Miese Stimmung unter deutschen Jugendlichen
14. Januar 2010Besonders die Selbsteinschätzung deutscher Schulkinder sei besorgniserregend, hieß es bei der Vorstellung der Untersuchung des UN-Kinderhilfswerks UNICEF am Donnerstag (14.01.2010) in Berlin. Obwohl sich das Bildungsniveau als Folge der Pisa-Studie verbessert habe, rechne jeder vierte 14-Jährige damit, nach der Schule nur Arbeit mit niedriger Qualifizierung auszuüben, teilte der Berliner Sozialwissenschaftler Hans Bertram als einer der Autoren mit.
Rund sechs Prozent der Heranwachsenden in Deutschland erleben sich der Studie zufolge als Außenseiter. Etwa elf Prozent der befragten 15-jährigen Schülerinnen und Schüler gaben an, sich "unbehaglich und fehl am Platz" zu fühlen. Etwa jeder dritte 15-Jährige sagte, dass er sich "alleingelassen" sehe. Bei der Lebenszufriedenheit insgesamt liegt Deutschland auf dem viertletzten Platz. Als "erfreulich" dagegen ermittelten die Forscher, dass der Anteil der Kinder, die die Schule nach eigenen Angaben "sehr gerne" mögen, mit 36 Prozent überdurchschnittlich hoch lag.
Die Gefahr vor Augen
In den USA, die im Gesamtvergleich von 21 Industrieländern ganz hinten rangieren, haben nur neun Prozent eine solch pessimistische Erwartung mit Blick auf ihre Zukunft. Bertram erläuterte, bei amerikanischen Jugendlichen komme trotz deutlich ungünstigerer materieller Bedingungen die Botschaft an: "Du kannst es schaffen!"
In Deutschland dagegen würden den Jugendlichen vor allem die Gefahren vermittelt nach dem Motto: "Pass auf, dass Du nicht scheiterst!" In diesem Punkt liegt Deutschland auf dem letzten Platz des Rankings.
Niederlande Spitzenreiter
Bertram und sein Mitautor Steffen Kohl haben das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in 21 Industrieländern untersucht. Danach kommt Deutschland insgesamt auf Platz acht und belegt damit einen guten Mittelplatz. Auf Rang eins liegen die Niederlande, gefolgt von Schweden und Finnland. Das Schlusslicht bilden die USA vor Großbritannien und Ungarn.
Zwar konnte die Bundesrepublik drei Plätze gut machen gegenüber 2007, als die Untersuchung erstmals erschien. Doch gebe es keinen Anlass, in den Bemühungen um eine Verbesserung der Lage nachzulassen, sagte UNICEF-Geschäftsführerin Regine Stachelhaus bei der Vorlage des Berichts.
Sorge um Alleinerziehende
Sie verwies dabei auf die schwierige Situation für Alleinerziehende in Deutschland. Der Druck, nicht in Armut abzurutschen, sei für diese Gesellschaftsgruppe "dramatisch".
Dem Bericht zufolge stehen rund zwei Millionen Kindern und Jugendlichen nur etwa 34 Prozent der finanziellen Mittel zur Verfügung, auf die ihre Altersgenossen in Familien mit zwei Elternteilen zurückgreifen können.
Ministerin verspricht Besserung
Bundesfamilienministerin Kristina Köhler, die den Bericht entgegennahm, versprach Besserung. Das Fehlen eines Elternteils dürfe kein Armutsrisiko sein, so die CDU-Politikerin. Sie sprach sich für eine substanziell bessere Förderung dieser Zielgruppe aus. Hierzu zählten ein besserer Wiedereinstieg in den Beruf, eine angemessene Kinderbetreuung, die Ausweitung des Unterhaltszuschusses sowie ein unbürokratischerer Kinderzuschlag.
In der Studie wurde die Lage der Kinder und Jugendlichen anhand von sechs Kategorien verglichen. Diese sind materielles Wohlbefinden, Gesundheit und Sicherheit, Bildung und Ausbildung, Beziehungen zu Familie und Gleichaltrigen Verhaltensrisiken sowie subjektives Wohlbefinden. Ausgewertet wurden unter anderem Daten von Eurostat, OECD, Weltbank, Weltgesundheitsorganisation, PISA und dem deutschen Mikrozensus.
Übergewicht ist ein Poblem
Deutschland hat sich in den Dimensionen Bildung, Beziehungen zu Gleichaltrigen und Familie sowie Verhalten und Risiken verbessert. Bei Gesundheit und Sicherheit liegt Deutschland im Mittelfeld.
Defizite gibt es weiter hinsichtlich der Säuglingssterblichkeit, des Geburtsgewichts der Kinder und der Impfrate. Rund zwölf Prozent der Jugendlichen im Alter von 13 und 15 Jahren in Deutschland leiden an Übergewicht und Bewegungsmangel. Das UN-Kinderhilfswerk appellierte an Bundesregierung, Länder und Kommunen, das Wohlbefinden und die Rechte der Kinder zum Maßstab ihrer politischen Entscheidungen zu machen.
Kinder dürften nicht nur aus der Perspektive ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt werden. Ihr Selbstvertrauen und ihre Rechte müssen grundlegend gestärkt werden, am besten durch Verankerung im Grundgesetz.
Autorin: Eleonore Uhlich (apn,epd,dpa)
Redaktion: Sabine Faber