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Gefährliche Entspannung

2. März 2012

Die Staats- und Regierungschef geben sich auf dem EU-Gipfel erleichtert. Gerade das ist Grund zur Sorge, meint Christoph Hasselbach.

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Kommentar Deutsch

Allgemeines Aufatmen geht durch die Reihen. Das sei endlich mal kein Krisentreffen, sagen verschiedene Staats- und Regierungschefs erleichtert in die Mikrofone. Und Kommissionspräsident Barroso meint lächelnd, ein bisschen weniger Drama schade niemandem. Gerade noch war er an dramatischen Worten kaum zu überbieten. Ganz plötzlich hat sich in Brüssel Entspannung breitgemacht. Wieso eigentlich?

Christoph Hasselbach (Foto: DW)
Christoph HasselbachBild: DW

Natürlich, der Fiskalpakt ist endlich unterschrieben. Alle Euro-Länder und sogar die meisten Staaten außerhalb der Währungsunion wollen Schuldenbremsen einführen und sich einem Sanktionsregime unterwerfen. Das zweite Griechenland-Hilfspaket ist auf dem Weg. Und die Finanzmärkte haben sich, auch dank weit geöffneter Geldschleusen der Europäischen Zentralbank, deutlich beruhigt.

Zurück zum Schlendrian?

Doch die Erleichterung kommt zu früh. Die Regierungschefs greifen wohl vor allem das wachsende Bedürfnis der europäischen Bevölkerung auf, dass endlich mal Schluss sein möge mit Krise. Das ist verständlich. Aber genau da beginnt das Problem. Denn mit dem Aufatmen kehrt allzu leicht der alte Schlendrian zurück.

Griechenland zum Beispiel hat seine Probleme keineswegs im Griff. Im fünften Rezessionsjahr ist dort weit und breit kein Wachstum auszumachen. Und ob Griechenland wirklich die umfangreiche Hilfe für die notwendige Reform an Haupt und Gliedern nutzt, erscheint zweifelhaft. Aber schon schließt Deutschlands Finanzminister Schäuble weitere Hilfe nicht aus. Noch freimütiger zeigte sich in Brüssel die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite gegenüber Journalisten: "Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn wir irgendwann ein drittes Hilfspaket brauchen, dann wird es ein drittes Hilfspaket geben." Wie, bitte? Gerade wegen dieser Leichtfertigkeit mache ich mir Sorgen.

Die meiste Arbeit kommt noch

Anlass für Sorge ist auch, dass Spanien deutlich sein Defizitziel verfehlt, der bisherige Musterschüler Niederlande auch. Und schon fordert die Regierung in Madrid von der Kommission Flexibilität bei der Anwendung der Regeln. Moment mal, soll nicht der Fiskalpakt endlich die Disziplin bringen, die der Stabilitätspakt nicht gebracht hat? Wenn die Kommission jetzt einknickt, kann man sich vorstellen, dass – so wie früher – bald jeder einen Grund finden wird, warum man jetzt bitte mal nicht so streng sein soll.

Und dann die neue Rolle der Zentralbank. Sie wird immer politischer, steigt immer mehr in die Staatsfinanzierung ein, die sie doch eigentlich nicht betreiben soll. Der Bank blieb zwar bisher kaum etwas anderes übrig als einzuspringen, wo die Regierungen gefehlt haben. Aber früher oder später wird das zu Inflation führen.

Die EU hat zwar einige wichtige Voraussetzungen geschaffen, die Krise zu überwinden. Aber die meiste Arbeit kommt erst noch. Wenn die EU jetzt schon nachlässt, wird die Krise mit voller Wucht zurückkehren.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Dеnnis Stutе