Warum Liz Truss nach einer Woche, in der sie von Parteikollegen und -kolleginnen als "Totalausfall" bezeichnet wurde, noch die Chuzpe besitzt, zu sagen "Ich bin eine Kämpferin, ich gebe nicht einfach auf!", entzieht sich jeder Logik und Vernunft. Genauso gut könnte man darauf beharren, dass man schwimmen kann, auch wenn man mit den Füßen in einem Betonblock steckt. Die Katze war im Sack, sogar im Wasser, und wirklich jeder starrte darauf und rief "Ersauf!".
Zum zweiten Mal in diesem Jahr wurde die Hinterbänklertruppe in der Konservativen Partei, das 1922-Komitee, mit Briefen überhäuft, in denen ein Führungswechsel gefordert wurde. Und das, obwohl Jeremy Hunt Ende vergangener Woche das Amt des Schatzkanzlers übernommen und bereits am Montag, dem 17. Oktober, einen Plan zur schnellen Lösung der Wirtschaftsprobleme vorgelegt hatte.
Man muss schon von Geburt an mit einer Unterdrückung für unangenehme Geräusche im Ohr ausgestattet sein, um solche Signale zu überhören. Oder es interessierte Liz Truss einfach nicht. Aber seien wir ehrlich: Hier geht es um eine Partei, die sich ihr ganzes Vermächtnis durch Nicht-Zuhören aufgebaut hat.
Hätte Truss irgendwelche Zweifel gehabt - oder sich einfach ein paar Gedanken gemacht - dann hätte sich dieser Zweifel in dem Moment verflüchtigen müssen, als ihre Innenministerin, Suella Braverman, ihren Rücktritt erklärte, angeblich wegen eines Fehlers im Umgang mit dienstlichen Mails.
Die Chaos-Tories
Schämte sich Braverman nicht, nach ihrer kurzen Karriere als Ministerin in ihrer Rücktrittserklärung an Truss zu schreiben, "so zu tun, als hätten wir keine Fehler gemacht, weiterzumachen, als ob niemand sehen könnte, dass wir diese Fehler gemacht haben, und zu hoffen, dass wie durch Zauberhand alles wieder in Ordnung kommt, das ist keine seriöse Politik"? Denn eigentlich wollte die frühere Innenministerin doch nur sagen, dass sie nur deshalb geht, um schnell noch das Werbevideo für ihre eigene Bewerbung - Pardon, neuerliche Bewerbung - für das Amt der Premierministerin zu produzieren.
Was wäre das für eine Katastrophe: Braverman als Premierministerin. Genauso gut könnte man Priti Patel und ihr Abkommen mit Ruanda für (beziehungsweise gegen) den Umgang mit Flüchtlingen zurückholen, eine Idee, die König Charles III., als er noch Prinz war, als "widerwärtig" bezeichnete. Oder all die anderen Konservativen, die von den großartigen Chancen quatschen, die Großbritannien ihren Eltern bot - gerade genug, um ihnen, den Kindern dieser Eltern, die Gelegenheit zu geben, Rechtsanwälte oder Banker zu werden und dann die Leiter hinter sich hochzuziehen.
Schweife ich ab? Nein! Man sollte sich vor Augen führen, welche Politik die Konservativen beziehungsweise die Tories im Kern verfolgen und wie gespalten die Partei ist, bevor man in Erwägung zieht, ihnen eine weitere Chance zu geben.
Nur Stunden bevor Truss ihren Rücktritt verkündete, berichteten britische Medien allen Ernstes, dass sie Zweifel hätten, dass sich ausreichend Parlamentarier fänden, die ihren Rücktritt befürworteten. Wer würde ihren Platz einnehmen? Wie würde das Ganze vonstattengehen? Eine Abstimmung unter den Abgeordneten oder den Mitgliedern der Partei? Das würde Monate dauern. Jetzt ist die Entscheidung gefallen. Eine Abstimmung unter den Abgeordneten, in den nächsten ein, zwei Wochen.
Nun wird der frühere Finanzminister Rishi Sunak, der den Kampf um den Parteivorsitz erst vor kurzem gegen Liz Truss verlor, bei den Buchmachern als aussichtsreichster Kandidat gehandelt. Ich bin kein Politstratege, aber wenn ich Sunak wäre, würde ich den Job nicht mit der Kneifzange anfassen. Er täte besser daran, es einfach auszusitzen, während einer Labour-Regierung die Zähne zusammenzubeißen und es dann erneut zu versuchen. Denn die Tories sind am Ende.
Diese Partei und diese Regierung, ob sie nun bestehen bleibt oder abrutscht, hat die Menschen völlig aus dem Blick verloren. Eine Regierung ist kein Spielplatz, auf dem Parteien sich austoben können. Regieren sollte ein langweiliger, administrativer Job sein, der den Menschen dient. Und im Moment brauchen die Menschen im Vereinigten Königreich bei vielen Dingen Unterstützung - beim Heizen, beim Einkauf von Lebensmitteln, dabei sich weiterzubilden, gesund zu bleiben, sich gegen Ausbeutung zu wehren, auch gegen Vermieter in den ärmsten Gegenden - und dabei, etwas Stabilität in ihrem Alltag zu schaffen. Doch das scheinen die Konservativen nicht zu verstehen.
Die Tage der Tories sind gezählt
Seit 2016 haben die Konservativen drei Premierminister gestellt: Theresa May, Boris Johnson und für sechs kurze Wochen Liz Truss. Gewöhnlich beträgt eine Amtszeit fünf Jahre. Diese drei Premierminister haben es zusammen nur auf wenig mehr als diese fünf Jahre gebracht. Doch wenn man zurückgeht zu einem anderen ehemaligen konservativen Premierminister, zu David Cameron, kann man erkennen, dass die Fäulnis schon während seiner Koalitionsregierung mit den Liberaldemokraten einsetzte. Um sich aus dieser Koalition zu befreien wählte Cameron den größten Keil: Brexit. Die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die Europäische Union zu verlassen, spaltete das Land und zerschmetterte seine Partei.
Ich bin weder ein Fan der Tories noch von Labour, aber es ist an der Zeit, die Tories auf die Ersatzbank zu schicken. Sie (und das Land) brauchen Zeit, um sich von diesen Jahren zu erholen, die so turbulent waren wie sonst nur wenige in der britischen Politik. So oberflächlich es auch klingen mag, sie müssen jemand anderem eine Chance geben.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.