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Politik

Solidarität, ohne sich zu überheben

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Jens Thurau
7. Oktober 2020

Klar und eindeutig stellt sich die Bundesregierung an die Seite der Opposition in Belarus. Aber zu Recht legt Bundeskanzlerin Angela Merkel Wert darauf, nicht zu viel zu versprechen, meint Jens Thurau.

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Belarussische Oppositionsführerin Tichanowskaja in Berlin
Swetlana Tichanowskaja sprach am Montag vor dem Brandenburger Tor zu ihren Anhängern Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture-alliance

Die Bundeskanzlerin, der Vizekanzler, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Außerdem die Opposition von den Grünen, Abgesandte von CDU und CSU und FDP. Sie alle haben der belarussischen Oppositionsvertreterin Swetlana Tichanowskaja in drei mit Terminen prall gefüllten Tagen in Berlin ihre Aufwartung gemacht. Mehr symbolische Anerkennung geht kaum.

Symbolisch auch deshalb, weil noch nicht so ganz klar ist, klar sein kann, was Deutschland konkret tun könnte, um die Oppositionsbewegung in Belarus zu unterstützen. Sicher: Deutschland erkennt die Wiederwahl von Machthaber Alexander Lukaschenko nicht an, Deutschland bietet sich wie zuvor schon Frankreich an, in dem Konflikt zu vermitteln. Und in guter Solidarität mit den EU-Partnern Polen und Litauen wurde auch der deutsche Botschafter aus Minsk zurück nach Berlin beordert, wie das zuvor die beiden osteuropäischen Staaten mit ihren Botschaftern schon getan haben.

Neuwahlen? Die Kanzlerin schweigt.

Aber wenn man der belarussischen Oppositionsvertreterin zugehört hat in diesen Tagen, dann wird deutlich, worum es eigentlich geht. Um einen Regimewechsel nämlich. Um Neuwahlen, um die Ablösung von Lukaschenko, um viel Geld aus dem Westen, um eine Art Marshall-Plan also. Diverse deutsche Politiker, darunter etwa CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, sprangen Tichanowskaja bei ihrer Forderung nach Neuwahlen bei. Aber die Kanzlerin schwieg dazu.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Das hat gute Gründe. Nichts versprechen, was man später nicht halten kann, lautet die Devise. Merkel ist mit ihrer Solidarität mit der Opposition schon an ihre Schmerzgrenze gegangen. Tichanowskaja wurde zu einem Arbeitstreffen empfangen, fast wie ein Staatsgast. Es gab Bilder von dem Treffen in den Sozialen Medien. Aber selbst die neue Gallionsfigur der belarussischen Opposition wird nicht müde zu erklären, dass die Menschen in Belarus ihr Schicksal schon selbst in die Hand nehmen müssten. Zu Recht aber fordert sie Unterstützung etwa für unabhängige Medien in dem Krisen-Land.

Es ist gut möglich, dass sich die Bundesregierung bei den zahlreichen Baustellen außenpolitischer Art mit Osteuropa überhebt. Mit Russland ist das Verhältnis derzeit geradezu eisig. Noch immer ist der Regimekritiker Alexej Nawalny in Berlin, dessen Vergiftung durch russische Stellen immer klarer und offensichtlicher wird. Überhaupt ist die deutsche Hauptstadt gerade Spielort der öffentlichen Anklage der Verhältnisse in Russland und Belarus. Im Fall Nawalnys liegt das an der international anerkannten Kompetenz der Ärzte der Berliner Charité. Aber sowohl im Fall Nawalnys als auch bei Tichanowskaja auch an der großen Unterstützung durch zivilgesellschaftliche deutsche Gruppen, auch von deutschen Parlamentariern - und das schon zu einem frühen Zeitpunkt und beharrlich. Das steht Deutschland gut an.

Ein anderer Ton, aber begrenzte Mittel

Klar erkennbar ist, dass die Bundeskanzlerin seit der Vergiftung Nawalnys einen anderen Ton angeschlagen hat gegenüber Machthabern wie Putin oder Lukaschenko. Aber wenn es um konkrete Schritte gegen die autokratische Willkür in beiden Staaten geht, dann sind die Mittel schnell begrenzt. Bisher gibt es gegen 40 Offizielle in Belarus Sanktionen durch die EU, Machthaber Lukaschenko ist nicht darunter.

Noch immer sucht Deutschland nach einer klaren politischen Rolle bei den internationalen Konflikten, die immer aggressiver bespielt werden. Die Rolle eines fairen Mittlers, des sich entschieden an die Seite der Opposition gegen Autokraten stellt, ist keine schlechte Idee. Wenn denn auch klar gesagt wird, wo die Grenzen einer solchen Rolle liegen.