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Ein Festival der Liebe?

Bernd Riegert4. März 2015

In wesentlichen Politikfeldern stimmen die Bundeskanzlerin und die EU-Kommission überein. Machtspiele um die Führung in Europa gibt es, wenn überhaupt, nur hinter verschlossenen Türen. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Merkel und Juncker (Foto: REUTERS/Yves Herman)
Bild: Reuters/Y. Herman

Sie duzen sich, sie herzen sich zur Begrüßung. Die "Freundin Angela" und der "liebe Jean-Claude" zeigen ein Bild der Harmonie. Bundeskanzlerin Angela Merkel kam zum Antrittsbesuch nach Brüssel zu EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, um der versammelten EU-Kommission beim Mittagessen die europapolitischen Prioritäten des größten Mitgliedslandes zu erläutern. Ein solcher Antrittsbesuch bei den seit vier Monaten amtierenden 28 Kommissaren ist eher ungewöhnlich. Merkel und Juncker kennen sich ja bereits seit langer Zeit. Sie sind mittlerweile die dienstältesten Spitzenpolitiker auf der europäischen Bühne. Beide sind Christdemokraten, kommen persönlich miteinander klar. "Das muss man ja gar nicht mehr betonen, das ist ja, wie Kühlschränke zu den Eskimos zu tragen", sagte Angela Merkel zu ihrem Verhältnis in Brüssel.

Harmonie pur zwischen Merkel und Juncker?

Politisch lagen Merkel und Juncker aber in den vergangenen Monaten oft überkreuz. Jean-Claude Juncker, der für den Geschmack der Konservativen zu große Nähe zu den Sozialdemokraten sucht, ist nach Berliner Lesart zu nachsichtig beim Durchsetzen der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Bundeskanzlerin Merkel selbst beschwerte sich beim "lieben Jean-Claude" vor einigen Tagen telefonisch, weil er Frankreich weitere Ausnahmen beim Erreichen der Defizitgrenzen in den öffentlichen Haushalten zugesteht. "Ich habe das zur Kenntnis genommen", kommentierte Angela Merkel den Vorgang in ihrer Pressekonferenz in Brüssel. "Ich glaube, dass es in Frankreich einen Reformprozess gibt. Wir wollen Frankreich helfen", sagte die Kanzlerin. Juncker sicherte zu, Frankreich bekomme die Verlängerung der Frist nur gegen weitere Maßnahmen und Reformbemühungen.

Dass die EU-Kommission zwischen Griechenland und Deutschland im aktuellen Schuldenstreit vermitteln wollte, fand man im Bundeskanzleramt und im Finanzministerium überhaupt nicht amüsant. "Da ist Juncker überhaupt nicht zuständig, sondern die Euro-Gruppe", hieß es dazu von deutschen EU-Diplomaten. Zur Auseinandersetzung mit Griechenland blieben Merkel und Juncker einsilbig. "Es ist viel zu früh, jetzt schon über ein mögliches drittes Hilfspaket im Sommer zu spekulieren", sagte Juncker.

Merkel und Juncker vor EU-Fahnen (Foto: Reuters/Y. Herman)
Merkel: Kühlschranke zu den EskimosBild: Reuters/Y. Herman

Lauwarme Unterstützung für den "Juncker-Plan"

Jean-Claude Juncker hätte sich in den vergangenen Wochen mehr Unterstützung von Merkel für sein Lieblingsprojekt, den "Juncker-Plan" für Investitionen im Umfang von 315 Milliarden Euro, gewünscht. In Berlin wird das Vorhaben zwar verbal unterstützt, frisches Geld oder zündende Projekt-Ideen für Junckers Mannschaft blieben aber aus. In Brüssel beim Antrittsbesuch gestand Angela Merkel zu, dass der Investitionsplan "wichtig" sei und die Mitgliedsstaaten mitziehen müssten. Merkel lobte die EU-Kommission zumindest für die Geschwindigkeit, mit der sie angekündigte Vorhaben versuche, in den Tat umzusetzen. "Ich habe große Hochachtung." Der EU-Kommissionspräsident freute sich, dass Merkel "anerkennt, dass wir zügig arbeiten."

Merkel hat sich erst spät überzeugen lassen, Juncker überhaupt als neuen Präsidenten der EU-Kommission zu installieren. Im Frühjahr 2014 hätte sie gerne einen anderen Kandidaten für die europäischen Christdemokraten aufgestellt. Heute heißt es aber aus ihrer Umgebung, Juncker sei eigentlich immer schon ihr Mann gewesen. Jean-Claude Juncker wiederum hält zumindest intern nicht mit Kritik an einzelnen Staaten hinterm Berg. Der ehemalige luxemburgische Ministerpräsident setzt sich immer sehr für die Belange und die Gleichberechtigung der kleineren Mitgliedsstaaten ein. Deutschland, so kritisiert er, hinke bei Investitionen hinterher. Juncker trat für eine gemeinschaftliche Verschuldung der EU-Staaten durch Eurobonds ein, Merkel ist strikt dagegen.

"Konflikte sind mir nicht aufgefallen"

"Wir sind die EU-Kommission und nicht die Ableger oder Empfänger von Befehlen der nationalen Regierungen", hatte Jean-Claude Juncker in seiner Antrittsrede betont und sich von seinem Vorgänger José Manuel Barroso abgegrenzt, der nach Meinung vieler Beobachter in Brüssel unter der Fuchtel von Angela Merkel stand. Geht es also um einen Machtkampf zwischen Brüssel und Berlin, wer die Richtlinien bestimmt? Der Chef der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer, beklagte am konkreten Bespiel Investitionsfonds, dass da heftige Machtspiele im Gange seien. Mitgliedsstaaten und EU-Kommission behinderten sich gegenseitig, beklagte Hoyer, dessen Bank den Fonds verwalten soll. Der Präsident der EU-Kommission wollte von irgendwelchen Machtspielen nichts wissen. Er sagte in Brüssel: "Ich bewundere den Starrsinn einiger Journalisten in den überregionalen deutschen Medien, die dauernd schwerste Konflikte zwischen der Bundeskanzlerin und dem Kommissionspräsidenten ausmachen. Die sind mir nicht aufgefallen."

Deutschland und EU-Kommission wollen TTIP

Trotz unterschiedlicher Ansichten im Detail wissen die beiden erfahrenen Politiker natürlich, dass sie die nächsten Jahren miteinander auskommen müssen. Deshalb blickt man nach vorne. Angela Merkel unterstützt die Freihandels- und Investitionsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA). Sie möchte genauso wie Jean-Claude Juncker, dass das TTIP- Abkommen bis Ende 2015 schnell von der EU-Kommission ausgehandelt wird. "Es ist wichtig, dass wir uns beeilen, wenn man sieht, welche Fortschritte die USA im pazifischen Raum machen", mahnte Merkel. Beim umstrittenen Schutz von Investoren durch spezielle Gerichte müsse man "eine Balance zwischen den Interessen der Unternehmen und der Staaten" finden. Es sei klar, dass europäische Standards im Zuge der Verhandlungen nicht aufgegeben würden. "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg", so Merkel.

Neue Sanktionen gegen Russland möglich

In der Politik gegenüber Russland im Konflikt um die Ukraine sind sich Bundesregierung und EU-Kommission weitgehend einig. Wenn die Vereinbarungen von Minsk zum Waffenstillstand in der Ukraine nicht vollständig umgesetzt würden, seien die Mitgliedsstaaten der EU und die EU-Kommission bereit, weitere Sanktionen gegen Russland vorzubereiten, sagten Merkel und Juncker. Wirtschaftlicher Aufbau und Reformen in der Ukraine sollten unterstützt werden.