Zum Glück bin ich schon vergangenen Winter an Krebs erkrankt. Zum Glück mussten meine Therapien nicht verschoben werden. Zum Glück hatte ich Brustkrebs, als die Infektionszahlen noch nicht so hoch waren wie heute. Mir zerreißt es das Herz, wenn ich lese, dass Tumor-Operationen und andere Therapien aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden müssen. Das ist unfair. Und grausam.
Niemand weiß, warum Menschen Krebs bekommen und andere nicht. Es gibt zwar Faktoren, die eine Erkrankung begünstigen - aber sicher sagen kann es niemand. Wie sagte meine Ärztin so schön: Wenn nur Frauen mit ungesunder Lebensweise Brustkrebs bekämen, würden hier ja nur übergewichtige, unsportliche oder alkoholabhängige Patientinnen sitzen. Aber dem ist ja nicht so.
Andere müssen zurückstecken
Warum Menschen in diesen Wochen in Mitteleuropa schwer an COVID-19 erkranken, ist hingegen klar: Die meisten von ihnen haben sich nicht impfen lassen. Oder sie haben aufgrund ihres Alters oder von Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko schwer an Corona zu erkranken und ihre letzte Impfung ist schon zu lange her.
Das heißt: Menschen, die sich gegen eine Erkrankung schützen könnten, tun es nicht. Viele von ihnen landen stattdessen auf Intensivstationen. Weil ihre Erkrankung unglaublich akut und lebensbedrohlich ist, müssen andere Patientinnen und Patienten zurückstecken. Deren Erkrankungen sind zwar ebenfalls lebensbedrohlich, aber eben nicht so akut. Das ist in höchstem Maße ungerecht und das Gegenteil von solidarisch.
Nachdem ich meine Brustkrebs-Diagnose erhalten hatte, fühlte ich zum ersten Mal, wie es ist, wirkliche Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu haben. Zum einen gab es damals noch keine Impfung. Zum anderen wurde durch die Chemotherapie mein eigentlich junges und gesundes Immunsystem unterdrückt. Das war eine schreckliche und beklemmende Zeit. Mein Glück war, dass ich vor einem Jahr von Pflegekräften umsorgt worden bin, die noch nicht vollkommen übermüdet und erschöpft waren. Dass immer mehr dieser Menschen in den zurückliegenden Monaten ihren Beruf aufgegeben haben, ist auch eine dramatische Folge der Coronakrise.
Wie viele sterben wegen Corona?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wissen will, wie viele Menschen schwer an Krebs oder anderweitig lebensgefährlich erkranken, weil sie aus Angst vor Ansteckung nicht rechtzeitig zu Vorsorgeuntersuchungen gegangen sind. Oder wie viele sterben müssen, weil sie jetzt nicht mehr unmittelbar therapiert werden können.
Ich möchte mich nicht darüber aufregen, dass sich manche Menschen nicht gegen COVID impfen lassen - jeder und jede einzelne von ihnen mag Gründe dafür haben. Ich weiß auch, dass es einen ganz kleinen Teil gibt, der sich nicht impfen lassen kann - aus gesundheitlichen Gründen.
Aber sich auf Verschwörungstheorien, mehrfach widerlegte Falschinformationen oder einfach auf den Zorn auf "die Regierung" zu berufen und sich aus Trotz, Faulheit oder Ignoranz nicht impfen zu lassen - das macht mich fassungslos. Wo soll das denn hinführen? Dass wir ewig in dieser Pandemie leben, ohne Erlebnisse und Begegnungen, die das Leben besonders machen?
Es kann auch die Liebsten treffen
Wem die Bilder aus den Kliniken, von den beatmeten Patienten oder die Hilferufe der Ärztinnen oder des Pflegepersonals nicht als Argument für eine Impfung reichen, sollte sich vielleicht einmal vorstellen, wie es wäre, wenn das eigene Kind eine schwere Diagnose erhält. Und es dann nicht direkt optimal versorgt werden kann, weil die Intensivstationen überfüllt sind. Es muss nämlich gar nicht um einen selbst gehen - es kann auch die Liebsten treffen.
Leider lässt sich die aktuelle Infektions- und Krankheitswelle mit Impfungen nicht mehr brechen. Aber die zwangsläufig kommenden Wellen können wir damit weniger schrecklich werden lassen. Hoffentlich haben dann auch die Krebs-, Infarkt- und Schlaganfallpatienten wieder mehr Glück - und können adäquat behandelt werden.