Militär rückt in Rio de Janeiro in Favela ein
23. September 2017Gewehrsalven und verängstigte Menschen, die vor Schüssen Schutz suchen: In der größten Favela von Rio de Janeiro ist die Gewalt zwischen Drogenbanden und den Sicherheitskräften eskaliert.
Um die Polizei im Kampf gegen schwer bewaffnete Rauschgifthändler zu unterstützen, rückten rund 950 Soldaten mit gepanzerten Fahrzeugen, Lastwagen und Hubschraubern in das Armenviertel Rocinha ein. Dort leben rund 70.000 Menschen auf engstem Raum.
Mehrere Jugendliche verletzt
Sicherheitskräfte und Gangster lieferten sich heftige Schusswechsel. In der Nähe eines Tunnels, der unter der Favela hindurchführt, wurde ein Bus in Brand gesteckt. Über Rocinha stand schwarzer Rauch. Auch in Favelas im Norden der Stadt kam es zu Feuergefechten, mehrere Jugendliche wurden verletzt. Der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Luiz Fernando Pezao, hatte zuvor den brasilianischen Verteidigungsminister, Raul Jungmann, um Hilfe gebeten.
Seit den Olympischen Spielen vor rund einem Jahr hat sich die Sicherheitslage in Rio dramatisch verschlechtert. Bereits Ende Juli waren 8500 Soldaten entsandt worden, um in der Metropole mit 6,5 Millionen Einwohnern die Macht der Drogenbanden einzudämmen. Im Bundesstaat Rio de Janeiro wurden von Januar bis Juni mehr als 2700 Menschen getötet - 10,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Touristen bleiben weg
Weil die Situation erkennbar außer Kontrolle gerät, ist auch der Tourismus eingebrochen. Die Auslastung der Hotels in Rio lag nach Behördenangaben zuletzt bei unter 50 Prozent. Sorgen bereitet auch die Alltagskriminalität. Prominentes Opfer waren zuletzt die britischen Musiker Neil Tennant und Chris Lowe, besser bekannt als Pet Shop Boys. Sie wurden vor einer Woche an der berühmten Strandpromenade Copacabana beraubt.
Rio kämpft mit enormen Finanzproblemen. Auch bei der Polizei und bei Unterstützungsmaßnahmen in den Armenvierteln wurde der Rotstift angesetzt. Viele Favelas sind rechtsfreie Räume - kriminelle Banden steuern von hier aus den Drogen- und Waffenhandel. Den größten Einfluss hat das "Comando Vermelho", das "Rote Kommando".
jj/se (dpa, afp)