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Michalski: "Die Bayern können nicht schweigen"

2. Januar 2018

Der FC Bayern reist ins Trainingslager nach Katar. Im DW-Interview kritisiert Wenzel Michalski von Human Rights Watch den Wintertrip. Er fordert eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema Menschenrechte.

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Wenzel Michalski Direktor von Human Rights Watch Deutschland
Bild: DW

DW: Wenzel Michalski, der FC Bayern reist zum achten Mal nach ins Trainingslager nach Katar. Wie beurteilen Sie die erneute Reise des Rekordmeisters?

Wenzel Michalski: Wir haben als Menschenrechtsorganisation überhaupt nichts dagegen, dass der FC Bayern München in Katar spielt oder trainiert. Aber Sie müssen als Verein und als Mitglied von großen nationalen und internationalen Verbänden wie dem DFB oder der UEFA dafür sorgen, dass sie sich nicht an Menschenrechtsvergehen beteiligen, auch nicht indirekt.

Was meinen Sie mit "indirekt"?

Die Tatsache, dass sie während ihres Aufenthaltes in Katar wahrscheinlich Bauten und die Infrastruktur nutzen, wo es Menschenrechtsverletzungen gegeben hat, verpflichtet den Klub dazu, sich öffentlich zu äußern. Da können die Bayern nicht schweigen. Das ist eine internationale Verpflichtung großer Unternehmen, Vereine und Organisationen.

Kommt der FC Bayern dieser Verpflichtung nach?

Nein. Bisher waren wir enttäuscht, dass der FC Bayern sich zu diesem Thema nicht öffentlich geäußert hat. Bayern ist ein Unternehmen, Bayern ist ein Verein mit Satzung und Werten. Und wenn sie zu diesem Thema schweigen, widerspricht das den Werten, die sie sich selbst gegeben haben. Zudem ist das mit den Werten, die sich die Sportwelt gibt - nämlich Fairness, Gleichberechtigung, gegen Ausbeutung, gegen Sklavenarbeit - nicht vereinbar. Denn alles das gibt es in Katar.

Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge bezieht sich auf Außenminister Sigmar Gabriel, der ihm "neulich bestätigt hat, dass sich die Situation der Arbeiter in Katar durch den Fußball verbessert habe". Können Sie dem zustimmen?

Katar Bauarbeiten für Fußball WM 2022 - Doha, Gastarbeiter
Menschenrechtler kritisieren "Sklavenarbeit" im GolfstaatBild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Außenminister Gabriel ist selbst mal nach Katar geflogen und hat festgestellt, dass die Zustände auf den Baustellen richtig schlimm seien. Er hat gesagt, dass er wisse, dass ihm nur Vorzeigebaustellen präsentiert wurden. Da muss es also ein Missverständnis zwischen Karl-Heinz Rummenigge und Sigmar Gabriel gegeben haben.

Es ist zwar einiges, auch positives, passiert, aber lediglich auf den Baustellen der Fußballstadien für die WM 2022. Doch das liegt daran, dass die ganze Welt eben genau auf diese Baustellen schaut und die Kritik seit Jahren sehr groß ist. Die Arbeitsbedingungen auf anderen Baustellen, die fernab der Aufmerksamkeit liegen, sind immer noch sehr bedenkenswert.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der Gastarbeiter vor Ort?

Die Situation  auf den Baustellen hat sich zum Teil zwar verbessert, allerdings nur bei großen Prestigeobjekten, wo auch internationale Firmen dran beteiligt sind. Bei anderen Baustellen können wir das noch nicht nachweisen. Da haben wir noch keine Verbesserung gesehen. Wir bekommen keine Genehmigung solche Baustellen zu besuchen, was schon einmal eigenartig ist.

Trotzdem hat sich in den vergangenen Jahren vieles verändert, allerdings meistens nur auf dem Papier. Gesetze wurden verändert, es gibt das Kafala-System nicht mehr, Firmen, die ihre Arbeiter nicht bezahlen werden zur Rechenschaft gezogen und müssen Strafe bezahlen - aber wir haben die Durchsetzung dieser neuen auf dem Papier vorhandenen Anordnungen noch nicht gesehen. Es fehlt an Transparenz und es fehlt an Beweisen, dass sich wirklich etwas verändert hat.

Vereine wie Borussia Dortmund oder auch Eintracht Frankfurt, die sich auch schon einmal in den Emiraten fit gemacht haben, sind nun in Spanien - wie bewerten Sie das?

FC Bayern München - Wintertrainingslager in Doha
Dauergast in Katar: der FC BayernBild: picture alliance/dpa/P. Kneffel

Ich finde es richtig, dort nicht mehr hinzufahren und kann das nur begrüßen. Es wäre auch vom FC Bayern eine gute Geste, diesem Beispiel zu folgen. Oder zumindest anzukündigen, dass man, wenn sich in Katar nichts nachweislich ändert, weggehen würde. Sollte der Erfolg dann sein, dass Katar das was auf dem Papier steht, auch wirklich umsetzt und zwar nachhaltig und flächendeckend - und nicht nur bei Musterbaustellen - dann wäre tatsächlich etwas gelungen, was der Sport seit vielen Jahren behauptet, aber noch nie geschafft hat. Nämlich, dass der Sport zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse führt. Bisher haben sportliche Großereignisse eher zur Verschlechterung der Lebensbedingungen in den betroffenen Ländern geführt.

Der FC Bayern lässt sich seit diesem Jahr vom "Hamad International Airport Qatar" sponsern. Was halten Sie davon?

Wenn man sich von einem Land oder einen Unternehmen sponsern lässt, wo das Risiko so hoch ist, dass im Verborgenen etwas illegales passiert oder passiert ist, dann übernimmt man eine große Verantwortung und ein großes Risiko. Und da wäre es doch im Interesse der Bayern dort einmal nachzufragen, wie beispielsweise der Flughafen entstanden ist. Und dann zu überlegen, ob sie es wirklich brauchen oder nicht. Bayern ist ja nicht gerade ein armer Verein, daher ist das Verständnis bei mir besonders gering, was diesen Sponsoring-Vertrag angeht.

Wird der FC Bayern seiner Vorbildfunktion gerecht?

Solange die Bayern nicht transparent kommunizieren und solange sie sich nicht öffentlich dafür einsetzen, dass in Katar flächendeckend Menschenrechte nach internationalen Standards für die Wanderarbeiter durchgesetzt werden, werden Sie dieser Vorbildfunktion nicht gerecht.

Wenzel Michalski ist Deutschland-Direktor der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Das Interview führte Thomas Klein.