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Störgeräusche um Tadej Pogacar

18. Juli 2021

Die Tour de France endet mit dem überlegenen Sieg von Tadej Pogacar - und mit viel Raunen im Peloton. Neue Doping- und sogar Motordoping-Gerüchte machen die Runde. Das erinnert an alte Zeiten, kommentiert Joscha Weber.

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Tour de France | 18. Etappe | Tadej Pogacar
Weit voraus: Tadej Pogacar fuhr in einer eigenen Liga bei dieser TourBild: Daniel Cole/AP Photo/picture alliance

Die Tour de France ist eine der härtesten sportlichen Prüfungen der Welt. Drei Wochen Ausdauerleistung, gepaart mit extremen Belastungsspitzen im Sprint oder am Berg sowie mit waghalsigen Abfahrten im Gebirge. All das endet nach 3414 Kilometern mit einem Sieg von geradezu spielerischer Leichtigkeit. Tadej Pogacar, das Talent aus Slowenien, gewinnt nicht nur die zweite Tour de France, an der er teilnimmt. Er dominiert sie in einer Art, die Vergleiche mit dem großen Eddy Merckx hervorruft - und zwar von keinem geringeren als dem "Kannibalen des Radsports" selbst. "Ich sehe in ihm den neuen Kannibalen. Er ist extrem stark. Ich denke, er wird in den kommenden Jahren die Tour mehrmals gewinnen", sagt Merckx.

Tadej Pogacar beeindruckt. Mit mehr als fünf Minuten Vorsprung erreichte der erst 22-Jährige die Champs-Élyées - eine Dimension, die noch andere Vergleiche hervorruft. Solche Abstände zum Rest kennt man aus der dunklen Ära des Lance Armstrong. Der Amerikaner war der letzte vor Pogacar, der in einer anderen Liga als alle anderen fuhr. Auch Pogacars einziger Moment der Schwäche während dieser Tour de France war eigentlich einer der Stärke: Am Mont Ventoux konnte er kurzzeitig seinem Rivalen Jonas Vingegaard nicht folgen, fuhr das "Loch" dann aber bergab schnell wieder zu. Den Rest des Rennens kontrollierte er souverän. 

Die Schatten der Vergangenheit

Weber Joscha Kommentarbild App
DW-Redakteur Joscha Weber: "Für Pogacar gilt die Unschuldsvermutung, doch es gibt Indizien, die Zweifel schüren"

Überlegenheit ist noch lange keine Basis für ein Urteil, das vergessen viele Beobachter des Radsports. Und es gilt die Unschuldsvermutung. Die Leistungsentwicklung des Slowenen ging in den letzten Jahren kontinuierlich nach oben, schon in den Nachwuchsklassen zeigte er sein außergewöhnliches Talent und setzte seinen Siegeszug bei den Profis dann fort. Zudem fehlten die stärksten Widersacher: Egan Bernal ließ die Tour aus, Primoz Roglic gab nach einem Sturz auf. Und doch gibt es Indizien, die Zweifel schüren.

Das Umfeld

Seine Entourage hat keinen guten Ruf. Sein Teamchef bei UAE Emirates, Mauro Gianetti, lag als aktiver Profi mehrere Tage im Koma, nach mehreren Quellen aufgrund von Dopingmittel-Einnahme. Das Team, das er zuvor managete (Saunier-Duval), sorgte für eine ganze Reihe an Dopingfällen. Auch Joxean Matxin, heute Manager bei Pogacars Team, war als sportlicher Leiter einer der Strippenzieher beim Skandalteam Saunier-Duval. Und auch einer der engsten Wegbegleiter Pogacars hat eine Dopingvergangenheit: Sein Mentor und sportlicher Leiter Andrej Hauptman, der ihn vor zehn Jahren bei einem Kinderrennen entdeckte, wurde als Fahrer im Jahr 2000 wegen überhöhter Blutwerte von der Tour ausgeschlossen. Namen, die kein Vertrauen wecken.

Es ist das alte Problem des Radsports: Er wird die Schatten seiner Vergangenheit nicht los. Das Doping-belastete Personal darf bleiben und zieht weiter die Strippen. Nach Recherchen der DW werden neun von 23 Tour-de-France-Teams von Managern geleitet, die früher selbst gedopt haben oder in Dopingaffären verstrickt waren. 16 der 23 Mannschaften hatten bereits Dopingfälle in ihren Reihen.  

"Verdächtige Geräusche"

Nun gibt es neue Zweifel: Die französische Polizei durchsuchte das Hotel des Teams Bahrain Victorious, nachdem mehrere Vorwürfe gegen die Mannschaft laut wurden. Es rumort heftig im Peloton, manche Fahrer sehen eine neue Ära der Leistungsmanipulation aufziehen, beschuldigen ihre Konkurrenten des Dopings. Der Leistungsunterschied mancher Teams zum Rest des Feldes sei ebenso eklatant wie verdächtig. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar über Spritzeneinsatz im Rennen berichtet, wenn die Kameras gerade nicht in der Nähe sind. So laut wie jetzt waren Gerüchte und Anschuldigungen lange nicht im Profiradsport.

Tour de France | 19. Etappe Albertville - Saint-Gervais
Unzureichende Kontrollen? Ein UCI-Mitarbeiter kontrolliert ein Rad auf versteckte MotorenBild: Augenklick/Roth/picture alliance

Und sogar Vorwürfe von Motordoping stehen im Raum: Drei anonyme Fahrer berichteten der Schweizer Zeitung Le Temps von "verdächtigen Geräuschen" aus der Hinterradnabe mancher Fahrer. "Es ist ein eigenartiges, metallisches Geräusch, wie eine schlecht eingestellte Kette. So was habe ich noch nie gehört", berichtet ein Profi während der Tour. Der Vorwurf, der dahinter steht: Geheime Zusatzmotoren sollen die Rennräder beschleunigen. Diese blieben bisher aber vom Weltverband UCI unentdeckt. Unter den verdächtigen Teams ist auch der UAE-Rennstall von Tadej Pogacar.

Beweise gibt es keine gegen Pogacar, weder lieferte er einen positiven Dopingtest ab noch stießen Fahnder auf seinen Namen bei den zuletzt aufgedeckten Doping-Netzwerken. Doch dies galt jahrelang auch für einen der letzten Dominatoren der Tour: Lance Armstrong.