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KunstGlobal

Eine Banane wird zur millionenschweren Kunst

Tanya Ott
Veröffentlicht 19. November 2024Zuletzt aktualisiert 22. November 2024

Eine an die Wand geklebte Banane ist bei Sotheby's in New York versteigert worden - und hat dabei den sensationellen Preis von 6,2 Millionen Dollar erzielt. Erfolg einer provokanten Idee.

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Eine Banane ist mit Klebeband an der Wand befestigt
Man nehme Banane und Klebeband, fertig ist das Kunstwerk "Comedian" von Maurizio Cattelan Bild: Sotheby's/dpa/picture alliance

Würden Sie eine Banane für mehrere Millionen Euro kaufen? Das klingt verrückt, doch genau das hat jemand in New York gerade getan. Das Werk des in Italien geborenen Konzeptkünstlers Maurizio Cattelan mit dem Titel "Comedian" besteht im Wesentlichen aus einer Banane. Sie ist nicht aus massivem Gold, sondern eine ganz normale, essbare Banane. Der Künstler hat sie lediglich mit einem Stück Klebeband an der Wand befestigt. Jetzt wurde dieses Kunstwerk bei Sotheby's in New York versteigert für 6,2 Millionen Dollar, das sind umgerechnet rund 5,9 Millionen Euro. Die Schätzungen, die zuvor angestellt wurden, lagen bei 1,5 Millionen Dollar.

Nun vergammeln Bananen ja bekanntermaßen. Doch keine Sorge: Die Person, die die Banane ersteigert hat, erhält keineswegs eine verschimmelte oder gar konservierte Frucht, sondern eine frische Banane, dazu eine Rolle Klebeband, eine ausführliche Anleitung zur Ausstellung des Werks und ein Echtheitszertifikat. Maurizio Cattelan, bekannt für seine satirischen und provokativen Arbeiten, sorgte mit diesem Werk bereits 2019 auf der Kunstmesse Art Basel Miami Beach für Aufsehen. Die Galerie Perrotin verkaufte drei Exemplare zu Preisen zwischen 120.000 und 150.000 Dollar.

Augenzwinkernder Kommentar zum Konsumverhalten

Der Künstler David Datuna sitzt vor Mikrofonen der Journalisten.
Er hatte Hunger: Der Künstler David Datuna erklärte den Verzehr von Cattelans Bananen-Kunstwerk zur Performance. Der Titel: "Hungry Artist" Bild: Mary Altaffer/AP Photo/picture alliance

In einem Interview mit der Zeitschrift "The Art Newspaper" sagte Cattelan 2021: "Für mich war 'Comedian' kein Witz, sondern ein aufrichtiger Kommentar und eine Reflexion darüber, was wir schätzen." Auf Kunstmessen, so der Künstler, herrschten Eile und Geschäft. Da habe er sich überlegt: "Wenn ich schon auf einer Messe sein muss, kann ich auch eine Banane verkaufen, so wie andere ihre Bilder verkaufen." Er wolle innerhalb des Systems spielen. "Aber nach meinen eigenen Regeln."

So war Cattelans "Comedian" eine Zeit lang in aller Munde und mischte die Kunstwelt auf. Kritiker sprachen von einem "brillanten Kommentar zum Konsumverhalten und zur Kunst an sich". Andere hielten es für eines der schlechtesten Werke, die je auf der Kunstmesse ausgestellt wurden.

Ähnlich wie bei den NFTs ("Non-fungible Token"), die am Kunstmarkt zeitweise in Mode waren, kauft man hier nicht das tatsächliche, physische Werk aus den Händen des Künstlers, sondern die Idee des Künstlers für das Kunstwerk. Darum geht es schließlich bei der Konzeptkunst.

Alles Banane: Obst als Kunstobjekt

David Galperin, Leiter der Abteilung für zeitgenössische Kunst in Nord- und Südamerika beim Auktionshaus Sotheby's, erklärte dazu vorab: "Wenn 'Comedian' im Kern den Begriff des Wertes von Kunst in Frage stellt, dann wird die Versteigerung des Werkes erst recht die ultimative Verwirklichung seiner grundlegenden konzeptionellen Idee sein - die Öffentlichkeit wird endlich ein Mitspracherecht bei der Entscheidung über seinen wahren Wert haben."

Eine Banane auf einer anderen Ebene

Einer von Cattelans Kollegen, der georgische Performance-Künstler David Datuna, erkannte schon in während der Kunstmesse Art Basel Miami Beach 2019 in dem Werk einen Nährwert: Er löste die Banane von der Wand und biss hinein. Er nannte das eine Form der künstlerischen Intervention, die er "Hungry Artist" nannte. In einem Interview mit der Zeitung "The Guardian", das auf Datunas Aktion folgte, kritisierte Datuna, dass das Werk für so viel Geld verkauft wurde, sagte aber über Cattelan: "Ich halte ihn für ein Genie. In der Kunst geht es um Komödie, um Spaß, um Tragödie, um Gefühle. Er hat das sehr gut gespielt. Ich liebe die Banane von Andy Warhol, aber ich denke, Cattelan hat die Banane auf eine andere künstlerische Ebene gehoben."

Ein Plattencover der Gruppe Velvet Underground ist in einer Ausstellung zu sehen
Andy Warhols Bananen-Cover für Velvet Underground, hier in einer Ausstellung von 2016Bild: Ian Langsdon/dpa/picture alliance

Auch der US-amerikanische Popkünstler Andy Warhol, der ursprünglich aus der Werbebranche stammte, fertigte seine Kunst bisweilen aus gewöhnlichen Haushaltsgegenständen, darunter Bananen. Das Bild einer Banane verwendete er für ein Plattencover  der Band Velvet Underground. Im Gegensatz zu Cattelan sah Warhol sein Werk als endlos reproduzierbar und für einen Massenmarkt geeignet.

Wie es sich für Warhol gehört, hat er sein ikonisches Bananenbild nie urheberrechtlich schützen lassen und damit andere Künstler auf den Plan gerufen. Einer der Nachahmer ist der Deutsche Thomas Baumgärtel, der seit 1986 seine Version von Warhols Banane auf die Fassaden von mehr als 4000 Museen und Galerien in aller Welt gesprüht hat und die gelbe Frucht damit zu einer Art Symbol für die Kunst selbst gemacht hat.

Eine Banane ist eine Banane – oder?

Die Banane, wie überhaupt Obst, ist in der Kunst seit jeher ein großes Thema. Die Banane stand wegen ihrer speziellen Form nicht selten für männliche Sexualität - wie das Werk von Warhol andeutet. Aber auch in Werken der mexikanischen Malerin Frida Kahlo spielte die Banane eine Rolle. Ihrer tropischen Herkunft wegen würzt die Banane bis heute so manche Kunst mit einem Hauch des Exotischen - jedenfalls bei europäischen Künstlern.

Eine Banane ist an die Wand vor einer Kunstgalerie gesprüht.
Die Bananen des deutschen Künstlers Thomas Baumgärtel sind an zahlreichen Kunstorten zu finden, hier vor der Galerie Eigen+Art in BerlinBild: Eckelt/Caro/picture alliance

Beide Elemente kommen in "Consumer Art" zum Tragen, einer Video- und Fotoarbeit aus den 1970er-Jahren der polnischen Künstlerin Natalia LL. Sie ließ ein Modell vor laufender Kamera langsam und suggestiv verschiedene Lebensmittel verspeisen, darunter auch eine Banane. LL's Werk wirkte nicht nur wegen seiner sinnlichen Anmutung provokant. Das polnische Nationalmuseum sah sich veranlasst, es 2019 aus einer Ausstellung zu entfernen und erntete weitverbreiteten Spott. Es kam hinzu, dass Bananen zur Entstehungszeit des Werks in Polen - das Land gehörte damals zum sowjetisch dominierten Ostblock - ein kaum erschwingliches Luxusgut waren.

Angesichts des Klimawandels und Pilzbefalls, der Bananenpflanzen droht, was die Preise in die Höhe treibt, könnte die Frucht schon bald wieder zu einem exotischen Luxusgut werden. Das wäre dann der Moment, in dem Maurizio Cattelans Millionen-Dollar-Banane auf einmal gar nicht mehr so absurd erscheint.

Aus dem Englischen adaptiert von Stefan Dege / aktualisiert am 21.11.