1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel umschmeichelt Briten beim Festmahl

13. Februar 2016

Keine steife Oberlippe: Mit warmen Worten und symbolträchtigen Gesten wirbt Angela Merkel beim Hamburger Matthiae-Mahl um Londons Verbleib in der EU. Ehrengast David Cameron zeigt sich entwaffnet.

https://p.dw.com/p/1HukU
David Cameron (links) mit Olaf Scholz und Angela Merkel (Foto: dpa)
Richtung Europa: David Cameron (links) mit Olaf Scholz und Angela MerkelBild: picture alliance/AP Photo/C. Charisius

Es war die unnachahmliche Mischung aus weltläufiger Eleganz und Bescheidenheit, die echten Hanseaten in die Wiege gelegt ist: In ihrer Geburtsstadt Hamburg, unter Kristalllüstern im Rathaussaal beim Matthiae-Mahl - dem ältesten noch gefeierten Festmahl der Welt - zeigte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihrem Gast aus Großbritannien mindestens ebenso sehr mit Bildern wie mit Worten: Wir wollen euch!

Die eindeutige Botschaft der Ansprachen zwischen den vier Gängen des Menüs: Premierminister David Cameron, dem die Ehre dieses Abends zuteilwurde, und seine Briten sind alles andere als geschmäcklerische EU-Mitglieder, die eine Union à la carte favorisieren und sich nur die Rosinen herauspicken wollen. Bei Camerons Plänen, so Merkel, gehe es keineswegs um rein britische Interessen. "Ganz im Gegenteil, wenn es uns gelingt, diese Anliegen in eine europäische Form zu gießen, dann glaube ich, kann das Europa als Ganzes zugute kommen", sagte die Kanzlerin.

Merkel (im roten Blazer) mit Ehrengästen (Foto: dpa)
Keine Union à la carte: Merkel (im roten Blazer) mit EhrengästenBild: picture alliance/AP Photo/C. Charisius

Der Besuch des Premiers an der Alster ist auch ein diplomatisches Aufwärmtraining vor dem Gipfelmarathon, der in der kommenden Woche erwartet wird, wenn die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Donnerstag und Freitag in Brüssel zusammentreffen. Dort wollen sie eine Lösung im Streit mit der Insel finden. Die Briten pochen auf Reformen der EU. Strittig ist vor allem die Forderung nach einer Art Veto-Recht für Nicht-Euro-Länder bei künftigen Entscheidungen der Eurozone - und die Frage, wie lange es London erlaubt sein soll, Sozialleistungen für Bürger aus anderen EU-Ländern zu kappen.

Wasser im Wein

Merkel verbreitete Optimismus, goss aber auch etwas Wasser in den Wein. Der bisherige Verlauf der Gespräche stimme sie zuversichtlich, dass eine Einigung möglich sei, "ohne dass ich schon voraussagen möchte, wie viele Stunden ich vom Donnerstag zum Freitag schlafe - aber wir sind lösungsorientiert". Bei dem Matthiae-Mahl im Großen Festsaal, zu dem die Regierenden seit 1356 einladen, kündigte Merkel zugleich an, dass Hamburg im Jahr 2017 Gastgeber eines anderen Spitzentreffens, nämlich des G20-Gipfels, sein wird.

Eindringlich warb die Kanzlerin für einen Verbleib Großbritanniens in der EU: "Ich wünsche mir, dass das Vereinigte Königreich auch in Zukunft ein aktives Mitglied in einer erfolgreichen Europäischen Union ist und bleibt." Cameron antwortete konziliant. Er wolle nicht, dass sein Land "die Zugbrücke hoch- und sich aus der Welt zurückzieht". Der Besucher beschwor die Handels- und Wertegemeinschaft Europas ebenso wie gemeinsame deutsch-britische Interessen, etwa in puncto solider Finanzpolitik, Bürokratieabbau und Sicherheit.

Großer Festsaal im Hamburger Rathaus vor dem Matthiae-Mahl (Foto: dpa)
Tradition seit 1356: Großer Festsaal im Hamburger Rathaus vor dem Matthiae-MahlBild: picture alliance/dpa/L. Schulze

Wenn alle mitarbeiteten, werde er aus voller Überzeugung seinen Landsleuten empfehlen, für einen Verbleib in der reformierten EU zu votieren, so der Premier. Cameron will das Volk möglicherweise noch in diesem Jahr über einen "Brexit", also einen Austritt aus der Union, abstimmen lassen. Dass es dazu nicht kommt, hofft auch Hamburgs Regierender Bürgermeister Olaf Scholz. "Großbritannien ist in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht zu ersetzen", betonte der stellvertretende SPD-Vorsitzende. "Wir wollen und können auf London nicht verzichten."

Der Charmeoffensive erlegen

Vor den 400 geladenen Gästen schmeichelte Scholz dem Ehrengast: "Europa würde es sehr gut tun, etwas britischer zu werden." Und Cameron zeigte sich ob des warmen Empfangs im kühlen Norden alles andere als britisch-reserviert. Er vergaß die steife Oberlippe und gab sich der Charmeoffensive zumindest rhetorisch geschlagen: "Als Angela sagte, sie wolle mich zum Abendessen in ihre Geburtsstadt einladen, hatte ich keine Vorstellung davon, dass sie sich solche Mühe gibt."

jj/haz (dpa, afp, rtr)