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Mario Adorfs unordentliche Erinnerungen

Brigitte Neumann17. April 2004

Mario Adorf, Deutschlands wohl beliebtester Schauspieler, ist mit 74 Jahren ein Hans-Dampf-auf-allen-Bühnen. Nun hat auch er seine Memoiren geschrieben.

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Mario Adorf und Volker Schlöndorff im Berliner Renaissance-TheaterBild: AP

Es gibt sehr viel Jüngere, die heutzutage mit ihren Memoiren Auflage machen. Mario Adorf, einer der beliebtesten Schauspieler Deutschlands, hat nach eigenen Angaben lange gezögert, ein Buch über sich selbst zu verfassen. Seine im März 2004 erschienenen Lebenserinnerungen versammeln Geschichten aus den Tagen der Kindheit in einem kleinen Eifelstädtchen und der großen Welt des internationalen Films.

Erinnerung ist sprunghaft

Erinnerungen kommen einem chaotisch ins Gedächtnis, schreibt Adorf im Vorwort. Dann fängt er zwar am Anfang an zu erzählen, wie er mit drei ins katholische Waisenhaus kam, weil seine allein erziehende Mutter – Schneiderin von Beruf – sich nicht um ihn kümmern konnte. Doch schon ein paar Seiten später folgt ein Exkurs ins Jahr 1963 – US-Präsident John F. Kennedy wird erschossen – und der Autor meditiert lange über die Veranlagung gewisser Familien zum Unglück. Ist das eine Anspielung auf eigene Probleme? Sein Alltag als vaterloses Kind in einem tief religiös gefärbten ländlichen Umfeld dürfte damals nicht einfach gewesen sein. Aber bei dieser Spekulation muss es bleiben: Unglück, Verzweiflung, Angst – Adorf schweigt über diese Seite seines Lebens. Vielleicht will er uns nicht damit behelligen. Vielleicht sich selbst auch nicht.

Eine "gewisse Zuverlässigkeit"

Und er ist ja auch gut mit dieser Methode gefahren, heute gilt er als der beliebteste deutsche Schauspieler. "Wenn ich mal allen glaube, die heute gut reden, dann kann ich es mir nur so erklären, dass die Leute eine gewisse Zuverlässigkeit, eine Glaubwürdigkeit und Identität mit dem feststellen, was ich bin, was ich sage und was ich tue", meint er im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Auf die Glaubwürdigkeit komme es an. Das sei im Leben genauso wie auf der Bühne. Und der heute in Rom lebende Adorf hat diese magische Ausstrahlung des Authentischen in allen seinen Rollen bewiesen: als großer Bellheim, als Mexikaner in Sam Peckinpahs Western "Sierra Charriba", oder als Mafiaboss in Dieter Wedels "Schattenmann".

Filme in alle Sprachen

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Mario Adorf

Mario Adorf ist nicht nur ein international renommierter Schauspieler – sondern außerdem Bildhauer, Maler, Sänger und Schriftsteller. In den vergangenen 40 Jahren machte Adorf etwa 100 Kinofilme mit den besten Regisseuren Europas und vielen berühmten Kollegen. Er drehte meistens in der Originalsprache. Italienisch etwa mit Marcello Mastroianni und Sophia Loren. Französisch mit Claude Chabrol, Englisch mit Sam Peckinpah oder eben Deutsch mit Volker Schlöndorff und Rainer Werner Fassbinder.

Seinen Flirt mit Hollywood schildert Adorf ausführlich, beurteilt ihn aber insgesamt als unerfreulich. "Wir haben nichts in diesem Land verloren", war er sich 1980 bei der Oscarverleihung für den Film "Die Blechtrommel" mit Schlöndorff einig.

Nicht genial, aber vielleicht genialisch vielseitig

In Deutschland konnte Adorf immer sehr zufrieden mit der Resonanz des Publikums sein und mit dem, was die Kritiker über ihn schrieben. Und selbst wenn die Frankfurter Allgemeine Zeitung einmal despektierlich meinte, Adorf sei ein guter Volksschauspieler, doch keineswegs genial, so gibt er sich einverstanden damit. "Ich hab nie für mich in Anspruch genommen, dass ich in irgendeiner Sparte genial wäre. Im Gegenteil. Der Schauspielerberuf braucht verschiedene Begabungen, um zu dem zu kommen, was letzten Endes ausgedrückt werden muss. Ich habe mich auch immer als ein vielseitig Begabter, aber auch nie nur annähernd als Genie empfunden."

Adorf wurde mit allen großen Preisen und zwei Mal mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der Mann, der in der Eifel aufwuchs, in Rom lebt und mit einer Französin verheiratet ist, spielt derzeit auf der Bühne des Berliner Renaissance-Theaters in "Enigma" unter der Regie von Volker Schlöndorff.

Mario Adorf

Himmel und Erde

Unordentliche Erinnerungen

256 teilweise bebilderte Seiten

18,90 Euro

Verlag Kiepenheuer und Witsch