Regie-Legende Martin Scorsese wird 80
Martin Scorsese gilt als einer der wichtigsten US-Regisseure der Nachkriegsgeschichte. Unzweifelhaft hat der New Yorker das Kino geprägt wie kaum ein anderer. Nun wird er 80 und hat noch einiges vor.
Der Herr der Bilder: Martin Scorsese
Geboren 1942 in Queens, New York, steht Martin Scorsese für ein amerikanisches Kino jenseits von Hollywood. Der Italo-Amerikaner wuchs in Little Italy in seiner geliebten Heimatstadt auf und hatte keine einfache Kindheit. Zunächst wollte er Priester werden, entschied sich dann aber doch für ein Filmstudium. Zum Glück für das amerikanische Kino - und die Zuschauer in aller Welt!
Bilder einer Stadt: Hexenkessel
Nach seinem Debütfilm "Wer klopft denn da an meine Tür?" von 1967 brachte "Hexenkessel" (1973) Scorsese den Durchbruch. Erstmals zeigte er auf der Leinwand, was ihn berühmt machen sollte: die New Yorker Unterwelt, Kleinkriminelle, Mafia-Milieu. Dazu ein rauer Blick auf die Wirklichkeit, furios montiert zu einem filmischen Crescendo und kongenial besetzt mit Schauspielern wie Robert De Niro (r.).
Ikonografische Bilder: Taxi Driver
Seinen trotz zahlreicher späterer Meisterwerke heute berühmtesten Film drehte Scorsese 1976: "Taxi Driver". Das Drama um einen frustrierten Vietnam-Veteranen, der sein Geld in New York als Taxifahrer verdient, ist eine verstörende Meditation über Liebe und Gewalt. Mit De Niro in der Hauptrolle, Michael Chapman hinter der Kamera und der Musik von Bernard Hermann schuf Scorsese ein Meisterwerk.
Musikalisch: New York, New York
Manchen Kritikern gingen die obsessiv eingesetzten Gewaltszenen in "Taxi Driver" zu weit. Das ein Jahr später produzierte "New York, New York" war eine Art Besänftigung - ein Ausstattungsfilm mit musikalischem Ausrufezeichen und Liza Minnelli (r.) und Robert De Niro in den Hauptrollen. "New York, New York" zeigte auch ein weiteres starkes Interessenfeld Scorseses auf: die Musik.
Gewalt im Boxring: Wie ein wilder Stier
Als einer der besten Filme aller Zeiten gilt Scorseses Boxer-Biografie "Wie ein wilder Stier" aus dem Jahre 1980. Der Regisseur widmete sich der Karriere des Boxers Jake LaMotta, zeigt dessen Aufstieg und Niedergang. Legendär bis heute: die schauspielerische Leistung von Robert De Niro, der zur möglichst realistischen Darstellung der einzelnen Lebensphasen de Mottas etliche Kilos zulegte.
Stalking: The King of Comedy
Nach Gangsterdramen, Musik- und Sportfilmen zeigte der Regisseur 1982 eine weitere Facette seines Könnens. "The King of Comedy" ist eine brillante Satire auf Starkult und Medienhype. An der Kasse recht erfolglos, gilt der Film heute aber als einer von Scorseses besten Werken. Zumal er mit De Niro und Jerry Lewis eine Traumkombination vor die Kameras holte.
Filmgeschichte: Die Farbe des Geldes
Martin Scorsese ist nicht nur ein herausragender Regisseur, sondern auch einer des besten Kenner der Filmgeschichte. Das zeigen seine dokumentarischen Werke über einzelne Kinoepochen - und sein Billard-Drama "Die Farbe des Geldes" mit Paul Newman und Tom Cruise. Der Film knüpft an Robert Rossens "Haie der Großstadt" von 1961 an, in dem Newman als Poolbillardspieler "Fast Eddie" brilliert.
Religiös: Die letzte Versuchung Christi
Scorsese wollte als junger Mann Priester werden. Daraus wurde nichts, der Amerikaner entschied sich für den Beruf des Filmregisseurs. Doch immer wieder kam er später auf das Thema Religion zurück - in zahlreichen Nebenhandlungen seiner Gangsterfilme, aber auch - ganz zentral - in seinem Jesus-Film "Die letzte Versuchung Christi". In der Hauptrolle: ein überzeugender Willem Dafoe.
Thema Mafia: Goodfellas
Im Jahre 1990 fand Martin Scorsese dann zu seinem Leib-und-Magen-Thema zurück, exzessiver, ausführlicher und auch brutaler als jemals zuvor. "Goodfellas" blickt tief in die Strukturen der Mafia, hier der Cosa Nostra in New York. In den Hauptrollen: Ray Liotta (l.), Joe Pesci (M.) und natürlich - Robert De Niro (r.). Hinter der Kamera, inzwischen zum vierten Mal, der Deutsche Michael Ballhaus.
Historisch: Zeit der Unschuld
Als wollte er sich nicht auf das ewige Thema Mafia festlegen lassen, wandte sich Martin Scorsese 1993 wieder einem ganz anderen Genre zu. Auch sein Historienfilm "Zeit der Unschuld" nach einem berühmten Roman der New Yorker Autorin Edith Wharton war ein künstlerischer Erfolg. Scorsese beherrschte auch dieses Genre scheinbar mühelos - zumal mit Schauspielern wie Daniel Day-Lewis und Winona Ryder.
Monumental: Gangs of New York
Beides, das Thema Bandenkriminalität und Historienfilm, verknüpfte der Regisseur dann im Jahre 2002. Sein bisher teuerstes Projekt, das mehr als 100 Millionen Euro kostete, entstand mit Hilfe einer Kölner Produktionsfirma. "Gangs of New York" stieß auf ein geteiltes Echo - auch weil man Produzent Harvey Weinstein vorwarf, er habe seine Macht gegenüber dem Regisseur zu sehr ausgereizt.
Glamourös: The Aviator
Was Robert De Niro in der ersten Karrierehälfte für Martin Scorsese war, das wurde Leonardo DiCaprio in dessen zweiter Arbeitsphase: sein Lieblingsschauspieler. Hier zeigt sich DiCaprio an der Seite von Cate Blanchett als legendärer Milliardär Howard Hughes in dem Film "Aviator" - ein brillantes Porträt des exzentrischen Flugpioniers, Filmproduzenten und Verführungskünstlers.
Kinoliebe: Hugo Cabret
Wieder einmal eine Liebeserklärung an das Medium Kino war 2011 Scorseses "Hugo Cabret", der ins Paris der 1920er-Jahre zurückblendet und die Geschichte eines zwölfjährigen Jungen erzählt, der die Welt entdeckt. "Hugo Cabret" war vieles: ein Jugendfilm und eine digitale 3-D-Ausstattungsoper, ein Film über Paris (im Studio gedreht) und vor allem eine Hommage an die Geburtsstunde der Cinematografie.
Die Macht des Geldes: The Wolf of Wall Street
Dem Thema Finanzwelt wandte sich der Regisseur 2012 zu - in seiner unnachahmlichen Art. "The Wolf of Wall Street" bietet einerseits einen ernstgemeinten Blick hinter die Kulissen der Wall Street und spießt die Mentalität der Börsenmakler auf - und ist doch ein "echter" Scorsese: weder moralisch noch bieder, furios inszeniert und voller skurriler und auch humoristischer Szenen.
Rückkehr zum Mafiafilm: The Irishman
Von Netflix finanziert ist "The Irishman" von 2019 Martin Scorseses vorerst letzter Spielfilm. Darin zu sehen: Robert De Niro, Joe Pesci und Al Pacino in den Hauptrollen. Der Film, ein Epos, wie ihn sich nur ein Regisseur wie Scorsese selbst leisten kann, verlangt mit sagenhaften dreieinhalb Stunden Laufzeit einiges an Sitzfleisch ab. Bei den Oscars kam er auf zehn Nominierungen.