken in Russland. Später war er Chef des sibirischen Rohstoffkonzerns "Norilskij Nickel", der zu den profitabelsten in Russland zählt.
Laut Wirtschaftsmagazin "Forbes" war Prochorow vor wenigen Jahren der reichste Mann Russlands. 2011 wurde sein Einkommen auf rund 18 Milliarden US-Dollar geschätzt. Prochorow selbst kokettiert mit seinem Reichtum. "Wer genau weiß, wie viel Geld er hat, ist kein echter Milliardär", sagte er in einem Interview. Angeblich hat er seine Posten in der Wirtschaft aufgegeben, um sich nun der Politik zu widmen.
Umfragewerte im Keller
Einige Thesen aus Prochorows Wahlprogramm dürften der Putin-kritischen Mittelschicht gefallen. So verspricht der Milliardär freie Medien und eine Privatisierung staatlicher Fernsehkanäle. Die Direktwahl von Gouverneuren und Bürgermeistern will er wieder einführen. Ferner soll der inhaftierte ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowskij endlich freikommen. Auch Prochorows Botschaft "Evolution statt Revolution" kommt bei vielen Russen gut an.
Dass Prochorow Putin wirklich gefährlich werden könnte, bezweifeln aber viele in Russland. Wirtschaftlich mag der Milliardär ein Schwergewicht sein. Politisch kann er dem Premier aber nicht das Wasser reichen. Prochorows Umfragewerte sind rund zwei Monate vor der Wahl im Keller. Nur drei bis vier Prozent der Russen würden für Prochorow stimmen. Putin dagegen liegt derzeit bei knapp 50 Prozent. Sollte es zu einer Stichwahl kommen, dann würde nicht Prochorow, sondern Kommunistenführer Gennadij Sjuganow gegen Putin antreten.
Bei der letzten großen Demonstration "Für faire Wahlen" Ende Dezember in Moskau gingen Zehntausende vor allem gegen den russischen Premier auf die Straße. Trotz seines Putin-kritischen Wahlprogramms dürfte es Prochorow aber schwer fallen, sich als Kandidat der Protestbewegung zu positionieren. Denn die meisten Demonstranten werden nicht vergessen haben, wie Prochorow vor der Dumawahl erklärte: "Ich bin kein Oppositioneller."
Autor: Roman Goncharenko
Redaktion: Markian Ostaptschuk