"Bonn kann durchaus mehr Schumann vertragen"
6. Juni 2017Das Bonner Schumannfest (06.06. bis 18.06.2017) entstand in Privatinitiative und feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Zentraler Spielort ist das Schumannhaus im Stadtteil Endenich. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch in Düsseldorf wurde der Komponist nach eigenem Wunsch in die damalige Heilanstalt eingewiesen und verbrachte dort die letzten Jahre seines Lebens: 1856 ist er in der Anstalt im Alter von 46 Jahren gestorben. Dass diese Gedenkstätte erhalten und ausgebaut werden konnte, ist einer deutsch-britischen Freundschaft zu verdanken, verrät der Initiator und Leiter des Schumann-Festivals Markus Schuck im Interview.
DW: Warum gibt es das Schumannfest in Bonn?
Markus Schuck: Es gibt hier das Schumannhaus, in dem der Komponist die letzten zweieinhalb Jahre seines Lebens verbracht hat. Er ist hier in Bonn gestorben und liegt gemeinsam mit seiner Frau Clara auf dem Bonner Friedhof begraben. Dieses Haus wurde von der Stadt stiefmütterlich behandelt. Dabei enthielt es einen wahren Notenfundus und eine Musikbibliothek, Ausstellungsstücke von Robert Schumann und natürlich auch einen kleinen Konzertsaal. Ich habe nie verstanden, warum sich die Stadt nur zu Beethoven bekennt und nicht auch zu Robert und Clara Schumann, wo beide doch biographisch so eng mit Bonn verbunden sind. Daraus ist dieses bunte, vielfältige Festival entstanden.
Wie steht es um den Notenfundus im Schumannhaus?
Aus Sicherheitsgründen können wir Original-Partituren von Schumann dort nicht lagern. Sie lagern im Tresor des Beethovenhauses. Die wichtigsten wissenschaftlichen Forschungszentren für Schumann sind in Düsseldorf und in seiner Geburtsstadt Zwickau. Der Notenfundus ist so reich, dass Leute aus anderen Städten anfragen, ob sie Noten ausleihen können. Wir haben im Schumannhaus auch einen großen Fundus an CDs und alten Einspielungen. Hier in Bonn ansässig ist auch das bundesweite Schumann-Netzwerk, das auf eine Initiative von uns gegründet worden ist.
Schumanns Zeit in Bonn war auch eine Zeit der geistigen Umnachtung. Wie kamen denn diese historischen Zeugnisse ausgerechnet nach Bonn?
Durch den glücklichen Umstand, dass ein gewisser Michael Sharpe ein großer Freund des Schumannhauses war. Er war in der Nachkriegszeit Pilot bei der englischen Luftwaffe, hat Aufklärungsflüge über das Rheinland machen müssen und dabei eine Liebe zum Rheinland entwickelt. Sharpe hat dabei auch das Schumannhaus entdeckt. Er ist für uns immer wieder zu großen Versteigerungen gegangen, hat Werke für uns erworben und sie Jahr für Jahr nach Bonn gebracht. Michael Sharpe hat uns auch eine Spende zukommen lassen, damit wir eigene Sachen anschaffen konnten. So ist das durch eine deutsch-britische Freundschaft entstanden.
Womit beschäftigt sich die Schumann-Forschung heute?
Erst einmal muss ich feststellen, dass die Schumann-Forschung gar nicht so alt, aber sehr vielfältig ist. Es ist zum Beispiel bemerkenswert, welches literarisches Talent bereits in seinen Schulaufsätzen zu entdecken ist. Was uns aber an dieser Person fasziniert - und was wir im Schumannfest zum Ausdruck bringen wollen - ist, dass er jeder musikalischen Entwicklung, jeder Persönlichkeit ohne Eitelkeiten gegenüber offen war, sie beschrieben und analysiert und ernst genommen hat. Er hat Brahms entdeckt - oder auch den Komponisten Niels Gade.
Diesen Entdeckergeist übertragen wir auf das Festival. Wir begeben uns auf die Suche nach jungen Talenten aus verschiedenen Bereichen - auch Jazz, Rock/Pop, Kabarett und Film - aber natürlich auch aus dem Klassikbereich. Und wir wollen auch das Lied als Kunstform und den Liederabend als Veranstaltungsformat zum Leben erwecken. Neben Schumanns wunderbarem Liedgut bringen wir Lieder zeitgenössischer Komponisten zu Gehör. Das Motto des diesjährigen Festes ist übrigens "Freude" und bezieht sich auf die Begebenheit, dass Schumann fast ausschließlich in Momenten der Freude komponiert hat. Damit setzen wir einen Akzent neben dem großen Beethovenfest, das auch in Bonn seinen Platz hat.
Robert Schumann war eine vielschichtige Persönlichkeit, aber auch voller Widersprüche. In seinen Schriften widersprach er sich stets, seine Musik ist vielfältig. Auf welche Weise nähern Sie sich diesem nicht leicht greifbaren und begreifbaren Charakter an?
Das Besondere an unserem Festival ist: Wir haben ganz verschiedene Kulturstätten, die zusammenarbeiten. Rock- und Pop-Fans kommen zum Schnuppern ins Schumannhaus. Wir machen dort auch Jazzabende, weil wir meinen, auch für Schumann wäre Jazz eine Entdeckung gewesen. Und wir haben das Filmpublikum, das über den Film den Weg ins Schumannhaus zu den klassischen Konzerten findet und umgekehrt. Wir haben auch das Theater im Ballsaal als wunderbare Spielstätte für klassische Musik entdeckt.
Zentraler Spielort ist natürlich das Schumannhaus. Mit einem Platzangebot von 100 Personen hat es eine Salon-Atmosphäre, wie sie vielleicht zu Zeiten Schumanns geherrscht hat: Das Publikum sitzt unmittelbar neben dem Künstler, wie in einem Wohnzimmer. Das macht den besonderen Charakter dieser Konzerte aus. Das sagen uns immer wieder sowohl Musiker als auch Besucher.
Kommen die Besucher auch von weit her, so wie das beim Beethovenhaus der Fall ist?
Ich bin überrascht, wie viele Künstler zum Schumannhaus pilgern, wenn sie in Bonn sind. Aus Sachsen kommen einige. Es sind auch zahlreiche Asiaten unter den Besuchern. Aber bei vielen ist das Haus einfach nicht bekannt. Amerikaner haben mich angesprochen: "Was! Sie haben das Schumannhaus? Warum erfahren wir das nicht?"
Welche Wünsche haben Sie für das Schumannfest? Was treibt Sie weiter an?
Bonn gilt inzwischen nicht nur als Beethoven-, sondern auch als Schumann-Stadt. Wenn man aber die finanzielle Unterstützung anschaut, ist sie in der Tat ausbaufähig: Das Schumannfest basiert rein auf ehrenamtlicher Arbeit, die vom Verein Schumannhaus Bonn e.V. ausgeht. Dennoch werden wir europaweit wahrgenommen. Aber ich denke, dass Bonn noch mehr Schumann vertragen kann, als es jetzt der Fall ist. Und 2019 - ein Jahr vor dem Beethoven-Jubiläum - können wir den 200. Geburtstag von Clara Schumann feiern. Sie als herausragende Künstlerin, Komponistin, bekannteste Pianistin ihrer Zeit - und nicht zuletzt als Mutter von acht Kindern in den Mittelpunkt zu stellen - das würde dieser Stadt gut tun. Das wäre vielleicht ein kleines Ausrufezeichen vor diesem großen Beethoven-Jubiläum, das zeigt, dass Bonn noch mehr zu bieten hat. Noch laufe ich gegen Wände, aber ich gebe nicht auf.
Mit Markus Schuck sprach DW-Musikredakteur Rick Fulker.
Markus Schuck ist Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke e.V. in Bonn. Zusammen mit Andreas Etienne, Leiter des Bonner Theaterhauses der Springmaus, gründete er 1998 das Festival "Endenicher Herbst", das seit einigen Jahren "Bonner Schumannfest" heißt. Das Festival fußt auf der ehrenamtlichen Tätigkeit von Schuck und seinen Mitarbeitern, hat sich dennoch zu einem Festival entwickelt, das weit über Bonn und die Region hinaus bekannt ist. Es vereint Musik, Theater, Film, Tanz und Vorträge und wird von herausragenden, vorwiegend jungen Künstlern bestritten.