Marokko: Cannabis als legaler Exportschlager?
28. April 2021In Kürze könnte Marokko um einen legalen Exportartikel reicher sein. Derzeit liegt dem Parlament ein Gesetzesentwurf zur Legalisierung des Cannabis-Anbaus zu medizinischen Zwecken vor. Sollte das Gesetz in den kommenden Wochen die letzten Hürden nehmen, könnte das Königreich das zweite Land in der Region werden, das Cannabis in diesem Kontext legalisiert. Den Auftakt machte 2020 der Libanon.
Laut mehreren internationalen Institutionen, unter ihnen die UN und die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, ist Marokko einer der weltweit größten Produzenten von Cannabis sowie der größte Lieferant von illegalen Cannabis-Produkten wie Haschisch. Ein Großteil dieser Produkte geht über verschiedene Schmuggelrouten in die EU.
Cannabis als Wahlkampfthema
Der Gesetzentwurf ist höchst umstritten. Im Vorfeld der Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen im September spaltet er erkennbar die öffentliche Meinung. Es sei daher schwer zu sagen, ob der Gesetzesentwurf verabschiedet werde, sagt Khalid Mouna, Professor für Anthropologie an der Moulay Ismail Universität in Meknes, der DW. Die Idee der Cannabis-Legalisierung sei bereits früher diskutiert worden. Meistens sei das aber nur eine Taktik gewesen, um die Unterstützung von Wählern in den ökonomisch oft benachteiligten Cannabis-Anbaugebieten zu gewinnen.
Dieses Mal aber könnte es anders sein, sagt Tom Blickman, der am "Transnational Institute" in Amsterdam zur internationalen Drogenpolitik forscht. "Es ist offenbar eine ernsthaft vorangetriebene Initiative. Denn sie geht von der Regierung aus. Und hinter der Regierung steht der Königspalast." Bislang seien entsprechende Vorschläge von der Opposition vorgebracht worden.
UN-Entscheidung als juristische Grundlage
Die derzeitige Kampagne zur Legalisierung begann Anfang Dezember 2020 während eines Treffens der UN-Kommission für Suchtstoffe in Österreich. Die Weltgesundheitsorganisation hatte empfohlen, Cannabis von der Liste der gefährlichen Drogen zu streichen, um so die medizinische Verwendung zu ermöglichen. Die UN-Kommission nahm die Empfehlung der WHO mit knapper Mehrheit an.
Für den marokkanischen Innenminister Abdelouafi Laftit war das die juristische Grundlage, um den Gesetzesentwurf zur Cannabis-Legalisierung im April im Parlament einzubringen. Inzwischen hat die Regierung den Gesetzesentwurf genehmigt. Nun müssen die Abgeordneten ihn aber noch ratifizieren.
Hoffnung auf neue Investitionen
Der größte Teil des Cannabis des Landes kommt aus der wirtschaftlich schwachen Rif-Region im Norden. Zwar wird der Anbau geduldet, doch die Bauern leben im Umfeld der Kriminalität oft in Armut und Angst.
Der Gesetzesentwurf schlägt eine nationale Agentur für Cannabis- und Bauernkooperativen vor, die den Anbau regulieren soll. Würde Cannabis legalisiert, dann wäre das für Marokko "die ideale Voraussetzung, um in großer Menge Investitionen in die Infrastruktur anzuziehen, die es braucht, um den lukrativen Markt zu bedienen", heißt es in einem Bericht des Cannabis-Marktforschungsunternehmens "New Frontier Data" aus dem Jahr 2019. Die marokkanischen Bauern hätten dann auch die Möglichkeit, in den Handel mit anderen Cannabis-bezogenen Produkte einzusteigen, so "New Frontier Data".
Einwände von Islamisten
Allerdings gibt es ernsthafte politische Hindernisse, die einer offiziellen Cannabis-Industrie in Marokko entgegenstehen. So suspendierte der ehemalige, von 2011 bis 2017 amtierende Premierminister Abdelilah Benkirane vor wenigen Tagen seine Mitgliedschaft in der gemäßigt islamistischen "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (PJD). Die PJD habe ihren Widerstand gegen die Legalisierung des Cannabis-Anbaus für medizinische und industrielle Zwecke aufgegeben, begründete er seinen Schritt.
Die Partei führt die derzeitige Koalitionsregierung an, hat aber während der Pandemie einiges an Unterstützung in der Bevölkerung verloren.
Derweil kündigten Bauerngruppen in den nördlichen Cannabis-Regionen an, den Gesetzesentwurf ändern zu wollen. Sie seien nicht ausreichend konsultiert worden, so ihre Kritik. Ihr Einwand: Die Legalisierung des Cannabis-Anbaus könne dazu führen, dass sich künftig Betriebe in Regionen ansiedelten, die besser für die herkömmliche Landwirtschaft geeignet seien. Dementsprechend wollen die Landwirte im Norden den zukünftigen Anbau auf jene Gebiete beschränken, in denen die Pflanze schon seit jeher angebaut wird. Sie fürchten zudem, durch das Gesetz könnten die Preise und damit ihr Einkommen fallen. Darüber hinaus haben die Bauern eine Amnestie für jene über 40.000 Personen gefordert, gegen die aufgrund ihrer Beteiligung am illegalen Cannabis-Handel Haftbefehle vorliegen.
Alternative zur Kriminalität
Die EU-Regierungen könnten mehr tun, um die Legalisierungskampagne in Marokko zu unterstützen, findet Tom Blickman von der unabhängigen Denkfabrik "Transnational Institute" in Amsterdam. Er verweist auf die wirtschaftlichen Chancen im Rahmen von Modellen einer so genannten "alternativen Entwicklung".
Die Idee der "alternativen Entwicklung" besteht darin, für die am Anbau illegaler Drogenkulturen beteiligten Bauern alternative Einkommensquellen zu finden - so etwa Bananen, Kakao, Kaffee, Vieh oder Fisch. Seit kurzem wird zu diesen Alternativen auch medizinisch genutztes Cannabis gezählt.
"Immer mehr Staaten, darunter auch Deutschland, erlassen gesetzliche Regelungen für die medizinische Anwendung", heißt es in einem Strategiepapier des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom Oktober 2020. "Dadurch könnte sich die Nachfrage nach legal angebautem medizinischem Cannabis erhöhen und Entwicklungspotenziale in Regionen eröffnen, in denen Cannabis bisher nur illegal angebaut wurde."
Hoffnung auf Export nach Europa
"Es wäre gut, wenn Europa offener wäre, um beim Aufbau dieser Industrie zu helfen - indem etwa medizinisches Cannabis aus Marokko nach Deutschland importiert würde, dem derzeit größten Markt für medizinisches Cannabis", sagt Blickman. "Eine positive Stellungnahme von Ländern mit medizinischen Cannabisprogrammen könnte dabei hilfreich sein."
Erleichterte Europa den Import, würde dies seinem Land helfen, sagt auch Driss Benhima, ehemaliger Direktor der staatlichen Entwicklungsagentur von Nordmarokko sowie Leiter mehrerer Studien über den Cannabis-Anbau in der Region.
Zum einen würde dies dazu beitragen, die natürliche Umwelt zu erhalten. "Diese ist durch die mit der jetzigen illegalen Cannabis-Produktion verbundene intensive Landwirtschaft stark geschädigt." Zum anderen würden es den "giftigen Vertrauensmangel" zwischen den Cannabisbauern und nationalen öffentlichen Institutionen Marokkos mildern, so der Regierungsberater. Mangelndes Vertrauen habe schon frühere Entwicklungsprojekte in diesem Bereich behindert. "Ich hoffe, dass die Legalisierung all das ändern wird", so Benhima gegenüber der DW. Er ist überzeugt: "Sie wird zu anständigen Einnahmen, sozialer Integration und auch zum Schutz der Umwelt führen."