Mexiko: Ermordet, weil sie Frauen sind
9. März 2019"Ich sage meiner Familie immer per Textnachricht Bescheid, dass ich sicher zu Hause angekommen bin", erzählt Lizbeth Sánchez, eine 44-jährige berufstätige Mexikanerin der DW. "Als Frau kann man in der Metro entführt oder auf der Straße und im Taxi überfallen werden kann. Es spielt dabei keine Rolle, wie du gekleidet bist, wo du dich gerade aufhältst oder wie spät es ist."
Die Kurzbotschaft "Ich bin angekommen" hat sich zu einer Routine-Maßnahme für Frauen in Mexiko entwickelt, da die geschlechtsspezifische Gewalt im Land noch nie so alarmierend hoch war. Laut den Vereinten Nationen werden in Mexiko täglich durchschnittlich neun Frauen ermordet.
Für Frauen ist Mexiko eines der gefährlichsten Länder der Welt. Die Grenzstadt Juárez hat sogar den traurigen Ruf die Welthauptstadt für Frauenmorde zu sein. Die Regierung zeigt sich untätig und hat keine effektiven Maßnahmen gegen die Gewalt auf den Weg gebracht. Ein Grundproblem in Mexiko sind die schwachen Institutionen. Justiz und Polizei sind korrupt und ineffizient. Daher sucht die Zivilgesellschaft nach Lösungen und schafft sich ihre eigenen Hilfsnetzwerke.
Sichere Orte für Frauen in der Nacht
Die Gastronomiebloggerin Jasmín Martínez, beispielsweise, entschloss sich #SafePlaces zu gründen, eine Initiative, die Bürger aufruft, sich aktiv für den Schutz von Frauen in der Gesellschaft einzusetzen. "Eines Nachts habe ich mich auf dem nach Hause gefragt, was ich tun könnte, wenn ich mich bedroht fühlen würde. Ich sah, dass die einzigen Orte die noch geöffnet hatten, Bars und Restaurants waren. Also kam mir in den Sinn, dass diese Orte auch Zufluchtsorte für Frauen in Not sein könnten", sagt Martínez.
Bereits 480 Lokale und Einrichtungen haben sich als "sichere Orte" eingetragen, seit Jasmín Martínez ihre Initiative im Februar dieses Jahres gestartet hat. Auch Kunstgalerien, Autohäuser, Verlage und andere Unternehmen, die einen offenen Zugang zur Straße haben, sind mittlerweile registriert. "Wir bitten dann darum die jeweiligen Mitarbeiter zu schulen, damit sie Wissen wie sie reagieren sollen, wenn eine Frau den Ort betritt und um Hilfe bittet. Die Autohäuser bieten sogar eine Transportleistung an", erzählt Martínez.
Initiativen wie diese breiten sich in der mexikanischen Gesellschaft aus. Sogar Straßenstände in der Nähe von U-Bahn-Stationen stellen Schilder auf der Straße auf. Darauf zu lesen ist: "Wenn dir jemand folgt oder dich belästigt, komme an diesen Stand. Wir helfen dir."
Aktionen gegen Gewalt gegen Frauen im Netz
Auch in den sozialen Medien mehren sich die Stimmen und Aktionen gegen Gewalt gegen Frauen. Die Facebook-Gruppe "Nos Queremos Vivas Neza" - "Wir wollen leben" wurde von Frauen in der Stadt Nezahualcóyotl, östlich von Mexiko-Stadt, nach dem Mord an einem 11-jährigen Mädchen gegründet. "Wir haben uns entschlossen, das Unrecht öffentlich anzuprangern", sagt Lupita Alvarado, Mitglied der Facebook-Initiative der DW.
Netzwerke wie diese erzeugen nicht nur eine öffentliche Wahrnehmung, sondern helfen sogar in einigen Fällen bei der Aufklärung von Fällen, die von den Behörden schon zu den Akten gelegt wurde. "Die Eltern der 12-jährigen Karina hatten uns kontaktiert. Ihre Tochter war von einem 28-jährigen Mann entführt worden, der behauptete, ihr Freund zu sein. Wir haben die Behörden unter Druck gesetzt, und als wir dann den Entführer fanden, brachten wir ihn zur Polizei. Jetzt sitzt er für acht Jahre im Gefängnis", sagt Alvarado.
Obwohl ihr die Strafe zu gering erscheint, zeigt sie sich zuversichtlich, dass Selbsthilfeaktionen wie diese eine Veränderung bewirken können, um Mexiko eines Tages sicherer für Frauen und Mädchen zu machen.