Menschenrechte und Wirtschaft: Merkel trifft kasachischen Präsidenten
1. Februar 2007Es ist bereits der fünfte Deutschland-Besuch Nasarbajews. Bundeskanzlerin Angela Merkel hob das nach dem Gespräch mit dem Präsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, ausdrücklich hervor, um die engen Beziehungen beider Länder zu unterstreichen. "Wir haben eine deutsche Minderheit in Kasachstan, die so etwas wie eine Brückenfunktion ist. Ein Abgeordneter der deutschen Minderheit ist hier heute dabei, der sogar den gleichen Nachnamen trägt wie ich", sagte Merkel.
Europäer bewerben sich um Kooperation
Neben dem menschlichen spielen natürlich die wirtschaftlichen Perspektiven eine treibende Rolle für das große gegenseitige Interesse - aus europäischer Sicht vor allem das Erdöl und die anderen Rohstoffe der Region. Bundeskanzlerin Merkel macht keinen Hehl daraus: "Wir haben ja sehr bewusst die Kooperation mit Zentralasien an eine wichtige Stelle während unserer Ratspräsidentschaft gesetzt. Wir glauben, dass die zentralasiatische Region umworben ist, von China, von Russland, und wir wollen als Europäer auch durchaus Bewerber für eine Kooperation sein."
Einseitig sind die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan keineswegs, unterstreicht Präsident Nursultan Nasarbajew. So gebe es einerseits 700 deutsche Firmen in Kasachstan, die zwei Milliarden Dollar investiert hätten: "Das kasachische Geld floss aber auch nach Deutschland. Unsere Investitionen in Deutschland betragen insgesamt 1,5 Milliarden Dollar. Unser Kupferunternehmen hat in Leipzig ein großes metallurgisches Werk gekauft. Also, unsere Wirtschaftsbeziehungen werden immer stärker", erklärt Nasarbajew.
Nasarbajew: "Wir sind zum Dialog bereit"
Um Demokratie und Menschenrechte steht es in Kasachstan besser als in vielen anderen zentralasiatischen Staaten. Dennoch gibt es immer wieder Kritik von Menschenrechts-Organisationen. Darauf angesprochen, antwortete Nasarbajew: "Wir sind bereit, offen über diese Frage zu sprechen. Sie ist richtig. Ich denke aber, dass wir in den letzten Jahren viele Probleme, die uns zum Vorwurf gemacht wurden, gelöst haben. Kasachstan hat auf dem postsowjetischen Raum - abgesehen von den baltischen Ländern - eine Vorreiter-Rolle eingenommen, sowohl bei wirtschaftlichen als auch politischen Reformen."
Es gebe in Kasachstan heute freie Wahlen, keine politischen Gefangenen und keine Zensur, betonte Nasarbajew. Er stellte fest: "Das Wichtigste ist, dass wir heutzutage die Stabilität und Sicherheit für 130 Nationalitäten und 46 Religionen gewährleisten können. Wo sonst auf der Welt gibt es so etwas?"
Ein Problem sei, dass die an sich guten Gesetze vom Rechtssystem noch nicht immer richtig angewandt würden, erläuterte Nasarbajew der Presse und zuvor der Kanzlerin. Diese berichtete von einem sehr offenen Gespräch über Fragen der Menschenrechte. Merkel sagte: "Ich fand, dass wir ohne jede Schwelle darüber reden konnten. Ich habe auch Unterstützung angeboten, wenn es um die ganze Frage der Rechtssprechung und auch der Rechtsstaatlichkeit geht und gesagt, dass wir gerne auf diesem Gebiet kooperieren können."
Diskussion um kasachischen OSZE-Vorsitz
Das Thema ist für Kasachstan schon deshalb wichtig, weil es den Vorsitz der OSZE - also der auf Menschenrechts-Standards beruhenden Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa - im Jahr 2009 anstrebt. Nasarbajew: "Wir sind Deutschland dankbar für seine Unterstützung und für seine Kritik. Wenn wir wirklich die Führungsrolle in der OSZE übernehmen wollen, verpflichten wir uns automatisch auf deren Standards. Wenn wir unsere Wirtschaft und unsere Unabhängigkeit gestärkt haben, werden wir nächste Schritte in diese Richtung unternehmen."
Die deutsche Regierungschefin äußert sich noch zurückhaltend zu dem Wunsch Kasachstans: "Wir sagen, wenn die Reformen fortgesetzt werden - und hier will Deutschland durchaus auch kooperativ sein - dass wir uns dann auch durchaus eine Präsidentschaft in der OSZE vorstellen können."
Für die Bundesregierung wie für die Europäische Union ist eine gute Zusammenarbeit mit Kasachstan gerade auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit wichtig - wegen ihrer Vorbildfunktion für andere Staaten Zentralasiens, in denen die Menschenrechte teilweise mit Füßen getreten werden, mit denen man aber gerne ebenfalls kooperieren möchte. Allein schon wegen der Rohstoffe.
Peter Stützle
DW-RADIO, 31.1.2007, Fokus Ost-Südost