Katastrophen wie das Hochwasser in Deutschland sind für die Politik eine besondere Herausforderung. In Krisen suchen Menschen Führung, von Politikerinnen und Politikern erwarten sie dann Empathie und Entschlossenheit. Ganz besonders von denen, die sich anschicken, Kanzlerin Angela Merkel zu beerben und Deutschlands nächste Regierung anzuführen. Aussichtsreichster Kandidat dafür ist derzeit Armin Laschet, CDU-Chef und Ministerpräsident des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, das von den Überflutungen schwer getroffen ist.
Laschet erfüllte zunächst die Erwartungen: Er war vor Ort, hörte den Betroffenen zu, und in die vielen Kameras hinein kündigte er dem Wahlvolk ein höheres Tempo bei der Klimapolitik an. Dummerweise fingen eben diese Kameras auch einen lachenden, gar feixenden Armin Laschet ein, während der Bundespräsident wenige Meter von ihm entfernt, den Flutopfern Trost spendete. Für einen Mann, der Kanzler werden will, ist das überraschend instinktlos und unprofessionell. Im Angesicht von Menschen, die alles verloren haben, war Laschet als mitfühlender Staatsmann und nicht als heiterer Privatmensch gefragt.
Ambitionsloser Klimaschutz
Noch schwerer als dieser Fehltritt wiegt Laschets Unentschlossenheit auf dem Politikfeld, das seit dem Hochwasser endlich ganz oben in der politischen Diskussion steht: dem Klimaschutz. Als er das Ausmaß der Katastrophe in seinem Bundesland erkannte, verkündete er morgens vollmundig, er wolle den Klimaschutz beschleunigen, um abends zu betonen, dass er seine Politik nicht wegen eines einzelnen Tages ändere.
Wobei unklar ist, welche Klimapolitik Laschet genau verfolgt. So befürwortet er zum Beispiel erneuerbare Energien, doch seine Regierung in Nordrhein-Westfalen hat die Hürden für Windräder massiv erhöht. Auch eine Pflicht zu Solaranlagen auf Neubauten lehnt Laschet ab. Wenn der Kanzlerkandidat über Klimapolitik spricht, dann meist negativ: Klimaschutz dürfe weder das Eigenheim noch den Urlaubsflug verteuern, Arbeitsplätze nicht gefährden und nicht den Spaß am schnellen Autofahren nehmen. Womit er zugleich suggeriert, dass es eine - nämlich seine - Klimapolitik ohne spürbare Einschnitte und Veränderungen gebe.
Laschet sieht sich da offenbar ganz in der Tradition Angela Merkels, die in ihren mehr als 15 Jahren Amtszeit beim Klimaschutz weder Bürgern noch der Industrie viel abverlangte. Diese Ambitionslosigkeit attestierte im April auch das Bundesverfassungsgericht: Die Richter forderten von der Politik deutlich mehr Anstrengungen, um die kommenden Generationen vor der Klimakatastrophe zu schützen.
Ehrliches Krisenmanagement
Spätestens seit der Hochwasser-Katastrophe dämmert es vielen Deutschen, dass ein Weiter-So ins Klima-Chaos führt. Dass die Erderwärmung Extremwetter befeuert und zur tödlichen Gefahr wird. Nicht nur in fernen Ländern, auch vor der eigenen Haustür. Ihre Angst, alles zu verlieren, ist größer als die Furcht vor einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen.
Wenn Laschet Kanzler werden will, muss er diese Sorgen ernst nehmen und endlich Farbe bekennen, wie er den CO2-Austoß konkret reduzieren will. Er muss aufhören, Klimaschutz als rhetorisches Schreckgespenst zu zeichnen und ehrlich über Chancen und Einschnitte sprechen. Das heißt, den Menschen reinen Wein einzuschenken darüber, wie ein effektiver Klimaschutz ihr Leben verändern wird. Worauf sie künftig vielleicht verzichten müssen. Welche Jobs auf der Kippe stehen. Und wie er das sozial abfedern will.
Klimapolitik macht nicht vor den eigenen Grenzen halt. Sie braucht internationales Handeln. Wer sich aber schon im Inland scheut, mit Wirtschaft und Bürgern Tacheles zu reden, dem trauen wohl wenige Wählerinnen und Wählern zu, dass er Wladimir Putin, Xi Jinping und Jair Bolsonaro beim Klimaschutz die Stirn bietet und sie mit ins Boot holt. Ob Laschet will oder nicht - in der Wahlkampf-entscheidenden Klimapolitik muss er Profil zeigen. Sonst ist der Traum von Kanzleramt schnell ausgeträumt.