Putin und Erdogan als Gewinner in Berg-Karabach
Der neu entflammte Krieg in Berg-Karabach ist nach knapp anderthalb Monaten zu Ende. Die in der Nacht zu Dienstag von Aserbaidschan, Armenien und Russland überraschend verkündete Waffenstillstandsvereinbarung beendet nicht nur die Kampfhandlungen. Sie verändert den bisherigen Status-Quo im Südkaukasus.
Das Abkommen sieht vor, dass Aserbaidschan in den kommenden Wochen die Kontrolle über große Teile seiner früheren, mehrheitlich von Armenien bewohnten und seit mehr als 30 Jahren abtrünnigen Provinz Berg-Karabach und der umliegenden Bezirke wiederherstellt. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew präsentiert sich als strahlender Sieger. Gewonnen haben aber auch die Türkei, die Baku unterstützt hat, und vor allem Russland, das nun seine Friedenstruppen in Berg-Karabach stationiert. Beide haben ihren Einfluss in der Region ausgebaut.
Ansatz einer friedlichen Lösung gescheitert
Armenien und die von ihr unterstütze und international nicht anerkannte Republik Berg-Karabach sind die Verlierer. Aber nicht nur sie allein. Verloren hat vor allem die Diplomatie. Seit fast drei Jahrzehnten wurde im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach Lösungen gesucht - ohne Erfolg in der Sache. Der Konflikt um Berg-Karabach wurde 1994 lediglich eingefroren.
Das konnte man zwar auch als Erfolg bewerten, doch die zuständige "Minsker Gruppe" der OSZE, angeführt von Russland, USA und Frankreich, erwies sich zunehmend als machtlos. Es gab unzählige Friedensvorschläge, die mal von Aserbaidschan, mal von Armenien abgelehnt wurden. Bis Baku sich stark genug fühlte, um zu beweisen, dass eine "militärische Lösung" doch möglich sei, wie es Alijew formulierte. Nun triumphiert er und der vom Westen propagierte Ansatz von friedlichen Lösungen für eingefrorene Konflikte liegt in Trümmern.
Als der Krieg in Berg-Karabach Ende September erneut begann, beschränkte sich die OSZE auf routinierte Aufrufe zum Ende der Gewalt. Doch wenn Diplomatie derart halbherzig betrieben wird, kann sie nur verlieren. Nach Wochen erbitterten Kämpfen hat Aserbaidschan neue Tatsachen geschaffen. Jetzt wurde ohne die OSZE ein Durchbruch erzielt und es stellt sich die Frage, ob man vor diesem Hintergrund die "Minsker Gruppe" überhaupt noch braucht. Zu sagen in Berg-Karabach hat diese Struktur nicht mehr viel. Möglich, dass jetzt neue Formate ins Leben gerufen werden, bei denen wohl auch die Türkei mit dabei sein wird.
Der Westen lässt Putin machen - wieder einmal
Und Russland? Der Präsident Wladimir Putin hat wieder einmal vorgeführt, dass er sein Militär als politisches Instrument einsetzen kann und will. Auch dann, wenn er sich zunächst demonstrativ zurückhält und andere machen lässt - in diesem Fall Ilham Alijew. Armenien ist zwar mit Moskau militärisch verbündet, doch Russland mische sich in den Konflikt nur dann ein, wenn armenisches Territorium vom Krieg betroffen werde, hieß es unterkühlt aus Moskau - wochenlang.
Erst als aus russischer Sicht die Bedingungen günstig waren, griff der Kreml ein. Putin ging es zum einen darum, den armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan zu schwächen. Paschinjans Weg an die Macht führte über eine Straßenrevolution, die Moskau nur zähneknirschend akzeptiert hatte. Zum anderen sah Russland eine gute Gelegenheit, endlich eigene Truppen in der Region zu stationieren - zusätzlich zum bestehenden Stützpunkt in Armenien. Jerewan war jahrelang gegen russische Friedentruppen und musste angesichts einer drohenden Niederlage in Berg-Karabach zustimmen. Der Westen überließ dabei Putin erneut das Feld - wie schon in Georgien, der Ukraine und Syrien.