Mariupol: Kriegsverbrechen, Flucht, aber keine Kapitulation
In der vierten Woche des russischen Überfalls auf die Ukraine häufen sich die Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Aus Mariupol fliehen Menschen in Kolonnen, eine Kapitulation der schwer umkämpften Stadt schließt Kiew aus.
Exodus aus Mariupol
In schier endlosen Kolonnen haben in der vergangenen Woche pro Tag Zehntausende Menschen ihre zerstörte Heimat Mariupol verlassen. Seit Kriegsbeginn ist die straegisch wichtige Hafenstadt Ziel von Raketenangriffen und Bombardements - auch auf zivile Ziele. Nach russischen Angaben halten sich von den etwa 440.000 Einwohnern noch 130.000 in der Stadt auf.
Eine unbewohnbare Stadt
Nach fast vier Wochen Beschuss ist die belagerte Stadt nahezu unbewohnbar geworden. Laut Stadtverwaltung sind 80 Prozent der Wohnungen zerstört. Viele Bilder aus Mariupol zeigen zerstörte oder ausgebrannte Wohngebäude wie dieses, das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass stammt.
Russlands "Kriegsverbrechen"
Wegen der russischen Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung haben mehrere westliche Politiker von russischen "Kriegsverbrechen" gesprochen. Unter ihnen sind die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und der EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Borrell sagte, Russland zerstöre die Ukraine ohne jeglichen Respekt für die Kriegsregeln.
Nur strategische Ziele im Visier?
Russland behauptet, es greife ausschließlich strategische und militärische Ziele an. Für das Bombardement des Theaters von Mariupol etwa macht es das Asow-Regiment, eine als rechtsnationalistisch geltende Einheit der ukrainischen Streitkräfte, verantwortlich. Hunderte Menschen überlebten den Angriff im Luftschutzbunker unter dem Theater.
Dem Wohlwollen der Aggressoren ausgeliefert
Wer die Stadt verlassen will, ist auf einen humanitären Korridor angewiesen. Russische Separatisten, die auch den benachbarten Oblast Donezk kontrollieren, überwachen die Fluchtwege. Sie stehen nur unbewaffneten Zivilisten offen, die die belagerte Stadt verlassen wollen.
Evakuiert in Feindesland
Dieses Foto der russischen Staatsagentur Tass soll aus Mariupol evakuierte Menschen in einem improvisierten Lager im russisch besetzten Oblast Donezk zeigen. Russland sagt, es wolle ukrainischen Flüchtlingen Schutz gewähren. Der Stadtrat von Mariupol wirft dagegen Russland vor, russische Separatisten hätten Tausende Einwohner gegen deren Willen nach Russland gebracht.
Zwischenstation Saporischschja
Viele flüchten aus Mariupol zunächst nach Saporischschja. Dort werden auch Verletzte behandelt, was in Mariupol, wo auch Krankenhäuser bombardiert wurden, kaum noch möglich ist. Vor zwei Wochen hatte es im größten Atomkraftwerk Europas in Saporischschja nach einem Raketenbeschuss kurz gebrannt. Ansonsten ist die 750.000-Einwohnerstadt von den Kämpfen bisher weitgehend verschont geblieben.
So weit weg, wie es geht
Dieser Jugendliche ist aus Mariupol nach Lwiw im Westen der Ukraine geflohen. Dort nimmt ihn seine Mutter in Empfang. Auch Lwiw hat die russische Armee bereits beschossen. Für viele Flüchtlinge ist Lwiw ein Zwischenstation auf dem Weg in benachbarte EU-Länder.
Viel Städte unter Beschuss
Doch nicht nur Mariupol ist russischen Angriffen ausgesetzt. Vor allem im Norden und Osten schlagen immer wieder Raketen und Artilleriegranaten in Großstädten wie Sumy, Charkiw und der Hauptstadt Kiew ein. Hier sind die Überreste eines Kiewer Einkaufszentrums zu sehen. Bei dem Angriff sind laut lokalen Medien vier Menschen getötet worden.
Kapitulation abgelehnt
Am Sonntag hatte Russland der Ukraine ein Ultimatum gestellt, Mariupol bis Montagmittag aufzugeben. Das hat die Ukraine abgelehnt. Stattdessen verließen wieder Tausende Zivilisten die Stadt, die laut der ukrainischen Regierung unter Dauerbeschuss steht. Nach Einschätzung des russischen Sparatistenführers Denis Puschilin könnte der Kampf um Mariupol noch Wochen dauern.