"Mein Einsatz": Frank Heibert hilft schwulen Flüchtlingen
2. Januar 2016Schriftsteller, Musiker, Künstler, Theaterleute – viele sehen sich als Bürger dieser Welt und nutzen ihre Popularität, um zur Solidarität mit Flüchtlingen aufzurufen, Spenden zu sammeln oder aufkeimenden Rassismus zu kritisieren. Woher kommt ihr Engagement? Drei Fragen, drei Antworten: unsere DW-Serie "Mein Einsatz".
DW: Wie setzen Sie sich für Flüchtlinge ein?
Frank Heibert: Meine Möglichkeiten sind zunächst verbal: Ich setze mich in Diskussionen ein, wenn es um das Thema geht und wenn ich das Gefühl habe, etwas gerade rücken zu müssen. Das hat auch damit zu tun, dass ich bis vor kurzem im Ausland war und deshalb noch gar nichts unternehmen konnte. Auch jetzt bin ich noch viel auf Reisen.
Aber ich habe für die mittlere Zukunft, wenn ich wieder längere Zeit in Berlin bin, vor, ein bisschen zu recherchieren. Ich denke nämlich, es wird eine ganze Menge von schwulen Flüchtlingen geben, die eine andere Art von Hilfe brauchen als das Gros. Da, glaube ich, kann ich mich direkt engagieren. Ich werde prüfen, ob die sich schon irgendwo melden, oder ob es vielleicht bei der Schwulen-Anlaufstelle in Berlin "Mann-o-Meter" schon Leute gibt, die sich gemeldet haben. Die Hilfe kann dann von der Lebensberatung bis zum Anbieten von Gästezimmern gehen.
Das ist meine Überlegung, denn ich glaube, dass es vielleicht schon genug Leute gibt, die Kleiderspenden sortieren – was ich natürlich auch machen könnte, da stehe ich nicht drüber.
Warum tun Sie es?
Ich versetze mich in die Lage der Flüchtlinge. Ich stelle mir vor, wie es ist, wenn der Ort, an dem man zuhause ist, wo man verankert ist, wo man sich ein Leben aufgebaut hat, so bedroht oder ganz weg ist, dass man dort einfach nicht mehr sein kann. Wir wissen alle von den Wegen, die die Flüchtlinge zurücklegen, wie grauenvoll die sind, wie menschenverachtend, wie schlimm das ist. Und dann kommt man in ein Land, von dem man denkt, es könnte alles ganz toll sein. Man hat Dinge gehört: Deutschland ist jetzt irgendwie aufnahmebereit – und dann kommt die Landung in der Realität.
Irgendwann kommt der Moment, in dem man plötzlich merkt, jetzt ist es nicht mehr lustig. Diesen Moment stelle ich mir ganz schrecklich vor, nach den ganzen Strapazen plötzlich zu merken: Jetzt stehe ich irgendwie doch im Regen und muss echt schauen, dass ich irgendwo ankomme. Und ob die alle die Kraft dazu haben, sich umzuschauen, das weiß ich nicht. Deswegen denke ich einfach, wenn man sich da hineinversetzen und so ein kleines bisschen die Hand ausstrecken kann – das entspräche meinem Impuls. Wenn es mir so ginge wie den Flüchtlingen jetzt, dann würde ich mir wünschen, dass jemand da wäre, und mir keine abweisenden Gesichter oder Ämter gegenüberstehen. Das ist meine Motivation.
Was möchten Sie damit bewirken?
Zwei Sachen: Das Eine folgt aus dem, was ich gerade sagte, also aus der Einfühlung. Ich möchte gerne, dass die Menschen, mit denen ich zu tun bekäme, für einen Moment lang innerlich aufatmen können. Weil ich mir ihre Flucht vorstelle wie ein Leben mit angehaltenem Atem, wochen- oder monatelang.
Das Übergeordnete, sozusagen Politische ist, dass ich denke, die Leute wollen etwas: Sie wollen arbeiten, sie wollen sich auch integrieren. Die wissen, das wird jetzt ein neues Leben. Das muss man ihnen aber auch menschlich ermöglichen. In dem Moment, in dem sie ein offenes Gegenüber finden, in dem sie das Gefühl haben können, hier nicht die Störenfriede zu sein, oder die, die durchgefüttert werden oder Verbote kriegen müssen, findet der Wille, den sie mitbringen, ein Gegenüber und ein Echo. Und dann ist die Chance einfach größer, dass das mit der Integration klappt. Denn das wünschen wir uns natürlich alle, dass sie unsere Gesellschaft bereichern und neue Facetten hineinbringen, und dass sie so unser Land voranbringen. Denn das kann es gut gebrauchen, finde ich. Da ein bisschen mitzumachen, fände ich schön.
Frank Heibert gehört zu den bekanntesten Übersetzern ins Deutsche, und das gleich aus mehreren Sprachen. Seine Übertragungen moderner Romane und Erzählungen aus dem Englischen und Französischen haben Standards gesetzt, darunter Texte von Mark Twain, Amos Oz und Le Clézio. In diesem Wintersemester hat er an der Freien Universität Berlin die August Wilhelm von Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung inne. "Let's Get Loud!" ist das Motto seiner Antrittsvorlesung am 3. November - eines, das sich vielleicht auch auf sein beabsichtigtes Engagement für homosexuelle Flüchtlinge übertragen ließe.