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Mehr Elektrobusse! Aber woher?

Michael Braun Frankfurt
5. September 2017

Die eilige Nachfrage nach Elektrobussen könnte ins Nichts laufen. Denn es gibt kaum Angebote, jedenfalls nicht von hiesigen Herstellern. Bisher hatten sie wenig Interesse an elektrischen Nutzfahrzeugen.

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Elektrobus in Köln
Bild: DW/G. Rueter

Die Post kann ein Lied davon singen. Sie baut sich ihre Elektroautos schon selbst, den StreetScooter. Die klassischen Autohersteller hatten abgewunken, als der Paketriese bei ihnen nachfragte. Da kaufte die Post vor knapp drei Jahren einen Hersteller, der aus einer Ingenieurbude der Technischen Hochschule Aachen hervorgegangen war.

So könnte auch der Plan des "kleinen Dieselgipfels" schwer umzusetzen sein, der nämlich, die Busflotten der Städte mit viel finanzieller Bundeshilfe auf Elektroantrieb umzustellen.

"Wir stellen fest: Es gibt keine vollelektrischen Busse", hatte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn von den Grünen einen groben Marktüberblick gegeben. Es gebe einen Hersteller in Polen und einen in China. "Die Heizung dieser Busse geschieht aber über Dieselverbrennung", weiß Kuhn und schlussfolgerte: "Manchmal reden wir in der Öffentlichkeit über Optionen, die nicht stattfinden."

Deutschland Streetscooter Deutsche Post
Marke Eigenbau: Ein Streetscooter der Deutschen PostBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Vorbilder aus den Niederlanden, Polen, China

In Deutschland wurden voriges Jahr knapp 6700 Busse neu zugelassen. Knapp 99 Prozent erfüllten die Abgasnorm Euro sechs, aber fast alle hatten einen Dieselantrieb. Vereinzelte Elektrobusse gibt es. Die Berliner Verkehrsbetriebe etwa testeten dieses Jahr Busse des niederländischen Busbauers VDL, die auch in Münster rollen, und des finnischen Herstellers Linkker. Auch einige wenige E-Busse des polnischen Solaris Bus & Coach SA, der in der Nähe von Posen produziert, fahren in Berlin. Bonn, die frühere Hauptstadt, testet im Rahmen eines EU-Projektes eine Flotte von sechs Elektrobussen, sie stammen vom deutsch-türkischen Bus-Hersteller Sileo. 

Auf der Hannover Messe dieses Jahr hatte sich der polnische Hersteller Ursus, auferstanden aus den Insolvenzruinen eines Traktorenwerks, als Elektrobus-Anbieter präsentiert. Und zwar mit Bussen mit 450 Kilometer Reichweite und acht Minuten Tankzeit. Das Geheimnis erklärt sich mit einer Brennstoffzelle, die während der Fahrt Strom liefert und die mit schnell nachtankbarem Brennstoff versorgt wird. Zudem sorgen Radnabenmotoren des Künzelsauer Unternehmens Ziehl-Abegg für hohe Wirkungsgrade.

Hannover HMI Messe 2017
Der Brennstoffzellen-Bus von Ursus mit Elektroantrieben von Ziehl-Abegg in den RadnabenBild: DW/H. Böhme

In Frankreich will der chinesische Hersteller BYD in Alonne nördlich von Paris eine Fabrik für Elektrobusse bauen und diese vom nächsten Jahr an ausliefern. Kleintransporter wurden bisher vielfach auch von eher handwerklich orientierten Firmen umgebaut: Den T 5 von VW etwa hat sich die Firma Laukner aus Schwarzberg im Erzgebirge vorgenommen und an ökologisch ambitionierte Kunden verkauft.

Daimler: Ende 2018 ein Serienfahrzeug

Aber insgesamt haben deutsche Hersteller noch kein nennenswertes Angebot für Elektro-Nutzfahrzeuge auf dem Markt. Jürgen Pieper, Autoanalyst beim Bankhaus Metzler, kennt jedenfalls keines: "Nach meinem Kenntnisstand gibt es nur einige Kleinserienanbieter, die aus exotischeren Ländern kommen", eben aus Osteuropa oder Asien. Aber insgesamt sei das "aktuell noch kein großes Geschäft."

Marktführer Daimler will aber nächstes Jahr liefern. Bisher konzentrierte er sich darauf, die Kunden von neuen Bussen der Euro 6-Norm zu überzeugen. Die regelten ihre Abgassysteme auch während des Fahrbetriebs, heißt es bei Daimler. Und ohne den Harnstoff Adblue, der die Stickoxide im Katalysator weitestgehend kassiert, könne solch ein Bus nur im Notbetrieb zur nächsten Tankstelle rollen. Doch ein Elektrobus, so Udo Sürig, der Sprecher von Daimler-Omnibus, werde Ende 2018 vorgestellt, und zwar ein Stadtbus als Serienfahrzeug, also "vollständig dokumentiert", auf kurzer Strecke und im Dauereinsatz erprobt inklusive "Thermomanagement", so Sürig: "Das heißt, dass wir mit dem Elektrofahrzeug im Winter heizen können und auch im Sommer wirtschaftlich kühlen können", und zwar auf Elektrobasis, ohne Standheizungen auf Dieselbasis.

Es soll ein praxisgerechtes Fahrzeug werden, mit Depotladung, also nicht an jeder Haltestelle mal ein wenig Strom nachtanken, sondern einmal täglich abends im Depot. Vermutlich wird er zunächst in norddeutschen Städten eingesetzt, weil im Mittelgebirge oder Voralpenland das bergige Streckenprofil die Reichweite doch begrenzt.

Die Industrie und die Hasenherzen

Daimler sagt, die Batterieentwicklung gehe derzeit so schnell voran, dass es helfe, nicht der erste auf dem Markt für Elektrobusse zu sein. Doch Analyst Pieper vermutet, die hiesigen Hersteller wie Daimler oder MAN warteten nicht nur auf geringeres Batteriegewicht bei steigender Kapazität, sondern hinkten einfach hinterher: "Es ist ein bisschen der Fluch des Erfolges mit den Verbrennungsmotoren", erklärt sich der Analyst das zurückhaltende Angebot. Die deutsche Industrie habe mit dem Verbrennungsmotor "riesige Erfolge" eingefahren - bis zum Dieselskandal bei VW. Und nun spüre sie die Nachteile des Erfolgs: "Man kommt schwer weg von etwas, mit dem man sehr erfolgreich war."

Dass eine starke Lobby dieses Beharrungsmoment verstärkt, ihm quasi politische Rückendeckung gegeben hat, ist ein immer wieder geäußerter Verdacht. Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sprach im Deutschlandfunk von einem starken "Schutzinstinkt vor der deutschen Automobil- um nicht zu sagen Diesel-Industrie". Hier gehe man "hasenherzig" vor, während anderswo neue Technologien angewandt würden: Elektro-, Gas-, Wasserstoff- oder Brennstoffzellenbusse. Wenn es so war, scheint der Dieselskandal die "Hasenherzen" ermutigt zu haben. Nun müssen sich die Hersteller sputen.