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Von "Mad Max" zum Formel-1-Weltmeister

12. Dezember 2021

Zum ersten Mal in seiner Karriere gewinnt Max Verstappen in der Formel 1 die Fahrer-Weltmeisterschaft. Der Niederländer ist hinter dem Lenkrad gereift, dabei aber alles andere als handzahm geworden.

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Max Verstappen (nach einem Sieg 2016)
Max Verstappen (hier nach einem Sieg 2016) hat einen langen Weg zum Titel hinter sichBild: HOCH ZWEI/picture alliance

Es gab Zeiten, da hat so mancher Formel-1-Grande über Max Verstappen und dessen Verhalten auf der Rennstrecke nur fassungslos den Kopf geschüttelt. Nachdem der Niederländer im März 2015 mit nur 17 Jahren als jüngster Formel-1-Fahrer aller Zeiten in der Königsklasse des Motorsports aufgetaucht war, fiel er zwar mit großem Talent, aber immer wieder auch durch halsbrecherische Aktionen auf.

"Der gehört zurück in die Schule. So kann man keine Formel 1 fahren", schnaubte zum Beispiel Ex-Weltmeister Niki Lauda, nachdem Verstappen 2016 beim Großen Preis von Belgien in Spa gleich nach dem Start zunächst beide Ferraris abgeräumt und später, um ein Überholmanöver zu verhindern, vor dem heranrasenden Kimi Räikkönen bei Höchstgeschwindigkeit Zick-Zack gefahren war.

Kritik und Anerkennung

Es half wenig, dass Verstappen sich hinterher keines eigenen Fehlverhaltens bewusst war. "Der gehört in die Psychiatrie, wenn er jetzt sagt, der Kimi sei schuldig", wetterte Lauda damals. Da es nicht der einzige derartige Zwischenfall blieb, hatte der Youngster bald den Spitznamen "Mad Max" weg. Auf der anderen Seite erntete der junge Verstappen für sein von Anfang an forsches Auftreten aber auch Anerkennung. "Ich mag den Jungen gern. Ich finde, er trägt zu einer Riesenshow bei", sagte damals Mercedes-Sportchef Toto Wolff. "Er fährt unheimlich aggressiv und hat sich schon einen relativ guten Eindruck bei seinen Gegnern verschafft."

Mercedes-Sportchef Toto Wolff und Niki Lauda stehen in der Boxengasse nebeneinander
Zwischen Kritik und Bewunderung für Max Verstappen: Toto Wolff (l.) und Niki LaudaBild: picture alliance/dpa/B.Asset

Was Verstappen bei all seinen Harakiri-Aktionen und dem Ärger, den es anschließend gab, auch stets genoss, war der Respekt für sein fahrerisches Können. "Das Limit des Autos ist nicht das Limit von Max Verstappen", sagte Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn über Verstappen. Schon früh habe man sehen können, welchen Speed der Junge habe. "Nun ist er gereift zu einem außergewöhnlichen Rennfahrer."

Schneller Aufstieg

Der Weg des neuen Weltmeisters in die Königsklasse war im Grunde von Kindesbeinen an vorgezeichnet. Vater Jos, zwischen 1994 und 2003 selbst Formel-1-Fahrer, brachte seinen Sohn früh zum Kartsport und hatte auch die nötigen finanziellen Möglichkeiten und Beziehungen, die man braucht, um im Motorsport weiterzukommen. Außerdem war Klein-Max schnell. "Ich erinnere mich, dass er nach ein paar Runden die ganze Strecke mit Vollgas fuhr", erinnert sich der Vater. "Ich ging sofort los, um ihm ein größeres Kart zu kaufen."

Max Verstappen kniet als 16-Jähriger neben seinem Formel-3-Rennwagen
Noch ohne Führerschein aber schon in der Formel 3 erfolgreich: Max Verstappen mit 16 JahrenBild: HOCH ZWEI / Thomas Suer/picture alliance

Verstappen gewann Rennen und Meisterschaften, erst kleinere Serien in Belgien, später wurde er Welt- und Europameister im Kart. 2014 kam der Wechsel in die Formel 3, nur ein Jahr später der Schritt in die Formel 1. Helmut Marko, Motorsport-Berater von Red Bull, nahm das Ausnahmetalent 2014 ins F1-Programm des Brauseherstellers auf und gab dem erst 17-jährigen Verstappen im folgenden Jahr ein Cockpit bei Toro Rosso, dem Nachwuchsteam der "Roten Bullen". Im März, beim Saisonauftakt in Melbourne, wurde Max Verstappen mit 17 Jahren und 166 Tagen jüngster Rennteilnehmer der Formel-1-Geschichte, ein Jahr später jüngster Rennsieger mit 18 Jahren und 228 Tagen.

Mit ausgefahrenen Ellenbogen

Nach zwei dritten Plätzen in der WM-Endabrechnung 2019 und 2020 ist Verstappen in diesem Jahr endgültig vom "jungen Wilden" zum Top-Fahrer gereift. Dabei konnte er sich stets auf sein hervorragendes Auto verlassen, profitierte aber auch von der Erfahrung aus seinen "Bully-Jahren" am Anfang der Karriere. Spätestens nachdem Lewis Hamilton ihn beim Großen Preis von Großbritannien in Silverstone kurz nach dem Start anstubste und Verstappen daraufhin mit Kräften von 51G in die Streckenbegrenzung krachte, waren beim Niederländer die Ellenbogen ausgefahren.

Beim nächsten Rad-an-Rad-Duell mit Hamilton in Monza zog Verstappen nicht zurück. Es kam zur Kollision, Verstappens Red Bull landete am Ende oben auf dem Auto von Hamilton, der - nur dank des Halo-Bügels - ohne schwere Kopfverletzung davonkam. "Lewis ging es gut", sagte Verstappen damals lapidar auf die Frage, warum er sich nach dem Unfall nicht nach dem Wohlbefinden des Kontrahenten erkundigt habe. "Er hat sogar noch versucht, rückwärts zu fahren, als ich schon aus dem Auto war. Wenn es dir nicht gut geht, machst du das nicht." In Brasilien drängte Verstappen Hamilton, als dieser außen überholen wollte, von der Strecke und kam nur mit Glück ohne Strafe davon. Der Gipfel und eine Rückkehr zu "Mad Max" war dann die Aktion in Saudi-Arabien, als Verstappen Hamilton vorbeilassen sollte und abrupt so langsam wurde, dass der Brite in ihn hineinkrachte und sich den Frontflügel zerstörte. Nicht unbedingt sympathisch, aber am Ende erfolgreich.

Anfang einer Ära?

Und der Erfolg gibt Verstappen Recht, schließlich beschert ihm seine kämpferische Fahrweise den ersten Weltmeistertitel. Es könnte der erste von mehreren sein. Vielleicht folgt auf die Ära Hamilton, der zwischen 2014 und 2020 sechs von sieben Weltmeisterschaften gewann, die Ära Verstappen?

Der Niederländer ist zwölf Jahre jünger als der Brite und mit seinem starken Red Bull gut genug, auch in den kommenden Jahren der Fahrer zu sein, den es im Kampf um den WM-Titel zu schlagen gilt. So lange, bis irgendwann der nächste Verstappen, der nächste junge Wilde, kommt und ihn, den Arrivierten, frech herausfordert.