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Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine

Claudia Witte, Genf 18. Juni 2014

Die Menschenrechtsbeobachter der Vereinten Nationen zeichnen in ihrem dritten Bericht zur Ukraine ein düsteres Bild der Lage in Donezk und Luhansk. Auch die Entwicklungen auf der Krim beunruhigen sie.

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Ein Kämpfer in Luhansk auf einem gepanzerten Fahrzeug (Foto: Reuters)
Ein Kämpfer in LuhanskBild: Reuters

In Teilen der Ostukraine hat sich die Menschenrechtslage in den vergangenen Wochen weiter verschlechtert. Die Hoffnung, dass sie sich nach der Präsidentschaftswahl entspannen würde, hat sich bislang nicht erfüllt. Das Gegenteil ist der Fall: Bewaffnete Separatisten schaffen ein Klima der Einschüchterung und der Angst, unter dem immer mehr Menschen leiden. Zu diesem Schluss kommt der neue Ukraine-Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte. "Die Eskalation von kriminellen Aktivitäten, die zu Menschenrechtsverletzungen führt, richtet sich nicht mehr nur gegen Journalisten, gewählte Volksvertreter oder örtliche Politiker, sondern betrifft inzwischen weite Bevölkerungskreise", sagt Gianni Magazzeni, Chef der Abteilung Amerika, Europa und Zentralasien im Genfer Hochkommissariat. "Wir sprechen hier von Entführungen, Gefangennahmen, Misshandlungen, Folter, Tötungen durch die bewaffneten Gruppen."

Erschossene Zivilisten

Auf 58 Seiten listet der Bericht Punkt für Punkt auf, was sich zwischen dem 7. Mai und dem 7. Juni in der Ukraine zugetragen hat. Dies ist der dritte monatliche Bericht der 34-köpfigen Beobachtermission des Hochkommissariats für Menschrechte über die Ukraine. Für ihre Recherchen nehmen die Beobachter vor Ort erhebliche Sicherheitsrisiken in Kauf. Ihr Anliegen ist, Fakten von Gerüchten, Falschmeldungen und Propaganda zu trennen.

Der gewaltsame Konflikt hat im Untersuchungszeitraum in den Regionen Donezk und Luhansk 356 Tote gefordert, heißt es im Bericht. 257 der Getöteten waren Zivilisten, darunter 14 Kinder. Es passiere schnell, dass jemand in den Brennpunkten des Ukraine-Konflikts sein Leben verliert, erklärt Gianni Magazzeni: "Der Bericht listet Fälle von Menschen auf, die an Checkpoints nur deshalb getötet wurden, weil sie nicht rechtzeitig gebremst haben. Menschen wurden erschossen, weil sie die staatlichen Sicherheitskräfte mit Essen versorgen wollten oder weil sie nicht mehr bereit waren weiterzukämpfen."

Gianni Magazzeni, Chef der Abteilung Amerika, Europa und Zentralasien im Genfer UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (Foto: DW/Witte)
Gianni Magazzeni: "Kriminelle Aktivitäten betreffen breite Bevölkerungskreise"Bild: DW/C. Witte

Grausamkeiten gegen Gefangene

Entführungen und Gefangennahmen sind an der Tagesordnung. Der Menschenrechtsbericht listet 222 Fälle von Entführungen auf. 81 Personen seien bis heute verschwunden, vier getötet und 137 freigelassen worden. Die Beobachter haben die Freigelassenen nach ihren Erlebnissen befragt.

"Einige sprechen von Schlägen, von Schlafentzug, von unmenschlichen Haftbedingungen, Zwangsarbeit und dem Druck der Vertreter der selbsternannten Regierung, die Seiten zu wechseln und selbst an der Entführung weiterer Menschen teilzunehmen", sagt Gianni Magazzeni. "Es gibt auch Fälle, in denen ein Lösegeld für die Freilassung verlangt wurde."

Magazzeni betont, dass nicht die gesamte Ostukraine vom Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung betroffen ist. Es handele sich vielmehr um einzelne Gebiete, Stadtteile und Gebäude in den Regionen Donezk und Luhansk, in denen die bewaffneten Separatisten Angst und Schrecken verbreiteten.

Diskriminierung von Ukrainern auf der Krim

Der Bericht beleuchtet auch die Lage auf der Krim, wo sich seit der Annexion durch Russland die Lebensumstände für die Ukrainisch sprechende Bevölkerung verschlechtert haben. Diskriminierungen seien an der Tagesordnung.

"Viele Bewohner fühlen sich bedroht, weil sie die ukrainische Sprache benutzen wollen. Sie fühlen sich unter Druck gesetzt, ihre ukrainische Staatsbürgerschaft abzugeben", so Gianni Magazzeni. "Viele, die im Rechtswesen, in der öffentlichen Sicherheit oder im Erziehungsbereich arbeiten, wurden gezwungen, ihre Kündigung einzureichen."

Einladung an den Verhandlungstisch

Der Bericht endet mit konkreten Empfehlungen, wie eine Deeskalation der Lage erreicht werden könnte. Die zentrale Forderung an alle Beteiligten ist, sich gemeinsam an den Verhandlungstisch zu setzen und einen Dialog aufzunehmen. Gianni Magazzeni wendet sich direkt an Kiew: "Wir hoffen, dass die neue Regierung unter Präsident Petro Poroschenko den Respekt für die Menschenrechte, die Korruptionsbekämpfung und die Lösung anderer Probleme, die die Grundursache für die gewaltsamen Zusammenstöße am Maidan von November bis Februar waren, zu ihrer Priorität macht."

Der ukrainische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Juri Klymenko - links im Bild auf einer Konferenz (Foto: Reuters)
Juri Klymenko (l.): "Wir nehmen den Bericht sehr ernst"Bild: Reuters

Die ukrainische Regierung begrüßt den Menschenrechtsbericht. Juri Klymenko, Botschafter der Ukraine bei den Vereinten Nationen in Genf, erklärte: "Wir nehmen diesen Bericht und die darin enthaltenen Empfehlungen sehr ernst." Man werde die Empfehlungen gründlich analysieren - mit dem Ziel, sie auch umzusetzen.