1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkwürdigkeiten bei deutsch-russischer Pipeline

Johannes Beck8. September 2005

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in Berlin Bundeskanzler Gerhard Schröder getroffen. Die beiden haben ein Abkommen über den Bau einer Ostsee-Gaspipeline unterzeichnet - im dritten Anlauf.

https://p.dw.com/p/791y
Hier soll mehr russisches Gas ankommen - quer durch die OstseeBild: dpa

Genau 1189 Kilometer Meeresboden der Ostsee trennen das russische Wyborg und das deutsche Greifswald. Wenn es nach den Plänen der beteiligten Regierungen geht, dann sollen beide Städte bis 2010 mit einer Unterwasser-Pipeline verbunden werden. Sie soll Erdgas aus dem Juschno-Ruskoje-Feld in Westsibirien nach Deutschland, eventuell auch in die russischen Enklave Kaliningrad und nach Großbritannien transportieren. Mit einer Kapazität von etwa 25 Milliarden Kubikmetern Gas im Jahr könnte die Röhre etwa ein Drittel des deutschen Jahresbedarfs decken.

Zwei Leitungen gibt es schon

Es ist allerdings ein merkwürdiges Projekt: Mit 2,4 Milliarden Euro soll die Pipeline etwa doppelt so teuer werden wie eine gleich lange Pipeline an Land. Das klingt zunächst wirtschaftlich nicht sinnvoll, zumal bereits zwei Landpipelines zwischen Russland und Deutschland namens "Polarlicht" und "Bruderschaft" bestehen, die man kostengünstig ausbauen könnte.

"Die Gründe dafür, dass man eine Unterwasserpipeline baut, sind in diesem Fall nur darin zu sehen, dass man nicht über dritte Staaten läuft. Also nicht über Belarus und Polen beziehungsweise über die Ukraine und die Slowakei", erkärt Roland Götz, Leiter der Forschungsgruppe Russland/GUS der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die direkte Verbindung spare Transitgebühren und schließe aus, dass andere Staaten die Pipeline absichtlich unterbrechen.

Drohpotenzial für Gazprom?

In der Vergangenheit sei dies bisher allerdings nur einmal und dann auch nur für ein paar Stunden passiert, als Weißrussland den Gashahn zudrehte, um den russischen Gaskonzern Gazprom bei Verhandlungen unter Druck zu setzen. Schwerer fällt ins Gewicht, dass die Ukraine in den vergangenen Jahren oft mehr Gas abgezapft haben soll, als sie eigentlich bezahlt hatte.

Dass man deshalb gleich zusätzliche Kosten von mehr als 1,2 Milliarden Euro in Kauf nimmt, ist merkwürdig. Vor allem fragt man sich, was die beteiligten deutschen Firmen E.on Ruhrgas und BASF Wintershall dazu treibt, gemeinsam mit Gazprom die Mehrkosten schultern zu wollen. "Man verspricht sich offenbar davon irgendwelche Vorteile, die aber nicht so ganz klar auf der Hand liegen", sagt Götz. "Der Hauptwunsch dürfte von Gazprom ausgehen, auf diese Weise ein gewisses Drohpotenzial gegenüber Staaten wie Belarus und Ukraine aufzubauen."

Unerklärter Partnerwechsel

Sowohl E.on Ruhrgas als auch BASF Wintershall wollten auf Anfrage der Deutschen Welle keine Auskünfte zur Pipeline geben. So bleibt unklar, warum zum Beispiel E.on Ruhrgas bei der ersten Absichtserklärung zum Bau der Pipeline im Juli 2004 in Moskau noch mit von der Partie war, bei der zweiten Absichtserklärung auf der Hannover-Messe im April 2005 aber plötzlich nicht mehr. Immerhin ist E.on doch mit mehr als 5 Prozent der größte ausländische Anteilseigner am Gaskonzern Gazprom.

Zum Zuge kam beim zweiten Mal stattdessen die BASF-Tochter Wintershall, die mit Gazprom in Deutschland gemeinsam die Vertriebsfirma Wingas betreibt. E.on war darüber gar nicht begeistert, soll nun aber nach Presseberichten doch wieder mit ins Boot kommen.

Sinnvoll für die Zukunft

Wenig Freude an der Pipeline zeigt Polen. Der neue EU-Partner fühlt sich sprichwörtlich "umgangen". Götz betont allerdings, die Pipeline füge den breiten Energiebeziehungen in Europa nur einen neuen Faktor hinzu. "Dazu kommt noch, dass der Gasbedarf in Deutschland und Europa weiter ansteigen wird, so dass diese Ostsee-Pipeline irgendwann ohnehin notwendig oder sinnvoll geworden wäre."