Stichwort: Meinungsfreiheit
16. Dezember 2009Die Definition
Es geht um das Recht zu demonstrieren und frei im Internet zu surfen und zu bloggen. Es geht um das Recht, Leserbriefe zu schreiben und zu veröffentlichen, unzensiert Radio zu hören und Fernsehen zu gucken. Es geht um das Recht auf freie Kunst: das alles ist Meinungsfreiheit.
Meinungsfreiheit heißt, dass der Mensch ein Recht darauf hat, seine Meinung frei zu äußern - in Wort, Schrift und Bild. Nach westlichem Verständnis, geprägt durch das Zeitalter der Aufklärung, ist die Meinungsfreiheit eine Säule der Demokratie. Eine lebendige Herrschaft des Volkes ist nur möglich, wenn die Menschen wirklich frei sind, das zu sagen, was sie denken und fühlen, ohne Angst vor Bestrafung zu haben. Nur so können sich die Bürger auf Augenhöhe mit der Staatsmacht auseinandersetzen.
Die Geschichte
Untrennbar mit dem Recht auf Meinungsfreiheit ist das Recht auf Pressefreiheit verbunden. "Die Freiheit der Presse ist eines der Bollwerke der Freiheit." So steht es schon in Artikel 12 der "Virginia Declaration of Rights" von 1776. Sie ist die Grundlage für die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und für die heutige Verfassung der USA. Die französischen Revolutionäre von 1789 bezeichnen die Meinungsfreiheit in Artikel 11 ihrer "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" als "eines der vornehmsten Rechte der Menschen". Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen schützt die Meinungsfreiheit heute in Artikel 19: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."
Es ist müßig, an dieser Stelle alle Länder aufzuzählen, die die Presse- und Meinungsfreiheit mit Füßen treten. In Deutschland garantiert Artikel 5 des Grundgesetzes die Presse- und Meinungsfreiheit mit ganz ähnlichen Worten wie die UN-Charta. In einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1958 (Lüth-Urteil) hat das Karlsruher Bundesverfassungsgericht die überragende Bedeutung aber mit starken Worten noch präzisiert: "Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Rechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend."
Der "11. September der Meinungsfreiheit"
Aber wo sind die Grenzen der Meinungsfreiheit? Diese Frage ist besonders nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen im September 2005 weltweit kontrovers diskutiert worden. Viele Muslime fühlten sich damals durch die Karikaturen ihres Propheten Mohammed in ihren religiösen Gefühlen und in ihrer Ehre verletzt.
Auch in Deutschland sprachen führende Repräsentanten der Muslime vom "Missbrauch des Rechts auf Meinungsfreiheit". In mehreren Ländern kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. In den westlichen Medien kam es danach zu Akten der Selbstzensur. Der damals verantwortliche Feuilleton-Chef der dänischen Tageszeitung "Jyllands-Posten", die die zwölf Mohammed-Karikaturen als erste veröffentlicht hatte, bekam wie andere Kollegen auch Morddrohungen. Flemming Rose spricht deshalb in einem rückblickenden Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vom "11. September der Meinungsfreiheit".
Meinungsfreiheit in Gefahr
In Deutschland darf die Meinungs- und Pressefreiheit nur eingeschränkt werden, wenn andere hohe Verfassungsgüter bedroht sind: die persönliche Würde und Ehre eines Menschen, die Sicherheit des Staates oder der besondere Schutz von Kindern und Jugendlichen.
Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" warnt allerdings davor, dass die aufgeklärten, westlichen Demokratien dabei seien, ihre "langjährige Vorbildfunktion" in der Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit zu verlieren. Deutschland steht in der aktuellen "Rangliste der Pressefreiheit 2009" nur noch auf Rang 18. Ein Kritikpunkt ist die Medienkonzentration in wenigen Händen. Aber die "Reporter ohne Grenzen" kritisieren besonders, dass das Bundeskriminalamt inzwischen stark erweiterte Möglichkeiten für Online-Durchsuchungen hat. Auch Telefonate von Journalisten dürfen nach richterlicher Genehmigung inzwischen abgehört werden. Damit sei das Vertrauensverhältnis zwischen Journalisten und Informanten empfindlich gestört, empört sich auch der Deutsche Journalistenverband. Das schränke die Möglichkeiten zur kritischen Berichterstattung in Deutschland ein - und damit die Meinungsfreiheit.
Dass das hohe Gut der Meinungs- und Pressefreiheit unter den Gesetzesverschärfungen zur Terrorabwehr leidet, ist in allen westlichen Demokratien zu beobachten. Wo die Meinungsfreiheit ihre Grenzen hat und wo die Terrorabwehr, ist noch nicht entschieden.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Dеnnis Stutе